KAMBODSCHA SOLO

Reisezeit: November 2004  |  von Uwe Decker

Gigantisches Angkor

Siem Reap, 18.-19.11.2004

Rechtzeitig vor meiner Ankunft in Kambodscha hat die Zentralregierung dankenswerterweise die Strasse von Phnom Penh nach Siem Reap mit einem neuen Asphaltüberzug versehen. Da auf dieser Strecke auch noch ein Luxusbus mit AC, Video, Toilette und Reiseleiterin, zudem auch noch mit Frühstück verkehrt und ich in Vietnam reichlich Boot gefahren bin, ist der Weg mit dem Schiff über den Tonle Sap See kein Thema. Die Busfahrt ist tatsächlich völlig entspannend und mit 5 Dollar preiswert, man sieht viel von Land und Leuten und nach einem Stopp in Kompong Thom kommen wir fast überpünktlich zur Mittagszeit in Siem Reap, dem Ausgangspunkt für die Besichtigung der Tempelanlagen von Angkor, an.

Schweinetransporter

Schweinetransporter

Auch hier läuft es wie üblich, Taxifahrer und Schlepper warten schon am Bus. Ich suche mir einen sympathisch aussehenden jungen Mann mit Englischkenntnissen und schickem schwarzen Tuk-Tuk aus, lasse mich zu meinem Hotel bringen, packe aus, mache etwas Siesta und dann geht es auch schon bald nach Angkor.

Für Angkor benötigt man einen Pass, für 1, 3 oder 7 Tage. Hatte ich ursprünglich 2 oder 3 Tage für die Anlagen eingeplant, habe ich mich durch Gespräche mit anderen Reisenden überzeugen lassen, dass für nicht übermäßig Kulturinteressierte ein, dann allerdings voll gepackter und stressiger Tag ausreichend ist. Der 1-Tages-Pass kostet 20 Dollar und berechtigt zum Betreten der Stätten bereits am Vortag ab 17 Uhr. Also Zeit genug, um entweder zum Angkor Wat oder auf den Hügel Phnom Bakheng zu hetzen, um den Sonnenuntergang zu erleben und zu fotografieren.

Ich entscheide mich für den Berg und klettere inmitten von Massen anderer Touris den Hügel hinauf, überhole dabei zahllose Japaner, die auch ihre korpulentesten Familienmitglieder den steilen Anstieg hinauf schieben. Ganz oben angekommen ist von dem sich hier befindenden Tempel vor lauter Menschen kaum etwas zu sehen, der Kampf um die besten Fotografierplätze ist bereits in vollem Gange.

Der Weg nach oben hat sich schließlich tatsächlich gelohnt, es gibt einen eindrucksvollen Sonnenuntergang, aber ich denke mit Entsetzen an den morgigen Tag, wenn ich den Kampf mit den vorwiegend asiatischen Besuchermassen wieder aufnehmen muss.

Es ist noch gar nicht so lange her, dass das Gebiet um Angkor den Khmer Rouge als Rückzugsgebiet diente und entsprechend stark vermint war. Seit dieser Spuk aber vorbei ist und die Gegend als weitgehend minenfrei gilt, fallen immer mehr Pauschaltouristen, die ihren Urlaub in Thailand verbringen, hier ein und zahlen ein horrendes Geld für einen Kurztrip (mit dem Flugzeug, oh Ihr Glücklichen!) nach Angkor. Der durchschnittliche Kambodscha Besucher bleibt 5,5 Tage, für Angkor natürlich und vielleicht noch Phnom Penh. Die 5,5 Tage habe ich, trotz meiner begrenzten Urlaubszeit, bereits überschritten.

Auf Minenopfer trifft man in der Stadt häufig. Sie sind natürlich dort, wo sie sich die meisten Gaben erhoffen, da, wo sich die Touristen aufhalten. Auch andere Bettler, überwiegend ältere Frauen, sieht man hier öfter als anderswo im Lande

Die Nacht ist früh zu Ende, bereits um 4.45 Uhr mache ich mich mit meinem Guide, seinen Namen habe ich leider vergessen, auf den Weg, dieses mal zum Sonnenaufgang vor dem Angkor Wat. Ich hätte ruhig noch ein, zwei Stündchen länger schlafen können, zu viele Wolken verderben ein stimmungsvolles Foto, auch meine zahllosen Mitbeobachter ziehen etwas enttäuscht ab.

Seine 12 Dollar Tageslohn hat sich mein Tuk-Tuk-Fahrer an diesem Tag wahrlich verdient. Dank seines genialen Timings bin ich an den Tempeln, die ich am Vormittag besuche, lange Zeit einer der ersten, manchmal sogar der einzige Besucher. So kann man unbehelligt zwischen den Gemäuern herumklettern und die einzigartigen Reliefs und die in den Stein gemeißelten Figuren und Ornamente bewundern. Es ist unglaublich, die einzelnen Anlagen sind riesig, aber es findet sich kaum ein Quadratmeter unbehauenen Steins, ein Meisterwerk der frühen Khmer Kultur.

