Mekong

Reisezeit: Juni - September 2017  |  von Beatrice Feldbauer

Nachtfahrt

Zurück im Hotel nach diesem ziemlich aufwühlenden Tag in Dala möchte ich eigentlich nur noch unter die Dusche. Aber ich habe mein Zimmer schon am Vormittag abgegeben, mein Koffer ist im Storage-Room des Hotels und mein Rucksack bereit zur Weiterreise.

Vielleicht gibt es ein Zimmer, das noch nicht bereit ist, wo ich die Dusche benutzen könnte.

Sicher, sagt der Hotelmanager, der grad an der Rezeption steht und weist seine Angestellte an, mir eine Zimmerkarte zu geben. Du kannst das Bad benutzen, das kostet nichts extra.

Das Zimmer, das man mir gegeben hat, ist bereit für den nächsten Gast und trotzdem darf ich es benutzen. Man bringt mir sogar meinen Rucksack, damit ich mich umziehen kann. Unglaublich nett und überhaupt nicht selbstverständlich.

Wieder zurück an der Rezeption sagt man mir, dass der Bus erst um zehn Uhr fahre, ich hätte also noch genügend Zeit bis dahin. Und wie lange dauert die Fahrt? 3-4 Stunden. Dann werde ich also gegen ein Uhr nachts in Ngwe Saung ankommen.

Ich bitte die Rezeptionistin, in meinem nächsten Hotel anzurufen und mitzuteilen, dass ich nach Mitternacht ankomme. Macht sie gern. Und eine der Angestellten wird mich auch persönlich zur Busstation bringen. Ein Ticket, auf dem ich die Angaben lesen könnte, habe ich bisher nicht gesehen, das werde ich beim Einsteigen erhalten. Ich verstehe das so, dass man alles machen will, damit auch tatsächlich alles klappt, damit ich nicht das Ticket verliere, damit ich zurzeit ankomme, den richtigen Bus erwische.

Also gehe ich hinauf ins Restaurant im 8. Stockwerk und versuche, den Tag irgendwie in Worte zu fassen. Schwierig, dieses emotionale Chaos von Eindrücken und Gedanken der letzten beiden Tage auf die Reihe zu bekommen.

Aber ich habe genügend Zeit, sogar auch noch für ein längeres Telefon in die Schweiz. Per Messenger ist das kostenlos und es tut richtig gut, die vertraute Stimme zu hören, ein paar Eindrücke direkt loszuwerden und andererseits zu hören, wie meine Berichte ankommen. Nicht immer stimmt das, was jemand liest mit dem überein, was ich erlebe. Aber das ist ganz natürlich, das kennt jeder, der schreibt. Jeder liest mit dem eigenen Erlebten, webt seine eigenen Erfahrungen und Gedanken in das Gelesene.

Um halb zehn fahre ich mit der jungen Rezeptionistin los. Anny heisst sie und sie arbeitet seit einem guten Jahr hier. Vorher hat sie fünf Jahre in Bangkok gearbeitet. Darum spricht sie auch so gut Englisch.

Bist du verheiratet? – auch ich kann private Fragen stellen.

Was? Ich? Nein!!

Nein, meint sie, wenn man heiratet, verliert man seine Freiheit. Dann darf man kaum mehr mit jemand anderem sprechen. Nein, sie will ihre Freiheit unbedingt noch behalten, auch wenn sie schon 27 ist. Sagt sie.

Eine spannende Meinung einer modernen jungen Frau.

Pünktlich, ein paar Minuten vor zehn fährt der Bus vor und ich bekomme jetzt auch mein Ticket. Anny passt noch auf, dass der Adjudant auch tatsächlich auf mich aufpasst, damit ich den richtigen Sitz bekomme und am richtigen Ort aussteige, dann fährt der Bus los. Punkt 22.00 Uhr.

Es gibt noch zwei weitere Haltestellen, wir sind immer noch in der Stadt, doch dann geht es aufs Land. Draussen wird es dunkel, die Strasse holpert. Ja die holpert sogar richtig stark, möchte gern sehen, wie die aussieht. Doch von Platz 31 sieht man nicht nach vorne und in den Seitenscheiben spiegeln sich nur die Sitze im Innern des Busses wieder. Um Elf gibt es einen weiteren Halt, einige Leute steigen aus. Vielleicht eine Raststätte, ich gehe nach vorn. Wie lange? Er streckt drei Finger in die Höhe, zeigt nach rechts: Toiletten.

