Mekong

Reisezeit: Juni - September 2017  |  von Beatrice Feldbauer

Hanoi 2

Hanoi, eine Stadt will entdeckt werden.

Ich bin zum Glück schon mitten in der Altstadt, da brauche ich mich nicht zu fragen, wo ich anfangen könnte. Am besten gleich vor der Tür. Da pulsiert das Leben schon seit den frühen Morgenstunden. In der Nacht war es relativ ruhig, doch schon seit Sonnenaufgang fahren tief unter mir die Motorräder, Autos hupen. ich habe um sechs Uhr meine Kamera mit Blick nach unten montiert, auf Automatik gestellt und während zwei Stunden 200 Fotos aufgenommen. Das gab einen lustigen Video, den ich leider auf dieser Seite nicht zeigen kann. Im Facebook kam er aber gut an.

Während also meine Kamera automatisch Bilder machte, habe ich den Bericht von gestern geschrieben.

Und jetzt ist es Zeit für einen ersten Rundgang.

Ob das Särge sind, die hier transportiert werden, sah jedenfalls so aus.

Ob das Särge sind, die hier transportiert werden, sah jedenfalls so aus.

müsste erst noch ein passendes Kleid kaufen.

müsste erst noch ein passendes Kleid kaufen.

Als erstes fallen mir die Händlerinnen mit den spitzen Hüten auf. Sie verkaufen Blumen, Früchte und Gemüse. Ihre Waren tragen sie in Körben an langen Stangen auf den Schultern oder auf dem Fahrrad. Oder sie haben einen temporären Marktstand aufgebaut, den sie jederzeit wieder zusammenklappen und an einem anderen Ort aufbauen können.

In einem Laden fällt mir ein wunderschöner Schirm auf. Bin aber nicht überzeugt, dass der den Wassermassen hier standhält. Auch heute versprechen die Wolken über der Stadt wieder Regen.

Ich folge der Strasse an der mein Hotel ist, denn da sollte ich irgendwann zum See kommen. Tatsächlich finde ich ihn. Und den riesigen Platz davor. Auch das Puppentheater wo ich heute Abend hin will, ist da. Ich schlendere ein wenig unter den grossen Bäumen am See, und komme mir vor wie in Luzern, inmitten von Asiaten, die selbstverliebt Selfies schiessen und mit ihren Sticks in der Luft herumfuchteln. Egal, jetzt bin ich auch ein Teil dieses Touristenstroms, wenn auch ohne Stick, aber trotzdem voller Neugierde.

Die schmale rote Brücke zur kleinen Insel ist voller Touristen und ich überlege mir, ob ich mich anschliessen soll. kann mich aber nicht entscheiden, denn ich weiss ja nicht einmal, was es da zu sehen gibt. Ausserdem bin ich erst angekommen, habe also keine Eile.

überall gibt es noch Wasserlachen vom gestrigen Regen

überall gibt es noch Wasserlachen vom gestrigen Regen

Ich versuche die Strasse zu überqueren und merke, dass das gar nicht so einfach ist bei all dem Verkehr. Niemand bleibt stehen, alles fliesst, alle laufen, fahren, weichen aus, hupen oder klingeln, aber alles geht irgendwie ineinander über. Ich habs bald raus, stehen bleiben funktioniert nicht, das irritiert die Fahradfahrer, die Motorräder wissen dann nicht mehr, was ich vorhabe und die Autos hupen frustriert. Also Augen zu und durch.

Ein Rikschafahrer hält mich auf. Bietet eine Fahrt mit seinem Gefährt. Das lasse ich mir gefallen, nach einer kurzen Verhandlung sind wir uns einig, ich steige ein. Von dieser Warte sieht alles ganz anders aus. Ich sitze unter dem kleinen Dach auf der Bank und er strampelt hinten durch den Verkehr. Es braucht eine Zeit, bis ich merke, dass das seine Klingel ist, die manchmal ertönt. Manchmal kommt uns ein Motorrad bedenklich nahe beim Überholen, manchmal bleiben wir fast stehen, weil ein Bus von links oder rechts hinten überholt, aber eigentlich bleiben wir immer in Bewegung.

Bis ein paar Tropfen fallen und ich enttäuscht glaube, dass ich jetzt aussteigen muss, denn mein Fahrer ist abgestiegen. Doch nichts ist mit aussteigen, er rollt nur den Plastik vom Dach und packt mich rundum mit Folie ein, zieht sich seinen Regenschutz über und die Fahrt kann weitergehen.

