Auf Achse: 6 Monate Borneo, Australien, Asien

Reisezeit: September 2015 - März 2016  |  von Erich Backes

Es ist an der Zeit

Es ist an der Zeit, auch einmal die anderen Reisenden, die Anders-Reisenden, sich anzusehen. Damit wir und der Leser nicht zu sehr beansprucht werden, genügt vielleicht die Beschränkung auf zwei charakteristische Typen von Reisenden, dem Hobby-Traveller und dem Profi-Traveller. Wenden wir uns zunächst dem Hobby-Traveller zu, so stellen wir fest: er reist grundsätzlich als Paar, als junges Paar auf der 2. Auslandsreise oder als Lehrer-Ehepaar auf Sabbat. Sie – getreu Ihrer Rolle zu Hause – organisiert, Bus, Zug, Flüge, plant den Reiseweg und hat die Kasse. Er – Typ Trantüte – ist der festen Überzeugung „Ich habe Urlaub.“ Stellen wir uns weiter eine typische Reise-Situation vor: Man will früh morgens mit dem Zug von A nach B, z.B. von Hanoi nach Saigon (in Vietnam), für die, die mit A und B nichts anfangen können. Das dauert – gerade mit dem Zug. Vom 48stündigem Brechdurchfall genesen, steht unser Paar früh um 6 auf. Heftige Regenfälle draußen. Unser Paar eilt sich, zieht diesmal auch alle Stromkabel, iPhones, Ladegeräte und Akkus aus den Steckern, auch der BH auf dem Bild Ho-Chi-Minhs an der Wand wird als letztes noch entdeckt. Man hat wirklich alles. 6:30 Uhr. Es geht vom 5. Stock runter ins Restaurant, um wenigstens noch einen Kaffee zu ergattern (das steht einem ja zu, schließlich hat man „mit Frühstück“ gebucht). Schild: „Frühstück erst ab 7“. Kein Kaffee, so’n Hals. Der Taxifahrer wartet. Ab durch den Regen zum Bahnhof. Der 7 Uhr Zug hat – wie immer - 1 Stunde Verspätung. Kommt aber dann. Rein in den Waggon. Man bekommt noch einen Sack Zwiebel untergeschoben, dann wird geschlafen. Der Zug fährt so dahin, 4 Stunden, 250 km. Man schläft noch. Dann, die ersten heftigen Sonnenstrahlen wecken unsere Reisende, Hunger. Sie sucht in den diversen Rucksäcken nach Eßbarem und fragt sich dabei spontan: „Wo sind denn die Pässe?“. Sie sucht. Eher unsystematisch. Wo und was Ihr so in den Sinn kommt. Der Zug hält, Reisende steigen aus und ein. Sie sucht weiter. Hektischer. Weckt Trantüte. Der bequemt sich dann doch, mit zu suchen. Socken, T-Shirts, Schlüpfer, lange Unterhosen (extra noch bei Jack Wolfskin gekauft) erscheinen auf den Sitzbänken. Dann plötzlich die Einsicht von Ihm (dafür ist er ja Mann) „Die liegen noch an der Rezeption!!!“. Action ist angesagt. Idee: „Raus aus dem Zug und zurück.“ Jetzt hat aber der Zug gerade angehalten, nächster Stop in 1 ½ Stunden. Wir verlassen unser Paar jetzt für diese Zeit, und ersparen es uns, das „Gespräch“ der Beiden bis zum nächsten Halt mit anzuhören. Man steigt aus, Ort X mitten in der Walachei, in der festen Annahme, der nächste Zug zurück geht in 10min. Dem ist nicht so. Nächster Zug nach A übermorgen früh. Was tun. Hierbleiben. Hotel. „Hast Du noch Geld?“. „Nicht viel“. „Dann ziehen wir eben was.“ ATMs (Geldautomaten) sind nicht gerade häufig am Ort X, man findet aber nach längerem „Wandern“ in tropischer Hitze doch einen. Die frisch gepreßte und noch unbenutzte DKB Cash Card (wegen der minimalen Kosten) gibt dann aber doch keinen Cent raus (insofern minimal) – sie sollte noch für den Auslandseinsatz freigeschaltet werden. Das ist der Moment, wo wir diese Geschichte und unser Paar allein lassen, in der Walachei, ohne Paß, ohne Geld, nicht ohne uns noch die Whatsapp anzusehen, die abends an die Freunde, Bekannte und Teile der Verwandten rausgeht: “Wir sind jetzt 9 Tage unterwegs, bisher nur gechillt, wir halten durch.“

