Marc und Marten um die Welt

Reisezeit: August 2013 - August 2014  |  von Marten Seifert

Phnom Penh

Montag 4. August 2014
Ich hab wegen meinem verzerrten Schlafrhythmus trotz der an sich ganz bequemen Liegen im Ruhebereich des Flughafens kein Auge zubekommen und auch Marc ist nach ein, zwei Stunden Dösen nicht wirklich ausgeruht. Wir vertreiben das letzte bisschen Wartezeit mit Kartenspielen, bis wir feststellen, dass sich unser Gate genau auf der anderen Seite des Gebäudes befindet. Unsere Fluggesellschaft kommt dann noch auf die lächerliche Idee, den "Final Call" bereits eine Dreiviertelstunde vor offizieller Abflugzeit auszurufen. Wir wetzen also wie die Bekloppten durch die endlosen Gänge des Changi International Airports, um noch wenige Minuten bevor sie das Gate schließen wollen, an Board gehen zu können. Wir sind dann so ziemlich die ersten, die das Flugzeug betreten, weil sich auch alle anderen Passagiere nach der auf dem Ticket ausgeschrieben Zeit richten und entsprechend noch in irgendwelchen Duty Free Läden am Shoppen sind.
Egal, der Flug geht halbwegs pünktlich los. Etwas zu Essen gibt es in Billigfluggesellschaften bekanntlich eh so gut wie nie und so können wir ganz entspannt einschlafen. Am Flughafen Phnom Penh gelandet wird dann erstmal das Visumsformular ausgefüllt und samt Passbild am Schalter abgeben, bevor wir es nach einer Zahlung von 20$ wieder abgestempelt zurückbekommen.
Die kambodschanische Regierung hat sich anscheinend entschlossen, US-Dollar und den kambodschanischen Riel als Parallelwährungen laufen zu lassen. Die Geldautomaten am Flughafen spucken allerdings ausschließlich Dollar aus. Von denen bekommen wir dann zwei Einhundertdollarscheine. In Ecuador oder Panama hätte man jetzt gleich erstmal zur Zentralbank fahren dürfen, um diese Scheine wieder gegen kleineres Geld eintauschen zu können, aber wir werden sehen.
Mit unserem restlichen Eindollarscheinen, die eigentlich fürs Visum in Indonesien gedacht waren, bezahlen wir den Taxifahrer, der uns bis zum von uns vorgebuchten "Malis Guesthouse" fährt. Bei 15$ pro Nacht kann man eigentlich nicht so viel falsch machen. Mit Klimaanlage. Die muss aber auch wirklich nonstop laufen, um sich gegen die Hitze im obersten Stock des Hauses durchsetzen zu können. Also alles ganz nett hier und so verlängern wir dann auch gleich noch für zwei weitere Nächte und können ohne Probleme mit einem der beiden 100$-Scheine bezahlen. Sehr schön.

Unser Guesthouse ist wirklich zentral gelegen, wobei die Kerninnenstadt von Phnom Penh ohnehin recht übersichtlich und entsprechend leicht abzulaufen ist. Zumindest nach unseren Maßstäben. Das Schöne ist hier nämlich, dass es zwar genauso heiß ist, wie in Bangkok, aber es weht Wind. Eine wundervolle Tatsache, die die gefühlte Temperatur mal ganz locker um zehn Grad reduziert.
Etwas überfordert von den ganzen einheimischen Essensständen und dem hier zum Teil doch sehr mangelhaften beziehungsweise nicht existenten Englischkenntnissen der Leute, entscheiden wir schließlich, einfach nur trockenes Baguette mit kalter Cola zum Frühstück zu genießen. Auch mal wieder schön. Dazu muss man Wissen, dass Kambodscha früher unter französischer und nicht englischer Vorherrschaft stand. Die Vorteile liegen auf der Hand: Es gibt z.B. Baguettes und nicht nur schlabberiges englisches Weißbrot, europäische Steckdosen und nicht irgendwelche englischen Sondervarianten (wobei es im touristischen Südostasien ohnehin sehr oft Universalsteckdosen gibt) und es gibt wieder Rechtsverkehr. Was uns allerdings erst nach über einer Stunde im wuseligen Straßenverkehr auffällt. Wir sind es so gewohnt, grundsätzlich fünfmal in jede Richtung gucken zu müssen, um eine asiatische Straße lebend zu überqueren, dass wir es zuerst gar nicht bemerkt haben.
Der restliche Tag wird dann mit einem ausgiebigen Mittagsschlaf gekrönt, bevor wir im guesthouseeigenen Restaurant für 2,5$ pro Person kambodschanisches Lok Lak bestellen. Gebratenes Fleisch in dunkler Soße mit viel Zwiebeln und Spiegelei, sowie Reis und ein bisschen Salat als Garnierung. Sehr lecker.
Trotz Mittagsschlaf penne ich dann ab 8Uhr abends schon wieder weg, während Marc noch ein bisschen im Internet surft.

