2013 Tadschikistan

Reisezeit: September 2013  |  von Daniel S.

Wakhan Korridor - Bulungkul

Der nette Herr in unserer Unterkunft führte uns zu den einfachen, aber sehr gemütlichen Zimmern die im Großen und Ganzen aus zwei mit Decken bestückten auf den Boden gelegten Matratzen bestanden. Freundlich bat er uns in sein Pamirhaus einzutreten um bei einem Chai auf das Abendessen zu warten. Die Küche war ausgezeichnet, zum Vortisch bekamen wir eine schmackhafte Suppe, gefolgt von Bratkartoffeln mit Hühnchen und abgerundet wurde der Schmaus mit einer süßen tiefroten Wassermelone.
Bei einem Spaziergang durch die kleine Ortschaft Yamg am nächsten Morgen erzähllte unser Gastgeber von alten zoroastrischen Bräuchen und erläuterte uns im kleinen Museum die Bedeutung diverser architektonischer Besonderheiten in Pamirhäusern.
Die Sonne brannte ungebrochen in den Korridor, als wir mit dem Jeep die steile Straße zu den Fortruinen von Yamchun hinauffuhren. Das aus vorchristlicher Zeit stammende Fort, daß imposant vor der Kulisse des Korridors und den schneebedeckten Gipfel des pakistanischen Hindukusch liegt unterscheidet sich architektonisch kaum oder gar nicht von den wenigen Häusern und Hofumzäunungen, die wir auf dem Weg sehen. Auch Marco Polo soll auf seiner Reise nach China hier vorbeigekommen sein und wird ebenfalls wie wir von dem berauschenden Anblick gefesselt gewesen sein. Ich plaudere mit ein paar einheimischen Mädchen und wir wundern uns über die Unermüdlichkeit einer der drei Freundinen, der trotz der hohen Lage beim auf- und abrennen die Luft nicht ausging.
Während unser Fahrer ein bereits am Vortag entdecktes Problem am Ölschlauch repariert, machen wir uns zu Fuß die 2 km Lange Strecke zur heißen Quelle von Bibi Fatima auf den Weg. Frauen soll das gesunde Wasser zu verbesserter Fruchtbarkeit verhelfen, und die drei Mädchen berichten, sie seien bereits mehrere Male in der kleinen Grotte im Damenbadebereich zum Gebet gewesen. Die Frage, ob Sie bereits verheiratet seien oder etwa einen Freund hätten verneinten sie kichernd. Wir genießen ein weiteres heißes Bad und verbringen nahezu den restlich verbleibenden Spätnachmittag damit, auf unseren "verschwundenen" Fahrer zu warten, der in der Zwischenzeit bei einem Einheimischen tatkräftige Unterstützung für die Reparatur der Öllekage fand. Die Aussicht in den Wakhan Korridor und ein paar Kekse verkürzen die Wartezeit ungemein.

