Myanmar (Birma) 2009/10

Reisezeit: Dezember 2009 - Januar 2010  |  von Peter Kiefer

Wenig Meer: Mawlamyine

Marktfrau mit (ehemals glücklichen) Hühnern.

Marktfrau mit (ehemals glücklichen) Hühnern.

Karin freut sich auf eine Stadt und einen Hafen, aber sie hatte sich (und mich) nicht ausreichend informiert: Es gibt gar keinen Hafen mehr und die Stadt selbst ist ein bisschen verschlafen, wenn auch recht angenehm. Man muss zugeben, dass uns nicht viel zu ihr einfällt, wenngleich wir mehr als einen halben Tag herumlaufen. Da ist zum Beispiel die wenige hundert Meter entfernt im Fluss liegende Insel mit einem Kloster, Shampoo Island (wegen einer jährlichen Haarwaschzeremonie eines Königs so genannt), dorthin fahren wir nicht, weil der Bootsmann eine so horrende Summe fordert, dass wir aus gewissermaßen moralischen Gründen ablehnen. Karin sucht in derselben Gegend, dem Norden der Stadt, unverzagt nach Relikten des alten Hafens, zu entdecken gibt es aber nicht viel. Lediglich Fähren verkehren einige, sie ankern entlang der Strand Road, an deren unterem Ende unser Hotel angesiedelt ist. Vielleicht liegt es daran, dass wir eine lange Flussfahrt hinter uns haben: Auch hier ist unser Interesse gering und wir ziehen es vor in der Stadt zu bleiben. An einer der Anlegestellen dann eine kleine Zeremonie, die uns auch Einheimische nicht erklären können. Angelockt worden sind wir durch ein kleines über einen Lautsprecher verstärktes Orchester, das in einem Boot sitzt und ein weiteres Boot begleitet, auf dessen Bug ein junger Mann steht. Er ist wie in Trance, trägt ein feierliches Gewand und ein großes gelbes Stirnband, in den Händen hält er einen kleinen Korb mit Opfergaben(?), und er wird umringt von ebenfalls jungen Männern, die rote Stirnbänder tragen. Eine Weile stoppt das Boot an diesem Steg, dann fährt man weiter zum nächsten. Irgendwann im Lauf unseres langen Spaziergangs haben wir uns ein wenig verirrt, finden aber bald wieder den Weg zurück in die Stadt, auf dem uns ein romantisches dunkel angestrichenes Holzhaus auffällt, das in einem etwas verwilderten Garten liegt. Als wir es näher in Augenschein nehmen, stoßen wir auf ein Schild an der Tür, das einen auffordert die Klingel zu drücken, um es besichtigen zu können. Aber zwei Männer, die davor stehen, schütteln den Kopf. Im Augenblick kann man es nicht betreten, der Zyklon Nargis vom Mai 2008, der so viel zerstört hat, hat auch hier seine Spuren hinterlassen, je genauer man hinsieht, desto sichtbarer sind die Schäden. Kurz darauf und ein bisschen unverhofft stehen wir vor dem zentralen Markt der Stadt. Die Märkte gleichen sich fast überall, sind farbenfroh und beschaulich und immer aufs Neue ein Anziehungspunkt. Ich kaufe einen burmesischen Abreißkalender, auf dessen Titelblatt einem ein jung verliebtes Paar entgegenlächelt. Karin vermisst auf den Rückseiten die Kochrezepte. Später die gegrillten Spießchen im hoteleigenen Restaurant sind eine Enttäuschung, der Sonnenuntergang über dem Fluss (erwartungsgemäß) nicht.

Ein alter Chevi, neu möbliert.

Ein alter Chevi, neu möbliert.