Dienstag 5. August 2014
Wer früh einschläft, kann früh aufstehen und so geht es schon um halb neun morgens los, ein paar Sehenswürdigkeiten angucken. Wat Phnom ist letztlich auch nur ein großer Kreisverkehr mit einem kleinen Tempelberg in der Mitte, für den man 1$ Eintritt p.P. zahlen muss. Aber gut, er liegt eben gleich in der Nähe, also nimmt man es mit. Danach finden wir sogar noch einen Geldautomaten, der uns einheimische Riel ausspuckt, was zumindest auf Märkten und dergleichen ganz praktisch ist. Zumal es hier ausschließlich Scheine gibt und so wird der 1000-Riel Schein mit einem Gegenwert von ca. 25 Eurocent grundsätzlich als Untereinheit vom US-Dollar benutzt. Es gibt sogar noch 100-Riel Scheine, die dann einen Gegenwert von lächerlichen 2,5 Eurocent haben. Zu cool.

Wat Phnom

Wat Phnom

Es geht weiter auf der Promenade am Mekongufer entlang, wo man ganz klar merkt, dass die Restaurants mit ihren für kambodschanische Verhältnisse erhöhten Preisen hauptsächlich auf Touristen aus sind. Und so nehmen wir lieber mit irgendwelchen Marktständen zwei Parallelstraßen weiter vorlieb. Es gibt eine kurze Mittagspause und dann geht es wieder los zum Königspalast. Die Karte Zuhause vergessen, geht's am Unabhängigkeitsdenkmal vorbei bis wir schließlich in einem anderen Tempel landen, der gerade renoviert wird. Die Bauarbeiter gucken uns zwar ziemlich verdutzt an, aber mit unserer Frage nach dem Weg zum Königspalast können sie dank fehlender Englischkenntnisse auch nichts anfangen.
Keine hundert Meter weiter erreichen wir ihn dann schließlich doch noch, wobei ausgerechnet heute manche Bereiche für Besucher gesperrt sind. Wir verschieben den Besuch also einfach auf morgen und gönnen uns auf dem Heimweg noch einen sagenhaft leckeren Shake mit gemischten Früchten für nur 1$. Abendessen gibt's wieder im Guesthouse.

Mittwoch 6. August 2014
Heute geht es für 3$ zum all-you-can-eat Frühstück im Restaurant an der Mekongpromenade. Inklusive Getränke und französischen Backwaren mit viel Rührei und Omelette, besser geht's kaum.
Danach wird mit einem der hier ausgesprochen aufdringlichen Tuktuk-Fahrern ausgehandelt, uns für 15$ zu den Killing Fields hin und zurück zu fahren. Die etwas mehr als 30 minütige Fahrt ist schon ein Abenteuer an sich. Kambodscha erinnert nicht nur von der Armut, sondern auch von der gesamten Bauweise und den Verkaufsständen am Straßenrand am ehesten an Myanmar, wobei wir uns gleichzeitig ein bisschen an unsere Zeit in Bolivien zurückversetzt fühlen. So oder so wechseln sich auch hier ärmste Wellblechhüten mit nagelneuen Wohnhäusern ab, während die Straße immer wieder von neu gebauter Betonspur in noch nicht fertiggestellten Staubweg übergeht.