Ganz anders unser Profi-Traveller. Unser Profi reist grundsätzlich allein, im wesentlichen jedenfalls, meistens. Stellen wir uns bei Ihm die gleiche Situation vor. Aufstehen um 6, Regen in Hanoi, Zug nach Saigon um 7. Unser Profi stellt im Zug das Nicht-Vorhandensein seines Reisepasses fest. Theoretisch. Weil für einen Profi natürlich undenkbar. Er hat ja nichts anderes dabei. Trotzdem. Denken wir weiter mit. Was macht also unser Profi. Nichts. Nothing. Er reist seelenruhig weiter an seinen Bestimmungsort B, nimmt dort irgendeine Art von Taxi, fährt zu seinem Gasthaus/Hotel. Hier wird er dann von der netten jungen Dame an der Rezeption nach seinem Paß gefragt. Er erzählt seine Geschichte, die wir ja schon kennen: „Total müde, Aufstehen um 6, Regen in Hanoi, Zug nach Saigon, Paß vergessen“ in aller Ausführlichkeit. Inzwischen haben sich auch zwei Kollegen von der netten jungen Dame dazugesellt. Man redet miteinander auf vietnamesisch (oder Thai oder was auch immer), kichert ein bißchen, wackelt bedenklich mit den Köpfen. Der Chef und Manager wird dazu geholt. Auch Teile des Küchenpersonals versammeln sich, um die Geschichte dann noch einmal von unserem Traveller zu hören. Der erzählt noch ausführlicher, um dann bei der anschließenden 20 min. vietnamesischen Diskussion der inzwischen auf gut 12 angewachsen Versammlung nur noch dazustehen und zu warten (und hier kommt der wahre Profi raus). Irgendwann kommt jemand (wahrscheinlich der Manager, dafür ist er ja Chef) auf die Idee, unseren Profi mal nach dem spezifischen Hotel in A zu fragen. Darauf hat unser Mann gewartet. Er zückt sein iPhone, schlägt die Bocking.com-App auf und präsentiert das Hotel mit Bild, Anschrift und Telefonnummer. Eine weitere Diskussion des inzwischen vollständigen Küchenpersonals folgt. Unsere nette junge Dame von der Rezeption bekommt den Auftrag, mal anzurufen im Hotel A. Keiner meldet sich. Besetzt. Dann doch. Wir stellen uns jetzt bitte auf der anderen Seite in A die gleiche Situation vor: die junge Dame von der Rezeption, der Kollege, der Manager, ca. 8 Reinigungskräfte, die sich mit der Geschichte unseres Travellers befassen. Tatsächlich findet man auch in einer der unteren Schubladen der Rezeption einen vergessen Paß, der wird telefonisch nochmals ausgiebig geprüft, und unser Profi, immer noch an der Rezeption stehend, erhält vom Manager die alles entscheidende Nachricht; „Passport found“. Er solle doch jetzt auf sein Zimmer gehen, man werde sich schon kümmern. Genauso macht das der Profi. Er geht ins Zimmer, duscht, legt sich etwas auf Ohr, geht ins Städtchen, ißt was, quatsch noch mit anderen Travellern, organisiert seine Weiterreise, trinkt noch zwei Bier, geht ins Bett. Morgens Frühstück, und er denkt sich, vielleicht doch mal bei der netten jungen Dame von der Rezeption nachzufragen, die ist aber gerade nicht da, also zum Beach, Mittagessen, wieder Beach, nachmittags um 6 dann wieder ins Zimmer. Auf dem Bett liegt ein brauner, nicht ganz sauberer Umschlag mit Hieroglyphen drauf. Unser Profi öffnet, und findet – seinen Paß. Was ist nun inzwischen in Asien passiert? Nach weiteren Diskussionen und Überlegungen an Tag vorher im Hotel in B, stellte sich heraus, daß jemand vom Küchenpersonal einen Schwager in A hat, dessen Frau zeitweise als Aushilfe (in der Küche) beim Hotel in A arbeitet. Der Schwager – nachdem er die Geschichte in einem 30min. Telefongespräch übermittelt bekommen hat – fährt also mit seinem Moped zum Hotel in A, erstens um sowieso seine Frau nach der Arbeit abzuholen und zweitens um in einem braunen Umschlag den Paß unseres Travellers in Empfang zu nehmen. Damit und mit seinem Freund fährt er zum Bahnhof in A, denn sein Freund kennt zufällig den Schaffner des Nachtzuges von A nach B. Man legt sich also 2 Stunden am Bahnhof hin und wartet auf den wie immer verspäteten Nachzug. Der kommt, der Schaffner wird gefunden – und dem wird zur weiteren Motivation natürlich erst einmal die Geschichte erzählt. Ein weiterer Schaffner und zwei Gepäckträger gesellen sich dazu. Man schüttelt wieder mit den Köpfen. Unser Schaffner hat alles verstanden, packt den Umschlag unter sein Kopfkissen, der Zug kann – jetzt mit 2 ½ Stunden Verspätung - weiterfahren. Morgens in B. Der Hotelboy vom Hotel in B wartet bzw. schläft schon 3 Stunden am Bahnhof in B, das kann er am besten. Der Zug fährt ein. Schaffner und Hotelboy tauschen einen Umschlag aus, nicht ohne Kopfschütteln. Der Hotelboy rast auf seinem Motorrad quer durch B ins Hotel und händigt unserem Manager den Umschlag aus. Der und sein Küchenpersonal prüfen nochmals ausgiebig den Paß hinsichtlich Geburtsdatum und Paßbild, dann ist Mittag, das Ganze wird erstmal vergessen. Nach Mittag und Mittagsschlaf erinnert man sich, das Zimmermädchen bekommt den Auftrag, den Umschlag im Zimmer des Travellers zu hinterlegen – wo unser Profi ihn dann glücklich findet.

Moral von der Geschicht‘. Wer von uns diese Geschichte nicht nur versteht, sondern verinnerlicht und lebt, der, denke ich, hat Asien – zum Teil – verstanden. Sage niemals einem Asiaten, wie er etwas zu tun hat, erzähle Geschichten, sieh zu, daß das Problem genau verstanden wird, aber laß ihn, den Asiaten, dann allein die Lösung organisieren. Dies ist anders – anders als bei uns in Europa. Gut so.

© Erich Backes, 2016
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Sept. 2015 bis März 2016: Borneo, Australien, Asien sehen, entdecken, staunen "In der Fremde erfährt man mehr als zu Hause" (aus Tansania)
Details:
Aufbruch: 16.09.2015
Dauer: 6 Monate
Heimkehr: März 2016
Reiseziele: Malaysia
Australien
Thailand
Myanmar
Der Autor
 
Erich Backes berichtet seit 10 Jahren auf umdiewelt.
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