Es giesst wieder wie aus Kübeln. Von den heruntergelassenen Storen rinnt es in Bächen auf die Strasse. Wasserrinnen entlassen ganze Wasserfälle und ich muss an meinen Vater denken. Er war Spengler und sein ganzer Stolz waren schöne, richtig installierte Kupferkännel. Er würde hier ziemlich staunen, was alles möglich ist. Ich auch.

Unsere Fahrt durch die Altstadt geht weiter. Vorbei an Läden mit Holzleitern, mit Brillen, mit Kleidern, Hüten, Rucksäcken. Jede Branche hat ihr Quartier wo sie sich ballen. Da gibt es noch echte Konkurrenz. Da hast du das ganze Angebot, wenn du etwas suchst. Nur ein Quartier mit Schirmen kann ich nicht erkennen. Höchstens manchmal einen einzelnen, aber vielleicht ist der gar nicht zum Verkauf sondern gehört einem Käufer, der im Laden grad etwas aussucht und seinen Schirm draussen aufgespannt hat liegen lassen. Oder er gehört dem Ladenbesitzer, der seine Auslage schützen will.

Aber inzwischen hat der Regen wieder aufgehört, mein Fahrer hat die Plastiks wieder aufgerollt, wir sind immer noch unterwegs.

Noch einmal wird er absteigen müssen und mich mit seiner Vorrichtung schützen, denn der Regen ist immer nur kurz.

Wir kommen an einer christlichen Kirche vorbei,

Natürlich habe ich längst keine Ahnung mehr wo wir sind, aber das ist auch gar nicht nötig. Irgendwann sind wir zurück auf dem grossen Platz, da wo mich der Fahrer angesprochen hat.

Ich bezahle den Fahrpreis und steige mit einem Thank you aus. Es war eine tolle Fahrt und ich glaube jetzt, den Verkehr in Hanoi verstanden zu haben.

Jetzt brauche ich allerdings zuerst etwas Ruhe und Schutz vor dem erneuten Regen. Ja, ich habe mein Regencape in der Handtasche, aber ich möchte mich eigentlich in dieser Wärme nicht darin hüllen müssen. Da trinke ich lieber einen Eiscafe und beobachte das Treiben auf der Strasse durch das Fenster.

Auf dem Rückweg ins Hotel entdecke ich in einem Laden eine ganze Familie, die am Boden miteinander isst. Ich frage, ob ich eine Foto machen dürfe. Ja gern, lachen sie und laden mich ein, einzutreten. Da mir das Sitzen auf dem Boden nicht so behagt, lehne ich ab. Vielleicht habe ich damit etwas verpasst, wer weiss.

Ich habe mir Tickets für die Abendvorstellung des Wassermarionetten-Theaters besorgt. Zwar gibt es täglich vier Vorstellungen, aber das Theater ist so beliebt, dass es ausgebucht ist. Ich konnte nur noch einen Platz in der 15. Reihe ergattern. Das ist entschieden zu weit weg für Fotos, dafür habe ich den Überblick.

Die Puppen spielen im Wasser und werden von unten geführt. Sie erzählen Geschichten vom Fischen, von Drachen, Fröschen, von Liebschaften und Liebe. Dazu spielt ein Live Orchester und zwei Sängerinnen begleiten die Stimmen der Puppen. Alles zusammen eine sehr spezielle Kunst, die vor allem hier in Vietnam gepflegt wird. Das Puppentheater von Hanoi hat schon auf der ganzen Welt gespielt.

Meine Fotos aus der 15. Reihe können nur einen vagen Eindruck widergeben.

Meine Fotos aus der 15. Reihe können nur einen vagen Eindruck widergeben.

Am Schluss zeigen sich die Puppenspieler, die während der ganze Vorstellung  im Wasser gestanden sind.

Am Schluss zeigen sich die Puppenspieler, die während der ganze Vorstellung im Wasser gestanden sind.

ausgespielte Puppen stehen im Foyer herum

ausgespielte Puppen stehen im Foyer herum

Als ich nach der Vorstellung aus dem Theater komme, traue ich meinen Augen nicht. Es ist dunkel geworden und draussen gibt es keinen Verkehr mehr. Da wo noch am Nachmittag das reine Chaos geherrscht hat, ist jetzt komplette Fussgängerzone. Der ganze Platz ist frei. Menschen sitzen mitten auf der Strasse, schwatzen, lachen, spielen. Ich bin völlig fasziniert. Ja begeistert. Von dieser Stadt. Von dieser grossen Stadt, die so friedlich daherkommt. Es sind Einheimische und Touristen, die jetzt den Platz in Beschlag nehmen. Ganz viele junge Leute aus der ganzen Welt.