Um etwas über die Killing Fields erzählen zu können, muss ich einen kurzen Abstecher in die Geschichte Kambodschas zu Zeiten der Roten Khmer machen. In den gerade einmal vier Jahren zwischen der Machtübernahme 1975 bis zur Invasion durch die Vietnamesen 1978 kamen Schätzungen zufolge 2mio. Kambodschaner ums Leben. Wohlgemerkt bei einer damaligen Gesamtbevölkerung von nur 7mio. Ein Großteil der Menschen verhungerte oder starb schlichtweg an Erschöpfung durch die endlosen Fußmärsche aufs Land.
Mit ihrer vollkommen weltfremden Ideologie entvölkerten die Roten Khmer sämtliche Großstädte, ließen selbst Phnom Penh in wenigen Tagen zur Geisterstadt verkommen und schickten alle Stadtbewohner als Bauern auf die Felder. Denn die Bauern waren nach dem Glauben des Führers Pol Pot die Guten. Die Oberschicht sollte ausgelöscht werden. Bücher wurden verbrannt, Geld wurde abgeschafft, Religion verboten, Lehrer ermordet und selbst jeder, der eine Fremdsprache beherrschte, lief Gefahr, dem Regime zum Opfer zu fallen. Ende 1978 brachten "ausgerechnet" vietnamesische Invasionstruppen die Regierung zu Fall und trieben sie ins Exil. Ausgerechnet Vietnam deshalb, weil die westlichen Mächte, unter ihnen auch Deutschland, nach dem Schock des Vietnamkrieges noch Jahre später die Roten Khmer als rechtmäßige Regierung Kambodschas anerkannten, die weiterhin z.B. an UN-Versammlungen Teilnehmen durfte. Die neue Regierungsbildung beziehungsweise Anerkennung der Regierung zog sich über zig Jahre hinweg, bis schließlich der Staat Kambodscha ausgerufen wurde. Erst 1989 zogen die Vietnamesen ihre letzten Truppen ab. Während es 1993 schließlich wieder zu freien Wahlen kam, verschleppten die noch bis zu 10.000 Kämpfer zählenden Roten Khmer selbst bis in das Jahr 1995 weiterhin tausende Menschen in ihre Tötungslager im Dschungel an der Grenze zu Thailand.

Choeung Ek, wo wir uns jetzt befinden und wo damals ca. 17.000 Kambodschaner auf brutalste Weise ermordet wurden, ist eines der größten von geschätzten 300 Killing Fields. Viel zu sehen gibt es hier heute nicht mehr. Lediglich ein kleines Museum mit Bildern und einzelnen Ausstellungsstücken und eine Stupa mit hunderten Knochen und Totenschädeln im Inneren erheben sich zwischen den Bäumen und Wiesenflächen der Anlage. Die ursprünglichen Gebäude wurden alle zerstört.
Doch die Tour ist mit einem verschiedensprachigen Audioguide sehr gut gemacht und man hört Erzählungen zu einzelnen Stellen des Killing Fields und Zeitzeugenberichte, die einem Tränen in die Augen treiben.
Die Ankunft der Gefangenen erfolgte meist am späten Abend, kurz nach Einbruch der Dunkelheit. Die LKWs kamen größtenteils aus dem nahe gelegenen Phnom Penh und den dortigen Gefängnissen, denn Aufenthaltsräume für die Gefangenen gab es hier nicht. Hierher wurden sie nur gebracht, um getötet zu werden. Doch Munition war zu wertvoll und so schlachtete man die Gefangenen mit einer kaltblütigen Brutalität ab, wie man es sich kaum vorstellen kann. Mit dornenbesetzten Palmenblattstängeln schnitt man vielen von ihnen die Kehle auf. Es unterband ihre Angst- und Schmerzensschreie. Danach schlug man mit Hacken und Äxten so lange auf sie ein, bis alle Gefangenen tot waren. 17.000 Menschen allein in diesem Lager und sie alle wurden von direkter Menschenhand getötet.

ehemalige Leichengruben

ehemalige Leichengruben

Knochen- und Kleidungsreste, die noch immer vom jährlichen Monsun freigelegt werden

Knochen- und Kleidungsreste, die noch immer vom jährlichen Monsun freigelegt werden

Während man diese grausamen Geschichten hört, schleicht man bedrückt und mit gesengtem Haupt auf schmalen Staubpfaden zwischen dutzenden Kuhlen hindurch. Hier lagen einst die Toten, die man zum Teil wieder ausgegraben hat, zum Teil sind sie auch schon bis auf wenige Knochenreste verrottet. Man kommt an Glaskästen mit Knochensplittern und Kleidungsresten vorbei und am so genannten Killing Tree. Kleine Kinder und Babys hat man an den Füßen genommen und sie dann, teilweise unter den Augen ihrer Mütter, mit brachialer Gewalt so lange gegen ebendiesen Baum geschmettert, bis sie tot waren. Wendet man den Blick ab und schaut zu Boden, entdeckt man unzählige Knochenreste und Kleidungsfetzen, die durch den Monsun Jahr für Jahr wieder an die Oberfläche kommen, überall zwischen den Gräbern. Dieser Ort wird nie vergessen, wie viel Blut hier vergossen wurde.
Es ist ein schockierender, sehr prägender Besuch, der einem wieder einmal vor Augen führt, zu was für widerwärtigen Taten der Mensch fähig ist. Und wieder stellt sich die Frage, inwieweit die Bevölkerung und die Regierungen der westlichen Welt verantworten können, vor all diesem Leid einfach die Augen zu verschließen, nur weil es einen nicht direkt betrifft.

