Vietnam 09.10.2015 - 29.10.2015

Reisezeit: Oktober 2015  |  von Johanna Bley

Mui Ne: 27.10. - Auf manche Erfahrung kann man verzichten

Wären wir doch bloß am Pool geblieben...

Wieder ein bedeckter Morgen und damit keine Chance einen schönen Sonnenaufgsng über dem Meer zu beobachten. Also schlafen wir aus und machen uns anschließend wieder über das Frühstücksbuffet her. Wie schon im Mai Spa gibt es heute eine andere Auswahl als gestern und wir sind zufrieden Heute wollen wir uns die Gegend etwas näher ansehen und zu den Red Dunes sowie den White Dunes fahren. Also leihen wir uns wieder einen Roller und düsen los. Nach einer Runde durch Mui Ne stellen wir fest, dass der Ort außer Resorts und Restaurants (die es schon bei uns zu Hauf gibt) nicht viel zu bieten hat. Also fahren wir Richting Norden zu den Red Dunes. Schon von Weitem sind die roten Sanddünen nicht zu übersehen, die in diesem sonst so grünem Land fast unwirklich aussehen.
Wir parken an einem Aufstieg in die Dünen, von dem wir gerade ein paar Leute herauskommen sehen. Sonst ist hier kaum was los, wir erwarten irgendwie immer Touristenmengen an den Sehenswürdigkeiten. Aber nach fast drei Wochen haben wir gelernt, dass es die hier zu dieser Zeit einfach nicht gibt
Rauf in die Dünen lerne ich direkt meine erste Lektion: der Sand ist glühend heiß und Flip Flops reichen da als Schutz nicht aus Oben angekommen verweilen wir also dankbar im Schatten und ich kippe mir etwas Wasser über die Füße um den Schmerz zu lindern. Ein cooles Panorama bietet sich uns aber auch nach einer weiteren Düne ist alles eher eintönig. Wir wollen uns lieber die großen weißen Dünen ansehen und stapfen wieder zur Straße zurück.

Ein Blick auf Mui Ne und seine unzähligen Boote. Ob das ein Hafen ist?

Ein Blick auf Mui Ne und seine unzähligen Boote. Ob das ein Hafen ist?

Die Red Sand Dunes, ein interessanter Abstecher vom Meer in die Wüste. Wäre der Sand nicht brennend heißt

Die Red Sand Dunes, ein interessanter Abstecher vom Meer in die Wüste. Wäre der Sand nicht brennend heißt

Scheich Martin kann sich dank fester Schuhe etwas mehr umsehen

Scheich Martin kann sich dank fester Schuhe etwas mehr umsehen

Und dann kommt der Schock: Unser Roller ist weg! Wir waren doch kaum 15 Minuten weg?! Leicht verzweifelt laufen wir die Straße auf und ab, die leider nur gähnend leer ist, bis auf ein Restaurant/Cafe etwas weiter oben. Als wir hinlaufen, in der Hoffnung der Roller wurde vielleicht nur umgeparkt (kam schon öfters hier vor), kommen uns die Betreiber schon aufgeregt entgegen, gestikulieren und versuchen zu erklären. Leider spricht nur einer englisch und das mehr schlecht als recht. Allem Anschein nach hat er gesehen, dass unser Roller geklaut wurde und hat die Polizei gerufen. Oh Gott!!! Aber sicher sind wir ja auch nicht und so lassen wir ihn erstmal unser Hotel anrufen. Alle hier sind total aufgeregt und quatschen durcheinander und wir mittendrin, ziemlich aufgeschmissen und hoffen auf Klärung. Es tauchen zwei Polizisten auf und kurz darauf unser Rollerverleih-Typ vom Hotel. Martin soll mit ihm zur Wache kommen, ich kann derweil warten. Verdammt, was ist denn nun mit dem Roller?! Martin fährt also davon und ich sitze mitten im Nirgendwo und weiß nichts mit mir anzufangen. Der Junge, der wenigstens etwas Englisch kann, versucht mich zu beruhigen "Smile! It's okay, your husband will come!". Es heißt also Warten...und ich habe keine Ahnung wie lange ich warte, fühlt sich an wie eine Ewigkeit. Mittlerweile bin ich schweißgebadet, sitze auf meinem Plastikstühlchen und werde von der vietnamesischen Familie im Cafe angestarrt, zum Teil auch angesprochen, verstehe aber ja kein Wort
Nach einer Stunde tauchen wieder Polizisten auf, die wohl ein Protokoll aufnehmen, ich werde aber ignoriert. Aber helfen kann ich ja eh nicht, auch die Polizisten verstehen kein Englisch. Dann ruft endlich Martin an, der immernoch auf der Wache ist. Und dort steht wohl auch unser Roller, Gott sei Dank!! Ich bin echt erleichtert und hoffe nur, er kommt bald zurück. Der arme Junge vom Rollerverleih muss wohl alles übersetzen, was Martin dort zu Protokoll gibt, da auch auf der Wache niemand Englisch kann. 3 Wochen hatten wir praktisch keine Probleme mit der Verständigung und ausgerechnet nun geht es los Viel mehr können wir leider nicht besprechen, die Verbindung bricht immer wieder ab. Also weiter warten...