Für mich ist dieses Vietnam eine riesige Hoffnung für die Welt. Ich bin mit den täglichen Nachrichten vom Krieg in Vietnam aufgewachsen. Hatte keine Ahnung worum es ging, aber es wurde jeden Tag von Bomben und von Toten gesprochen. Jeden Mittag in den Nachrichten, jeden Abend In der Tagesschau. Unvorstellbar, dass man dieses Land je bereisen könnte, Unvorstellbar, dass in diesem Land je Frieden sein könnte.

Und jetzt bin ich hier, in der Hauptstadt dieses kriegsgeschüttelten Landes. Und es ist nichts mehr zu spüren. Es ist einfach nur fröhlich und friedlich.

Klar bin ich ein unverbesserlicher Optimist, aber dieses Land gibt mir Hoffnung für die Welt. Dafür dass auch im heute gebeutelten Land Syrien irgendwann wieder junge Menschen aus der ganzen Welt sich treffen können. Auch wenn die Bilder, die zur Zeit aus diesem Land in die Welt gehen, eine ganz andere Sprache sprechen. Die Welt dreht sich, die Probleme ändern sich, die Kriegsherren ziehen weiter. Die Menschen werden wieder glücklich werden, die Jugend übernimmt.

Da ganz oben bin ich heute Abend eingekehrt.

Da ganz oben bin ich heute Abend eingekehrt.

Heute mag ich keine Experimente beim Essen. Mein Geldbeutel ist mit einer Million Dong gefüllt, ich leiste mir heute ein feines Essen. In einem richtig vornehmen Restaurant ganz oben mit Blick über den Platz und den See kehre ich ein. Ein saftiges Stück Fleisch muss auf den Tisch. Und dazu ein Glas chilenischen Rotwein.

Und weil der Nachtmarkt gleich daneben anfängt schlendere ich später noch ein wenig der Strasse entlang, biege irgendwann nach rechts ab und glaube, dass ich so den Heimweg automatisch wieder finde. Doch weit gefehlt, bei meinem Orientierungssinn und der Unmöglichkeit, mir etwas zu merken, komme ich immer weiter auf Abwege. Ich konsultiere meinen Stadtplan, versuche mich zu orientieren und es wird nicht besser.

Eigentlich sollte ich schon längst eine Toillette haben, aber es gibt hier keine Cafes mehr. Bei den Leuten, die auf der Strasse zusammen sitzen traue ich mich nicht zu fragen, weiss ja nicht, ob die privat da sind, oder ob das Imbissbuden sind. Langsam wird es kriminell, wobei ich nicht die Strassen meine. In dieser Beziehung fühle ich mich völlig sicher. Aber dummerweise heissen die Strassen nicht immer auf der ganzen Länge gleich, manchmal ändern sie den Namen nach der Kreuzung, oder sie werden nach einem Platz plötzlich ganz breit, oder biegen unerwartet ab.

Irgendwann kommt mir die Gegend wieder vertrauter vor und irgendwann finde ich sogar mein Hotel. Es ist höchste Zeit.

Ich möchte hier einmal ganz normal zum Hotel zurück gehen. Einfach so, als ob ich mich hier richtig auskennen würde.

So, und jetzt muss ich noch den Rucksack packen, morgen geht es mit kleinem Gepäck weiter.

Nachtmarkt

Nachtmarkt

Heimweg

Heimweg

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Die Reise
 
Worum geht's?:
Es ist Zeit für etwas Neues. Für eine neue, mir völlig unbekannte Weltgegend. Spontan, ohne Planung, nur mit einer Idee: den Mekong sehen. Abflug am 16. Juni nach Bangkok. Ab dann wird es spannend. Freue mich, wenn auch diesmal wieder Freunde, Kunden und Bekannte virtuell mitreisen. Man kann den Reisebericht übrigens auch abonnieren, dann erhält man immer ein Mail, wenn ich etwas neues geschrieben habe.
Details:
Aufbruch: 16.06.2017
Dauer: 3 Monate
Heimkehr: 21.09.2017
Reiseziele: Thailand
Laos
Vietnam
Kambodscha
Myanmar
Der Autor
 
Beatrice Feldbauer berichtet seit 20 Jahren auf umdiewelt.
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