Killing Tree

Killing Tree

Auf dem Rückweg lassen wir uns vom Tuktuk-Fahrer am Central Market absetzen, wo wir uns mit Unterhosen für die nächsten Jahre eindecken. Wer viel kauft, bekommt bekanntlich ordentlich Mengenrabatt, weshalb wir nur einen Bruchteil von dem zahlen, was wir in Deutschland dafür ausgeben müssten.
Wieder zurück im Guesthouse warten wir die schlimmste Mittagssonne im klimatisierten Zimmer ab, da der Königspalast zwischen 12 und 14Uhr ohnehin geschlossen hat. Kurz vor drei stehen wir dann mit dutzenden Chinesen am Eingangsbereich und kaufen unsere Tickets. Die Schultern müssen bedeckt sein, aber mit halblanger Hose und Flip Flops gewährt man uns problemlos Einlass auf das sehr schön angelegte Gelände. Zwischen grünen Beetanlagen thronen mehrere, vorwiegend in Gelbtönen gehaltene, asiatisch aussehende Gebäude. In dem Versuch, nicht immer gleich hunderte chinesische Touristen im Bild stehen zu haben, werden gleich ein paar Dutzend Fotos geschossen, während wir zwischen den beeindruckend aussehenden, oftmals aber völlig funktionslosen Bauwerken hindurchwandeln. Auf dem Heimweg gibt es wieder einen leckeren Fruchtshake, bevor es abends noch mal zum Markt geht, Mangostane und Kakis kaufen. Vorher gibt es German Kebab, der natürlich kaum mit einem deutschen Döner zu vergleichen ist, aber zumindest ein bisschen an die Heimat erinnert.

Donnerstag 7. August 2014
Der Bus nach Sihanoukville ist gebucht, allerdings erst für 12 Uhr mittags. So geht es vorher wieder ganz entspannt zum Frühstücksbuffet.
Mittags werden wir dann mit einem Auto zum Busbahnhof gebracht, wo man uns in einen kleinen Bus nach Sihanoukville verlädt. Immerhin nicht ganz so klein, wie die doofen Toyotabusse in Thailand. Der kleine Junge, der in diesem Moment in einen Gully kotzt, fährt natürlich auch mit und sitzt genau hinter uns. Na herrlich.
Die Fahrt verläuft recht ruhig, die zum Teil recht ärmlich wirkende Landschaft ist mit den vielen Feldern und vereinzelten Dörfern nicht wirklich abwechslungsreich und so ist das plötzliche Krähen eines Hahns mitten im Bus das größte Highlight. Nach dem der Vogel zwei Stunden unbemerkt und mäuschenstill in dem Bastkorb auf dem Schoss seiner Besitzerin gesessen hat, kräht er dann zehn Minuten zu unser aller Belustigung vor sich hin, bevor wieder Ruhe eingekehrt und man nur noch den Jungen hört, wie er sich in seine Tüte übergibt.
Irgendwo in Sihanoukville werden wir dann auf einem kleinen Parkplatz rausgelassen, wo sofort irgendwelche Tuk-Tuk Fahrer auf uns einreden. Sich eins mit zwei anderen Reisenden aus unserem Bus zu teilen, macht rückblickend kaum Sinn, nicht platztechnisch und schon gar nicht, weil der Fahrer auch noch pro Person abrechnet statt pro gefahrener Strecke. Egal, der ausgehandelte Preis ist am Ende so niedrig, da kann man auch über den Rest hinwegsehen.
Das vorgebuchte Mohachai Guesthouse ist mit Klimaanlage für 14$ pro Nacht auch okay, wobei wir uns beim Erkunden der Gegend für die Folgetage eine andere Unterkunft reservieren, in der das Zimmer nur 10$ kostet. Zum Abendbrot gibt's Burger und dann fallen wir auch schon friedlich in den Schlaf in unseren zwei extragroßen Doppelbetten.

© Marten Seifert, 2014
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Ein ganzes Jahr haben wir uns Zeit genommen, um von Berlin aus über NY, Südamerika, Australien und Ozeanien und Südostasien um die Welt zu fliegen, bevor es wieder in die Heimat zurückgeht.
Details:
Aufbruch: 27.08.2013
Dauer: 12 Monate
Heimkehr: 26.08.2014
Reiseziele: Vereinigte Staaten
Peru
Bolivien
Chile
Ecuador
Kolumbien
Panama
Costa Rica
Französisch Polynesien
Neuseeland
Australien
Singapur
Indonesien
Malaysia
Thailand
Myanmar
Kambodscha
Deutschland
Der Autor
 
Marten Seifert berichtet seit 11 Jahren auf umdiewelt.