Nach 2 Stunden kommt er mich endlich holen, da nicht ersichtlich ist, wie lange es noch dauern wird. Was die 8 Polizisten auf der Wache eigentlich machen ist uns auch nicht klar, die meisten sitzen nur rum, puhlen sich in den Füßen oder glotzen in die Gegend. Die einzigen, die hier arbeiten, sind zwei Arbeiter, die auf dem Hof Sand umschaufeln.
Aber erstmal zum Geschehen: Als wir in den Dünen waren, kam ein Drogenabhängiger vorbei, der das Lenkradschloss geknackt und den Roller kurzgeschlossen hat. Dann ist er die Straße runter, unweit der Polizeistation, sodass die sofort alarmierten Polizisten ihn geschnappt haben. Für die ist das wohl nichts besonderes, Fixer klauen haufenweise Roller, um diese dann gegen Geld für Drogen zu verticken. Der abgemagerte Typ mit seinen zerstochenen Armen, der nun in Handschellen im Verhörraum sitzt, hat also vom Leben eh nicht mehr viel zu erwarten...
Nun zur Wache und Polizei: es ist ein runtergekommenes Gebäude, spärlich eingerichtet, es gibt kaum Türen und erstrecht keine Zelle. Ich sehe mich etwas um (interessiert hier ja eh keinen) und entdecke auch ein paar Zimmer mit Feldbetten, wo die Polizisten Siesta halten. Die einzige Toilette hat weder Brille noch Spülung und ein Waschbecken gibt es nicht. Das Gebäude ist umgeben von einem Hof, eingegrenzt von einer 1,50m hohen Mauer, Zugang erlangt man über ein Tor ohne Schloss. Der Hof ist ein einziger Rollerfriedhof, sicher alles beschlagnahmte Maschinen. Ob völlig heruntergekommen oder nagelneu, es ist alles dabei. An einem Roller ist ein Falke angebunden, der auf dem Sitz herumhüpft. Das Ganze bietet wiedermal ein völlig bizzares Bild, das mit unserem Verständnis von Polizei nichts gemein hat. Waffen gibt es keine, lediglich einer hat einen Schlagstock, der an einer Schlaufe von seinen nackten Füßen baumelt. Ich kann nur den Kopf schütteln, die Männer hier sind nichts als ein Haufen fauler und dilettantischer Schülerlotsen.

