Mekong

Reisezeit: Juni - September 2017  |  von Beatrice Feldbauer

Transfer

Ich habe mich gestern entschieden, dass ich weiter reisen will, weiter in den Norden nach Siem Reap. Ich muss dieses Phnom Penh verlassen, die Geschichte belastet mich zu sehr. Ich will auch nicht hinunter in den Süden, nach Shianoukville, obwohl es da Strände gibt.

Die Kanadier hatten mir erzählt, dass die Strände zum Teil sehr schmutzig seien und dass sie einige Zeit gebraucht hätten, sich anzugewöhnen. Am Schluss seien sie zwar zwei Wochen geblieben und sie hätten sich sehr wohl gefühlt. Aber auf dem Rückweg müsste ich wieder durch die Hauptstadt, das will ich auf keinen Fall mehr.

Auch nicht, weil ich am ersten Abend direkt im Rotlichtviertel gelandet bin. Es hat mich ziemlich schockiert, als ich auf der Suche nach einem Geldwechsel hinter dem Hotel diese laute Sexwelt gesehen hatte. 24-Stunden-Service, Gratis-Drinks, Mädchen auf der Strasse, lungernde Männer.

Vielleicht wäre es wirklich nur gerade dieses Quartier gewesen, aber nach der Ruhe in Vietnam hat mich das ziemlich aufgewühlt. Aber natürlich, im ärmsten Land ist es wohl selbstverständlich, dass hier das Sexgewerbe mit den willigen einheimischen Mädchen und den reichen Ausländern blüht.

Ein Frühstücksbuffet ist hier wie ein Buffet fürs Mittagessen. Mit Fleisch, Gemüse, Reis, Nudeln...

Ein Frühstücksbuffet ist hier wie ein Buffet fürs Mittagessen. Mit Fleisch, Gemüse, Reis, Nudeln...

Darf gar nie fehlen: Nudelsuppe

Darf gar nie fehlen: Nudelsuppe

Nach einem reichhaltigen Frühstück, ich habe mich schon ein wenig angewöhnt und esse gebratenen Reis, die vorbereiteten Spiegeleier setzen mich hingegen immer wieder in Erstaunen, warte ich in der Lobby auf den Minivan, der mich abholen soll.

Bequeme Fahrt, nummerierte Sitze, so stand es auf der Ausschreibung des Reisebüros. Ich habe Sitz Nummer 9. Dass das mitten drin ist in der dritten Reihe, hatte ich nicht berücksichtigt. Und dass das ganze Gepäck aller 14 Fahrgäste ebenfalls in den Fahrgastraum gezwängt wird, hatte ich bei der bequemen Fahrt zu wenig beachtet.

Unter den Sitzen sind Rucksäcke, so dass die Beine nicht gestreckt werden können, zwischen den Sitzen, sofern es da überhaupt für etwas Platz hat, sind Taschen, meine Handtasche bleibt auf meinem Schoss, meine grosse Reisetasche hinter dem Fahrersitz. Irgendwie hat dann aber doch alles Platz, ein paar Gepäckstücke wurden ja auch noch hinter die letzte Sitzbank mit den vier Plätzen gestossen. Es kann losgehen.

15 Personen inkl. Fahrer und alles Gepäck haben hier Platz.

15 Personen inkl. Fahrer und alles Gepäck haben hier Platz.

Immerhin, es gibt WiFi im Bus. Denn das mit dem hinausschauen und die Gegend geniessen wird mir ebenfalls verwehrt, denn genau bei meiner Sitzreihe sind die Werbekleber angebracht.

Doch wie heisst das Passwort? Ich frage meine Sitznachbarin, die mir der Chauffeur vor dem Losfahren ans Herz gelegt hat: It's my sister. Leider versteht sie kein Englisch und als sie endlich versteht, dass ich den Code für das Internet möchte, deutet sie auf ihn, auf den Chauffeur. Doch der sitzt weit vorne und soll sich jetzt auf den Verkehr konzentrieren.

Zum Glück verstehe ich dann doch auch endlich, was der Zettel soll, der da vorne über der Frontscheibe hängt. Genau da steht der Code drauf. Ohne weiteren Hinweis, so dass ihn nur die finden, die ihn auch wirklich suchen.