Während einer kurzen Frühstückspause am Bayon kommen auch die ersten Händler auf mich zu, ausschließlich Kinder. Sie können ausreichend Englisch und haben hier einen besonderen Trick, wenn man nicht kaufen will. "Mister, where you come from?" -"Ahh, Germany, Mister, if I tell you the capital of Germany, then you buy my postcards?" Begleitet werden diese Sätze jeweils mit einem zuckersüßen Lächeln. Die Kinder sind köstlich. Ein Mädchen wandelt das Ganze etwas ab: "Mister, if you cannot tell me the capital of Madagaskar, then you buy my postcards, ok ?" Ich sage: "Ok, it's Antananarivo" -Sie macht erst ein erstauntes Gesicht, lacht dann aus vollem Herzen. Bei meiner Nachmittagspause treffe ich sie wieder. Ich schenke ihr, da ich ihre Postkarten nun wirklich nicht brauche, zwei kleine Tütchen Haribo. Sie setzt sich an meinen Tisch, nimmt ein Stück Papier, einen Kugelschreiber und Buntstifte und schreibt alle Sätze auf, die sie auf Englisch kennt, malt dann noch eine Blume und gibt mir den Zettel. "This is for you, because you give me something from your country." Ist sie nicht umwerfend ? Auch wenn ich mich wiederholen sollte, überall, wo ich bisher auf der Welt war, bin ich herzlich aufgenommen worden, aber nirgends habe ich so uneingeschränkt freundliche Menschen getroffen wie in Kambodscha.

Zurück zu den Tempeln. Manche sagen, Angkor wäre eine Ansammlung kaputter Steine. Ich sage, Angkor ist gigantisch ! Unglaublich, wie das alles entstanden ist. Dabei sind sie nicht bloß große Museumsstücke, die nur so dastehen und auf ihre Besichtigung warten. Sie scheinen ein Teil der Umgebung, sind eingebettet in die Landschaft, manche befinden sich neben Reisfeldern, an den Außenmauern weidet das Vieh. Viele Bewohner aus den umliegenden Orten fahren auf den Straßen zwischen den Tempeln zur Arbeit oder zum Markt nach Siem Reap. Was für ein grandioser täglicher Arbeitsweg!

Am Neak Pean, einem kleinen Tempel, der umgeben ist von Wasser, ist es dann passiert. Die Japaner haben mich eingeholt - bzw., nein, kann nicht sein, die sind aus der anderen Richtung gekommen. Plötzlich strömen sie von alle Seiten. Ich ergebe mich, setze mich auf die Stufen vor dem See in den Schatten, nehme meinen MP3-Player, höre meine Lieblingsmusik und genieße einfach nur den Blick auf diesen wunderschönen Tempel, wie er sich im Wasser spiegelt. Das Leben kann so schön sein - auch mit Japanern. Irgendwann ist der Spuk aber wieder vorbei, die Anlagen dehnen sich ja auf einem riesigen Gebiet aus, so dass sich die Touristenmassen doch gut verteilen.

Besonderen Eindruck hinterlässt bei mir natürlich, wie bei fast jedem Besucher, der Dschungeltempel Ta Phrom, der weitgehend so belassen wurde, wie ihn seine Entdecker 1860 vorgefunden hatten und dessen Ruinen nun von den gigantischen Wurzeln der Kapok-, Feigen- und Banyanbäume umschlungen werden und sie zum Bersten bringen. Andererseits scheint es aber auch so, dass die Gemäuer teilweise nur von den Wurzeln noch zusammengehalten werden. Ein wirklich gut gewählter Ort, um den Film "Tomb Raider" zu drehen. Hier kann man zwischen den Steinhaufen herumklettern, ich komme mir vor wie ein kleiner Junge auf einem riesigen Abenteuerspielplatz. Irgendwo muss ich wohl ein No Entry-Schild übersehen haben, ich begegne lange Zeit keinem einzigen Menschen, höre nur vereinzelt ein paar Stimme in der Ferne.

Für die Angkor-Experten unter der geneigten Leserschaft folgt nun die Aufzählung der Tempel, die ich an diesem Tage "geschafft" habe:

Angkor Wat, Angkor Thom mit Bayon, Elefantenterrasse und Terrasse des Leprakönigs, Preah Khan (mit Führung), Neak Pean, Ta Som, East Mebon, Pre Rup, Ta Phrom, Ta Keo und Thomannon.

Ein Mammutprogramm, das Spuren hinterlässt. Ich bin erschöpft, brauche eine Ruhepause, bevor ich mich dem größten Sakralbauwerk der Erde widme, dem Angkor Wat, mit seiner riesigen Ausdehnung und seinen imposanten Wandreliefs, die von den Schlachten der Khmer und dem Ramajana-Epos erzählen. Zum Sonnenuntergang postiere ich mich am vorgelagerten kleinen Teich und bin kurz darauf stolzer Besitzer der typischen Angkor Wat-Postkarten-Fotos, die ein Andenken-Muss für jeden Besucher sind.

© Uwe Decker, 2005
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Allein von Saigon nach Bangkok
Details:
Aufbruch: 06.11.2004
Dauer: 3 Wochen
Heimkehr: 24.11.2004
Reiseziele: Vietnam
Cu Chi
Kambodscha
Der Autor
 
Uwe Decker berichtet seit 19 Jahren auf umdiewelt.
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