Meine Meinung brestätigt sich, als plötzlich Unruhe im Verhörraum entsteht, alle aufspringen und aufgeregt in den Raum (steht ja auch alles offen hier) glotzen. Trantütig wie ich bin, guck ich natürlich nur doof aber Martin schaltet schneller und treibt mich an, abzuhauen. Wir laufen also über den Hof und schließen gerade das Tor hinter uns, als tatsächlich der Fixer aus dem Raum gestürzt kommt, sein Klappmesser in der Hand und im Zick Zack über den Hof rennt, ehe er sich entscheidet über die Mauer zu türmen. Die Schülerlotsen schaffen es natürlich nicht ihn einzufangen, wir trauen unseren Augen kaum!! Ich bekomm derweil leichte Panik, als der Typ schon halb über die Mauer geklettert ist. Ein Polizist packt ihn am Fuß, wir sehen ihn aber schon entwischen. Und wer rettet die Situation? Der Hofarbeiter, der angelaufen kommt und dem Fixer erstmal einen mit der Schaufel über den Schädel zimmert. Dieser sackt zusammen und die Schülerlotsen können ihn zurück in den Verhörraum schleppen. Ist das grad ernsthaft passiert?! Wir können es kaum glauben...tatsächlich haben sie die Handschellen geöffnet, damit er das Protokoll unterschreibt - sein Messer in Griffweite. Natürlich schnappt er es sich und attackiert einen Polizisten ehe er türmt. Wo wir eben noch gesessen haben sind nun die Blutspritzer des Polizisten, der einen tiefen Schnitt in der Hand hat. Ich bin geschockt, wie es hier zugeht und kann es immernoch nicht glauben. Es ist auch einfach zuviel für mich und ich will nur noch zum Hotel zurück! Aber natürlich müssen wir weiter warten...und dann kommt der nächste Knaller: sie erwarten ernsthaft von uns, dass wir den "Polizisten" Geld geben, da einer ja verletzt wurde...halt so, für die Behandlungskosten. Martin geht sofort an die Decke. Diese unfähigen Deppen schaffen es nicht nur, ihn entkommen und sich verletzen zu lassen - ganz davon abgesehen, dass wir hätten verletzt werden können - wir sollen auch noch dafür zahlen?! Man muss dazu sagen, Martin kann fast nichts aus der Ruhe bringen Aber nun wird er richtig laut, sodass sie schnell zurückrudern und sagen, es wäre schon okay. Hat eben alles auch keine rechtlichen Grundlagen hier, da will man wohl lieber keinen Ärger...

Mittlerweile wird es dunkel und wir haben die Schnauze gestrichen voll. Als wir endlich gehen können, legen wir das Mitfahren auf Rollern dankend ab und nehmen ein Taxi. Ich will nur noch duschen und etwas essen, seit dem Frühstück hatten wir ja nichts.
Wir entscheiden uns ins Vinasea gegenüber unseres Hotels zu gehen, bestellen uns eine ordentliche Grillplatte und Cocktails - den kann ich nach so einem Tag gut gebrauchen!! Wir gehen nochmal den ganzen Tag durch, sind immernoch völlig ungläubig, erkennen aber wieviel Glück wir hatten! Im Endeffekt haben wir nur einen Tag verloren, es hat uns aber nicht viel gekostet (man stelle sich vor, wir hätten einen gestohlenen Roller ersetzen müssen! Versicherungen gibt es hier nicht...) und wir kamen mit einem Schrecken davon (wer will schon von dem Messer eines Fixers verletzt werden?!). Wir sind also dankbar und können schon fast über die Geschichte lachen. Außerdem schmeckt das Essen super und die Bedienung ist super freundlich und zuvorkommend. Es geht uns direkt tausendmal besser...und so geht ein aufregender Tag zu Ende.

Total erledigt  Aber die Mojitos und das super Essen im Vinasea haben den Abend dann noch gerettet

Total erledigt Aber die Mojitos und das super Essen im Vinasea haben den Abend dann noch gerettet

© Johanna Bley, 2015
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Die Reise
 
Worum geht's?:
3 Wochen quer durch's Land: Unsere Reise startet in Saigon, geht weiter auf Phu Quoc und von dort direkt nach Hanoi, von wo aus wir Vietnam bis zurück in den Süden durchreisen. Unterwegs erleben wir ein Land voll mit schönen, faszinierenden aber auch erschreckenden Eindrücken...
Details:
Aufbruch: 09.10.2015
Dauer: 3 Wochen
Heimkehr: 29.10.2015
Reiseziele: Vietnam
Der Autor
 
Johanna Bley berichtet seit 8 Jahren auf umdiewelt.
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