Kann ja vielleicht doch nicht schaden, wer weiss, wann wir das nächste mal anhalten. Ein Blick in die WC-Kabine zeigt mir aber, dass diese Idee nicht so gut war, ich kehre zurück zum Bus. Abwarten. Geht ja nur noch gut zwei Stunden.

Nach Mitternacht wieder ein Halt. Diesmal steigen alle aus, das heisst, es müssen alle aussteigen. Rastplatz, hier kann man essen.

Ich nicht, ein Blick auf die Essenstheke genügt, ich gehe etwas irritiert zwischen den besetzten Tischen hin und her. Wo soll ich mich dazu setzen, ich will nichts konsumieren. Wasser gibt es im Bus, auf jedem Sitz ist eine Flasche gelegen.

Hello, ruft mir eine junge Frau zu und hebt den Arm. Setz dich zu uns. Wir sind eine ganze Gruppe, fahren für das Wochenende an den Strand. Du bist mir schon beim Einsteigen aufgefallen, du hast ein freundliches Gesicht.

Na ja, auffallen kann man hier schnell, ich bin ja immerhin die einzige Ausländerin im Bus. Und dann erst noch nicht mehr die jüngste.
Wow, und du bist allein unterwegs? Das beeindruckt immer wieder am Meisten.

Ich möchte wissen, wie lange wir denn noch fahren. Vier Stunden ist die überzeugte Antwort der jungen Frau und auch die anderen nicken zustimmend. Ich glaube mich verhört zu haben, vielleicht fahren wir nicht an den gleichen Ort. Ich zeige meine Hotelreservation in Ngwe Saung. Aussprechen kann ich den Ort noch nicht.

Doch doch, da wollen wir auch hin. Noch vier Stunden und es gibt keinen Halt mehr. Nun, dann gehe ich vielleicht doch besser noch einmal zur Toilette.

Wir fahren weiter. Ein Uhr vorbei. Um diese Zeit wollte ich im Hotel sein. Nachdem ich die erste Ankunftszeit vom Mittag und meinem Aufenthalt im Pool am Nachmittag längst aufgegeben hatte.

Jetzt bin ich also immer noch unterwegs. Ich hülle mich in die Wolldecke, es ist kalt wie in einem Eisschrank. Die Klimaanlage im Bus läuft auf höchsten Touren. Auch die zweite Wolldecke vom Nebensitz muss herhalten. Hier kann man sich definitiv erkälten und ich sitze da in meinem leichten Sommerfähnchen. Wenigstens Hals, Brust und Schultern müssen geschützt sein.

Der Bus rattert über die Piste, die Wolldecken halten nicht, rutschen immer wieder von meinen Schultern, auch wenn ich sie hinter meinem Rücken einklemme. Ich habe das Gefühl, als ob ich ständig auf und ab hopse.

Zwei Uhr vorbei, die Digitaluhr zeigt bald drei. Hätte ich diese Fahrt trotzdem gemacht, wenn ich das gewusst hätte? Ja bestimmt. Aber eigentlich hätte ich das einfach wissen wollen. Unsere Welt ist so organisiert. Wir wollen wissen, was passiert, haben Mühe, wenn unsere Erwartungen nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmen. Ist das ganze einfach ein Missverständnis? Ich habe doch mehrmals gefragt, wie lange die Fahrt daure. Three or four hours hat es geheissen. Kann man das falsch verstehen?

Der Bus hat angehalten, es ist drei Uhr. Der Adjudant kommt zu mir: aussteigen.

Was? Hier? Es ist stockfinster draussen, ich kann gar nichts erkennen, ich glaube wir stehen im Nirgendwo. Ist das jetzt die Bewährungsprobe: Wie finde ich in stockfinsterer Nacht mein Hotel?

Mein Rucksack wird aus dem Gepäckfach geholt, ich laufe vorne um den Bus. Und stehe vor dem Schild: Hotel Lux. Wir haben direkt vor dem Hotel angehalten und ich bin auch nicht die einzige, die jetzt um diese Zeit eincheckt.

Eine junge Frau und ein Mann sind an der Rezeption, verteilen Zimmerschlüssel, nehmen ID-Karten und meinen Pass entgegen. Während ich warte, starte ich WiFi, zu Hause ist es erst halb elf Uhr nachts. Vielleicht gibt es bereits Reaktionen auf meinen letzten Bericht.