Es zieht uns zum Meer. Das Ziel ist freilich nicht unumstritten, Setse, ein weiter südlich gelegener und, glaubt man unserem Guide, wenig attraktiver Strand. Die Strände weiter im Nordwesten sind sicher ein anderes Kaliber, aber Meer ist Meer und unsere Reisezeit neigt sich bereits wieder dem Ende zu, ein Grund nicht noch einen Gewaltritt quer durchs Land machen zu wollen. Der Bus geht früh morgens vom zentralen Markt ab (wieder ein Motorradtaxi dorthin). Gleich nachdem wir angelangt sind und den ersten heißen Tee schlürfen, kommt eine singende Prozession auf uns zu, Harekrischna-Leute, an ihrer Spitze halb in Trance ein junger Mann mit weiß geschminktem Gesicht und Oberkörper. Es dauert nur Augenblicke und ehe ich meine Kamera fertig eingestellt habe, ist der Zug schon wieder an uns vorüber. Der Bus, der pünktlich startet, ist ein sehr klapperiges Gefährt, die Deckenverkleidung hat sich an den meisten Stellen bereits gelöst und fällt in die Gepäcknetze, Sitze haben wir nicht. Und dann bringen wir ein echtes Kunststück zuwege. Anstatt nämlich in Setse auszusteigen und in der Erwartung, dass der Bus noch weiter zum Strand fährt, schießen wir übers Ziel hinaus, deutlich sogar. Denn der Bus fährt noch eine volle Stunde weiter, und die Leute ringsum, auf die wir uns ein bisschen als Informanten verlassen hatten, nachdem wir mit ihnen ins Gespräch gekommen waren, hatten wohl nur ihren Tempel auf der Rechnung, den sie heute am Feiertag besuchen. Und wir glauben noch immer(!), wir seien am Strand von Setse, okkupieren bereits ein Hotelzimmer, als endlich Zweifel laut werden und dann klar ist, dass wir uns in einem Ort namens Karokpi aufhalten und mit dem Elf-Uhr-Bus erst wieder zurück nach Setse fahren müssen. Immerhin hält dieser Bus dann auch direkt am Strand von Setse und wir brauchen nicht einmal etwas zu bezahlen (weshalb sich im Nachhinein die Frage stellt, ob nicht dieser Umweg mit zur Fahrt gehört hat). In dem einzigen Hotel, das uns hier bekannt ist, speist gerade ein VIP samt seinem größeren Tross. Sämtliche Zimmer sind noch bis in die Nachmittagsstunden belegt, erst dann können wir eines beziehen. Es befindet sich in einem größeren Pavillon mit einem Säulenrundlauf. Der Strand ist nur ein paar Meter entfernt, das Meer rauscht dezent. Es ist zwar da, aber ein bisschen trostlos ist es auch. Seine Farbe ähnelt dem des Irrawaddy-Flusses, ist graubraun und bei Ebbe ist es nur noch ein mattes Flimmern in der Ferne. Es riecht nicht einmal nach Meer, stattdessen weht ein leichter Geruch von Dung von den Feldern in der Nähe herüber. Das Wasser ist brühwarm, der Sand braun und er ist durchzogen von den Reifenspuren der Motorräder, auf denen meist Jugendliche - das scheint hier das eigentliche Strandvergnügen - in einer Tour hin und her fahren. Fünf Minuten entfernt drei der herkömmlichen Restaurants mit ihren hohen Giebeldächern, außerdem ein paar Stände mit Trockenfisch, das ist die Vergnügungsmeile. Das Meer jedenfalls ist eine Enttäuschung, wir werden nicht noch einen Tag länger bleiben.

Kinder, die ich so unverfroren war, beim Spielen zu stören.

Kinder, die ich so unverfroren war, beim Spielen zu stören.

Am folgenden Morgen, als wir noch einmal am Strand entlang spazieren, tritt Karin fast auf eine kleine, sehr hübsche dunkelgrün gemusterte Schlange, die freilich kaum noch lebendig scheint; vielleicht war zuvor einer der Motorradfahrer über sie hinweg gebraust (oder sie hält ihren Winterschlaf). Mehr gibt es von dieser Strandpartie dann nicht mehr zu berichten und schon bald klappern wir mit einem (ebenfalls halb toten) Bus zurück nach Mawlamyine. Die Befürchtung dort nicht gleich wieder einen Anschlussbus nach Yangon zu bekommen scheint sich zu bestätigen, aber Karin ("...müssen unbedingt unseren Flug bekommen!") fährt erfolgreich eine Mitleidstour, und dann rädert uns ein noch lauter als sonst brüllendes Videogerät mit Soaps und Schnulzenseligkeit bis zur Hauptstadt, wo wir in den frühen Morgenstunden - es ist noch dunkel - problemlos in einem Hotel unterkommen, in dem nicht nur der größte Goldfisch der Welt in einem Aquarium schwimmt (so groß wie ein Barsch und schrecklich einsam!), sondern auch wir können in unserem Hotelzimmer, was wir aber noch ein wenig aufschieben, in einer Badewanne schwimmen. Zwanzig Dollar die Nacht.

© Peter Kiefer, 2010
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Mehr als zwanzig Jahre ist es her, dass Karin und ich in Südostasien gewesen sind. Wer freilich Myanmar, das ehemalige Birma, besucht, wird kaum bemerken, dass sich in all der Zeit etwas verändert hat. Es ist es ein Land, in dem es vermutlich mehr Buddhastatuen gibt als Einwohner.
Details:
Aufbruch: 19.12.2009
Dauer: 3 Wochen
Heimkehr: 10.01.2010
Reiseziele: Myanmar
Der Autor
 
Peter Kiefer berichtet seit 19 Jahren auf umdiewelt.
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