5 Monate "Flitterwochen"

Reisezeit: Februar - Juli 2015  |  von Vi O.

Kambodscha: Phnom Penh

Phnom Penh

17.06.15

Ach herrje, frühmorgens kündigte der Wind Schlechtwetter an. Das war kein gutes Zeichen für unsere Bootsfahrt zurück nach Kep. Wir konnten zuerst gar nicht fahren, da es beim Festland scheinbar regnete. Nach einer halben Stunde warten dann die Erleichterung, wir konnten los! Zuerst mussten wir etwa zwanzig Meter durchs Meer bis zum Boot laufen, dort war der Einstieg auch kein Kinderspiel und wir mussten uns gegenseitig mit vereinten Kräften hoch ziehen. Die ersten Wellen zeigten bereits was sie zu bieten hatten. Die Wasserportion, die in meinem Gesicht landete, hätte wohl ein Kilo Salz enthalten. Nach zwei Minuten war ich pitschnass und es blieb mir zu beten, dass unsere Rucksäcke unter der Blache einigermassen trocken bleiben. Dazu kam das auf und ab auf den irrsinnig hohen Wellen. Was wenn wir kentern? Die Frage begleitete mich bis zum Bootssteg am Festland. Denn dort hatten die beiden kambodschanischen Seebären das Boot nicht mehr unter Kontrolle! Es krachte immer wieder mit der Kraft der Wellen gegen den Steinsteg und machte ein Aussteigen unmöglich. Zum Schluss, kein Witz, mussten sie den Anker setzen und wir mussten ins Wasser springen. Ich war etwa hüfthoch im Meer und musste den Rucksack über dem Kopf halten. Tja, das Paradies hatte halt seine Tücken!
Nach diesem unfreiwilligen Bad konnten wir dann zum Glück in trockene Kleider steigen. Die Fahrt nach Kambodschas Hauptstadt dauerte etwa drei Stunden. Diese Zeit verschlief ich irgendwie und kam erst zu mir, als unser Guide etwas über unseren ersten Stop bei den Killing Fields erzählte. Da ich ja schon bei Battambang über die Khmer Rouge geschrieben habe, halte ich mich hier kürzer. Ich möchte aber vorweg nehmen, dass dies bisher nebst dem Besuch in Hiroshimas Atombombenmuseum, meine traurigste Reiseerfahrung war. Die Killing Fields sind das Gelände, wo tausende von Kambodschaner von ihren eigenen Landsmännern, den Khmer Rouge, umgebracht wurden. Mit einem Audio-Guide ausgerüstet, kann man selbständig dieses Areal betreten. Die unzähligen Gruben sind alles Massengräber, die ab 1980 nacheinander entdeckt wurden. Es wurden bisher 8895 Leichen gefunden. Leider liegen wohl immer noch tausende unentdeckte Leichen irgendwo unter dem Boden und bisher war es noch nicht möglich alle Knochen und Kleidungsfetzen zu entfernen. Einer meiner persönlich schlimmsten Momente dort war, als ich fast auf einen Zahn gestanden bin, der auf dem Weg lag. Es braucht wirklich Nerven, dies alles anzuschauen und ich war mir bis zum Schluss nicht sicher, ob ich durchhalten würde. Der Audio Guide liess uns in die Jahre 1975 - 1979 abtauchen und den Erzählungen von Überlebenden zu lauschen, während man über die Todesstätte von ca. 17'000 Menschen läuft, war hart. Das unmenschlichste und grausamste Denkmal steht mitten zwischen den Gräbern. Es ist der Killing Tree . An diesem (eigentlich normal aussehenden) Baum wurde Blut und Gehirnmasse von Babys gefunden. Die Khmer Rouge schlugen dort die Köpfe der Kinder gegen den Baum und warfen die Leichen in die nächst offenen Gruben. Der riesige Turm, genannt Stupa, am Eingang der Fields wurde relativ neu gebaut. Er beinhaltet hinter Glasscheiben tausende Schädel von gefundenen Leichen. Sie wurden sorgfältig gesäubert und wissenschaftlich nach Todesursache geordnet. Den Khmer Rouge war "erschiessen" zu teuer. Deswegen griffen sie zu anderen Methoden. Mit jeglichem Werkzeug wurden die Menschen erschlagen und so konnte man anhand der Löcher in den Schädeln die Todesursache einordnen (Tod durch Holzstab, Hacke, Hammer, und noch ganz anderes).

Die Verschnaufpause war kurz, aber tat trotzdem gut. Danach gingen wir ins S21. Das Gefängnis und Folterhaus der Khmer Rouge. Ich glaube dies gab mir dann den Rest. Am liebsten hätte ich geweint und gleichzeitig erbrochen, aber irgendwie blieb mir beides aus Schock im Hals stecken. Schlimm für mich als Lehrerin war der Gedanke, dass dies eigentlich ein Schulgebäude war. Aus Klassenzimmern wurden Folterräume gemacht, Kinderspielzeuge wurden umfunktioniert zu Folterwerkzeugen. Im einen Gebäude wurden aus Backstein oder Holz Einzelzellen gemacht. Immer noch sind die Blutflecken auf dem Boden zu sehen. Da die Khmer Rouge jeden einzelnen Gefangenen dokumentiert hatten mit Foto und Todesdatum, sind heute alle Gesichter, die in diesem Horrorgefängnis gelitten hatten, dort ausgestellt. Man sieht schmerzverzerrte Gesichter, traurige und leere Blicke, aber auch Wut und Trotz. Dies hat mich am meisten berührt: Die Wut über ihr Schicksal und die Machtlosigkeit ihren Henkern gegenüber.
Der heftigste Tag unserer fünf monatigen Reise schloss ich mit einem Albtraum und ein paar heimlichen Tränen ab. Die Wut der gefangenen Männer, Frauen und Kindern hatte sich auf mich übertragen und wenn ich nun diese Zeilen schreibe, spüre ich das zornige Beben in meinem Körper...

© Vi O., 2014
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Die Reise
 
Worum geht's?:
5 Monate um die Welt reisen... Ein Traum geht in Erfüllung!
Details:
Aufbruch: 18.02.2015
Dauer: 5 Monate
Heimkehr: 13.07.2015
Reiseziele: Kuba
Jamaika
Vereinigte Staaten
Hongkong
Thailand
Laos
Kambodscha
Vietnam
Der Autor
 
Vi O. berichtet seit 9 Jahren auf umdiewelt.