Das Hotel ist einfach, einfacher, als ich mir das anhand der Fotos und des Preises vorgestellt habe, aber das Zimmer ist gross und sauber. Das WiFi funktioniert nicht. Ich bin sofort wieder zurück an der Rezeption. Kein Internet in den Zimmern, nur in der Lobby.

Zugegeben, das ist im Moment auch nicht das wichtigste. Jetzt noch eine Dusche – mit reichlich Heisswasser – nach der nächtlichen Fahrt im Eisschrank und schlafen.

Frühstück bis zehn Uhr, das habe ich von den Erklärungen der Rezeptionistin noch mitbekommen und so finde ich mich also kurz davor ein.

Draussen regnet es. Nicht stark, aber stetig. Die Palmen rauschen, mein Zimmer geht zum Garten und zum Eingang. Die Zimmer zum Meer sind in Renovation. Oder vielleicht ist es die Fassade, die renoviert wird. Jedenfalls scheint da alles noch ein wenig wie eine Baustelle. Das Restaurant zu dem man über den Parkplatz gelangt, ist einfach, aber die Bedienung sehr nett.
In der Lobby benutze ich kurz das Internet, dann zurück ins Zimmer. Weiterschlafen.

Irgendwann am Nachmittag will ich den Bericht von gestern schreiben und stecke meinen Laptop in die Steckdose. Kein Strom.
Zur Lobby. Kein Strom im Zimmer.

Ja das ist so. Die Gemeinde stellt am Nachmittag den Strom ab. Auch in der Lobby ist es dunkel. Ich fasse es nicht, wo bin ich da nur hingeraten. Also zurück ins Zimmer, eine Weile reicht die Batterie noch, dann lasse ich es sein.

Ich mache einen kurzen Gang ans Meer. Aber der Regen wird gleich wieder einsetzen, es ist ungemütlich. Im Pool tummeln sich ein paar Personen mit Kindern. Ungemütlich. Ich gehe zurück ins Zimmer.

Meine Zimmernachbarn haben die Türe offen gelassen. Sitzen am Boden und essen aus Styroporpackungen ein würziges Essen, das sie irgendwo besorgt haben.

Ich erinnere mich an das dünne Buch, das ich in Laos gekauft und das mir so schwer gefallen war, zu lesen. Jetzt geht es ganz einfach. Ich fange noch einmal von vorne an und lese es fast in einem Zug fertig. Es bringt mich zurück zu den Elefanten, und in den Norden von Laos und damit an den Beginn der Reise.

Mein Englisch hat sich in diesen letzten Wochen verbessert, der Wortschatz ist zurück. Ein gutes Gefühl.

Am Abend mache ich die Lobby zu meiner Schreibstube und schreibe den Yangon-Bericht fertig. Dann gehe ich zurück ins Zimmer, wo es inzwischen wenigstens wieder Strom gibt um meine Kamerabatterien aufzuladen. Und dann gehe ich schlafen.

Nachtessen? Keine Lust und kein Hunger. Und ausserdem habe ich eine Personenwaage entdeckt. Ich habe fünf Kilo abgenommen. Jupieeee!!!

Das motiviert.

jetzt ist auch da niemand mehr.

jetzt ist auch da niemand mehr.

Sorry, Fotos gibt es heute kaum, hab einfach gar keine gemacht

Ich glaube, ich habe das Missverständnis mit der Fahr-Zeit gelöst.
Ich hatte gefragt, wie lange die Fahrt dauert, man hat verstanden, wann wir ankommen.

Drei oder vier Uhr – Es hat perfekt gestimmt, wir sind um drei Uhr angekommen.

Three o’clock ist eben nicht three hours. Aber das sind halt so Feinheiten der Sprache, wenn man sie nicht richtig kann.

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Die Reise
 
Worum geht's?:
Es ist Zeit für etwas Neues. Für eine neue, mir völlig unbekannte Weltgegend. Spontan, ohne Planung, nur mit einer Idee: den Mekong sehen. Abflug am 16. Juni nach Bangkok. Ab dann wird es spannend. Freue mich, wenn auch diesmal wieder Freunde, Kunden und Bekannte virtuell mitreisen. Man kann den Reisebericht übrigens auch abonnieren, dann erhält man immer ein Mail, wenn ich etwas neues geschrieben habe.
Details:
Aufbruch: 16.06.2017
Dauer: 3 Monate
Heimkehr: 21.09.2017
Reiseziele: Thailand
Laos
Vietnam
Kambodscha
Myanmar
Der Autor
 
Beatrice Feldbauer berichtet seit 20 Jahren auf umdiewelt.
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