Schade um die fünf Stunden Zeit-Unterschied zur Schweiz. Dort sind jetzt noch alle in den Federn, während ich eingezwängt in dem Minivan einer sechsstündigen Fahrt in den Norden entgegen sehe. Ich poste versuchsweise doch einmal eine Foto von unserem Transporter. Vielleicht kommt eine Reaktion.

Ich habe gestern im Gefängnis ein Buch gekauft, das einer der wenigen Überlebenden mit Hilfe eines Projektes geschrieben hat. Es wurde in vielen Sprachen übersetzt, auch in Deutsch. Die Schrecken des Gefängnisses und dieses geschundenen Lebens lenken von der eingeengten Situation im Bus ab.

Hinter mir sitzt eine belgische Familie mit drei Söhnen. Ich hatte sie schon auf dem Mekong getroffen, sie sassen im vorderen Teil des Schiffes und sind einmal in unsere VIP-Loge nach hinten gekommen.

Gestern hatte ich sie im S-21 und später auf auf dem Killing-Fields getroffen. Bei jeder Begegnung setzten wir unser angefangenes Gespräch dann jeweils fort. Heute erzählt mir der Mann (ich weiss nicht einmal, wie er heisst) von zwei Backpackerinnen, die gestern Abend völlig unvorbereitet in eine Bar in Phnom Penh gegangen und dort mitten in eine Auktion von jungen Mädchen geraten seien. Alte Männer hätten sie sich ersteigert und die Mädchen hätten sich gefreut, dass sie auserwählt worden wären.

Ich bin froh, dass ich diese Stadt verlassen habe.

Die sympathische belgische Familie, der ich immer wieder über den Weg laufe.

Die sympathische belgische Familie, der ich immer wieder über den Weg laufe.

Auch der Bus braucht etwas Luft

Auch der Bus braucht etwas Luft

Plötzlich biegt der Chauffeur ab, fährt auf einen Platz und hält an.

Twenty minutes. Es ist das erste Mal, dass er etwas sagt. Wir stehen in einer Stadt. Es gibt ein paar Lebensmittelgeschäfte, ein Restaurant und ganz da hinten sind die Toiletten. Sie sind sauber. Eigentlich hätte ich sie gar nicht gebraucht, denn im Moment verlässt mich alle Flüssigkeit direkt über die Haut, da bleibt nichts, was durch den ganzen Körper laufen könnte.

Essen mag ich auch nicht und Wasser habe ich genügend dabei. Also vertrete ich mir ein wenig die Füsse. Die Beine danken es, denn vom angewinkelten Sitzen schmerzen mich alle Knochen und die Knie haben Mühe mit der Durchblutung. Ich spasse ein wenig mit Vick und ihrer Familie. Gesunde Ernährung lacht sie, denn sie hat Chips eingekauft. Die Jungs lieben das.

Und dann heisst es einsteigen, hineinzwängen, die richtige Stellung finden und weiter geht es.

Auf dem Parkplatz entdeckt: Ein Stretch-TucTuc.

Auf dem Parkplatz entdeckt: Ein Stretch-TucTuc.

Wir sind schon nach gut zwei Stunden bei unserem Halt angekommen, der eigentlich die halbe Strecke bedeuten sollte. Es könnte sein, dass wir schnell unterwegs sind. Ich kann kaum hinaus auf die Strasse sehen, aber ich schätze, dass wir mit 80 - 100 km vorwärts kommen. Und dieses Tempo wird durchgehalten, egal, ob wir grad ausserorts durch die Felder oder innerorts durch Dörfer fahren. Was vor der Frontscheibe ins Auge des Fahrers sticht, wird penetrant weggehupt. Das können Hunde, Fahrräder, Motorräder oder andere Autos sein.

Es wird grundsätzlich überholt und eigentlich ist es ganz gut, dass ich die Strasse vor uns nicht so genau überblicken kann. Auf jeden Fall ist sie fast gerade, ohne nennenswerte Kurven und meistens ziemlich breit. Und im Notfall haben auch einmal drei Autos nebeneinander Platz. Die beiden links und rechts werden mit Gehupe an den Rand gedrängt, wenn wir grad am Überholen sind.

Mir rinnt inzwischen der Schweiss trotz Klimaanlage über das Gesicht. Ist das Kondenswasser? Mit ein paar Papierservietten, die ich am Morgen beim Frühstück in die Tasche gesteckt habe, versuche ich ihn wegzutupfen. Zu mehr sind diese dünnen Servietten nicht zu gebrauchen.

Und dann ist plötzlich fertig. Wir stehen still, der Chauffeur sagt etwas, doch das ist nicht englisch, denn sein Wortschatz hat er mit den vorhergehenden: 'it's my sister' und den 'twenty minutes' bereits ausgeschöpft. Wahrscheinlich hat er gesagt 'aussteigen', jedenfalls reisst er die Seitentüre auf, die hintere Klappe und fängt an, das Gepäck auszuladen. Bis ich draussen bin, liegen meine Reisetasche und mein Rucksack schon draussen auf der Strasse.

Ich schaffe es grad noch, eine Mitteilung abzuschicken, solange das WiFi des Buses noch funktioniert: bin soeben angekommen und dann gibt mein Akku den Geist auf.

Endstation

Endstation

Ein Leichenwagen

Ein Leichenwagen

Ich bin angemeldet bei Roger, der hier in Siem Reap ein kleines Resort hat und den ich irgendwann per Facebook kennen gelernt habe.

Während ich warte, und mich mit den TucTuc-Fahrern herumschlage, die mich unbedingt irgendwohin bringen wollen, kommt plötzlich Bewegung auf der Strasse auf. Ein Leichenwagen zieht vorbei, gefolgt von weissgekleideten Frauen mit Fächern. Wahrscheinlich haben die Fächer eher mit der Hitze, denn mit der Beerdigung zu tun, denn es ist drückend heiss. Der Sarg auf dem Wagen ist fantastisch verziert. Solche Särge habe ich schon öfters in Geschäften aufgestellt gesehen.

Und dann kommt der Picup, Sothy, Rogers kambodschanische Frau holt mich ab. Ich bin völlig geschafft.

Während wir zum Resort fahren erzählt sie mir, dass Roger noch in der Schule beschäftigt ist, und mich dort erwarten würde. Roger und Sothy führen eine Schule für arme Kinder und ich bin sehr gespannt, mehr darüber zu erfahren.

In der Schule erwartet mich dann tatsächlich eine Überraschung. Die Kinder haben seit Wochen Tänze einstudiert und anscheinend hat es jetzt auch mit den typischen Kleidern funktioniert, für die Roger Geld gesammelt hatte.

Und so bekomme ich eine wunderschöne Vorführung von kambodschanischen Tänzen. Ein schöner Empfang.

Vor allem die ganz kleinen sind hübsch, auch wenn bei ihnen noch einiges durcheinander gerät und die Konzentration nachlässt.

Kein Wunder bei dieser Hitze. Roger hat die Tänze aufgrund von Videos und mit etwas Hilfe von aussen mit den Kindern einstudiert. Er bedient auch die Musik und gibt immer mal wieder Anweisungen.

Und dann sind auch meine Batterien am Ende, ich bauche jetzt dringend eine Dusche und ein Bett.

Wir fahren ein paar Meter weiter in das kleine Resort mit den Bungalows. Ich beziehe Nummer fünf und versuche unter der Klimaanlage mich auf die neue Situation einzulassen. Viel habe ich gesehen in den letzten Tagen und ich brauche endlich etwas Zeit um meine Gedanken und Eindrücke zu sortieren.

Morgen mache ich gar nichts, ausser schreiben und schlafen, verkünde ich beim Nachtessen. Wir sitzen gemütlich beim Swimmingpool und Roger erzählt mir von seiner Herzenssache, der Englisch-Schule für arme Kinder.

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Die Reise
 
Worum geht's?:
Es ist Zeit für etwas Neues. Für eine neue, mir völlig unbekannte Weltgegend. Spontan, ohne Planung, nur mit einer Idee: den Mekong sehen. Abflug am 16. Juni nach Bangkok. Ab dann wird es spannend. Freue mich, wenn auch diesmal wieder Freunde, Kunden und Bekannte virtuell mitreisen. Man kann den Reisebericht übrigens auch abonnieren, dann erhält man immer ein Mail, wenn ich etwas neues geschrieben habe.
Details:
Aufbruch: 16.06.2017
Dauer: 3 Monate
Heimkehr: 21.09.2017
Reiseziele: Thailand
Laos
Vietnam
Kambodscha
Myanmar
Der Autor
 
Beatrice Feldbauer berichtet seit 20 Jahren auf umdiewelt.
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