Am Folgetag machen wir uns früh auf den Weg Richtung Bulungkul. Bevor wir den Wakhan allerdings verlassen, wandern wir zu einem heiligen Ort, der angeblich einen Fußabdruck Buddha Siddhartas zeigen soll. In Nepal geboren, in Indien zur Erleuchtung gelangt und nun in den verschiedensten Regionen Asiens verteilt, muß dieser Buddha Siddharta ein unentwegter Wandersmann gewesen sein, so erinnere ich mich doch noch an Relikte wie Haare in Bago Myanmar und Zähne in Kandy Sri Lanka, deren Verehrungsstädten ich Jahre zuvor besuchte. Ein netter einheimischer Junge verkaufte meinem Bruder zum Preis von weniger als einen Euro rot schimmernde Rubine und erfreute sich sichtbar seines Verhandlungsgeschicks, als er uns den Weg hinab auf die Getreidefelder wies.
Mit dem Abbiegen auf dem Khargusch Paß (pers. Hasenpaß) verließen wir nicht nur den Korridor, sondern auch jede Nähe zu permanent besiedelten Dörfern oder gar Häusern. War der Autoverkehr im Korridor selbst nahezu bei null, so kann ich mich auf dem Kharguschpaß lediglich an zwei drei Schäfer erinnern, die uns auf der langen Fahrt entgegenkamen. Die auf der afghanischen Seite hoch erscheinenden Berge schrumpften immer weiter, je mehr wir an Höhe gewinnen, und die Gipfel des Hindukusch mit bis zu 7000 m Höhe ins Blickfeld geraten. Eine wunderbare Melange aus graubraunen Steinformationen, von kleinen Bachströmen zersetzten Landschaftsteilen, schneebedeckten Giganten und kleinen runden, den tiefblauen Himmel kontrastierenden Wolken entführte uns in ein Delirium des Staunens und der Bewunderung für die Einzigartigkeit und Gewaltigkeit der Natur. Will man von hier aus dem Korridor bis zur chinesischen Grenze folgen, so geht dies nur noch zu Fuß oder zu Roß über verschiedene Paßhöhen auf der afghanischen Seite. Die augenscheinlich nicht besetzen Grenzhäuser auf der afghanischen Seite verleiten mich immer wieder zu dem Gedanken, den an engen Stellen nur rund 10 m breiten Fluß zu überqueren, um zumindest einen Stein von der anderen Seite als Souvenir mitzunehmen. Das einskalte Wasser und die starke Strömung sprechen eine realistischere Sprache und ich beschließe, einen Stein von der tadschikischen Seite nach Afghanistan zu werfen und freue mich, daß ich mir dabei den Arm nicht zerre. Als wir die Paßhöhe von rund 4330 m nahezu erreicht haben erwarten uns zwei junge Soldaten, die mit modernster Funktechnik ausgestatt zu scheinen, urteilt man nach den auf einer Seite eingestecken Ohrhörern. Als ich näher komme um mich mit den jungen Herren, sie sind kaum 20 Jahre alt, krächzt mir tadschikische Musik entgegen und ich erfahre ebenfalls, daß es hier oben keine Kommunikationsantenne und damit keinen Funk gebe. Auf unser Angebot, ihnen etwas Vodka einzuschenken reagieren die beiden jungen Herren etwas verlegen, schauen sich schweigend und ausdruckslos gegenseitig an und, so hab ich es verstanden, beschließen anzunehmen um der Langeweile der endlosen Tage und Nächte einen Moment den Rücken zu kehren. Seit zwei Jahren sei er hier stationiert, läßt mich der jüngere wissen, wann es wieder nach Khudjand ginge, wisse er noch nicht.

Nach einigen weiteren Fahrstunden erreichen wir Bulungkul, den kältesten Ort Tadschikistans, an dem die Temperaturen im Winter bis unter -60 Grad fallen können. Die Ortschaft liegt verloren in der extrem rauhen und kargen Landschaft und wir fragen uns, wie man den Winter hier ertragen kann.

Unser Spaziergung durch die Ortschaft Yamg führt uns an Gärten vorbei ...

Unser Spaziergung durch die Ortschaft Yamg führt uns an Gärten vorbei ...

... und weiter zum Dorfmuseum.

... und weiter zum Dorfmuseum.

Etwas 500-700 m überhalb des unteren Teil des Korridors halten wir wegen einer Autopanne an und genießen die Sicht nach Afghanistan und Pakistan.

Etwas 500-700 m überhalb des unteren Teil des Korridors halten wir wegen einer Autopanne an und genießen die Sicht nach Afghanistan und Pakistan.

Das Auto wird inspiziert ...

Das Auto wird inspiziert ...

... es liegt wieder am Ölschlauch

... es liegt wieder am Ölschlauch

Die vorchristliche, vermutlich zoroastrische Ruine des Forts Yamchun, die auch Marco Polo schon gesehen haben muß.

Die vorchristliche, vermutlich zoroastrische Ruine des Forts Yamchun, die auch Marco Polo schon gesehen haben muß.

Blick Richtung Bibi Fatima oberhalb der Bäume.

Blick Richtung Bibi Fatima oberhalb der Bäume.

Eines der drei netten tadschikischen Mädchen, die uns auch beim Wiederfinden unseres Fahrers halfen.

Eines der drei netten tadschikischen Mädchen, die uns auch beim Wiederfinden unseres Fahrers halfen.

Blick Richtung Westen in den Korridor mit dem Fluß als Grenze.

Blick Richtung Westen in den Korridor mit dem Fluß als Grenze.

Blick Richtung Osten in den Korridor mit dem Fluß als Grenze.

Blick Richtung Osten in den Korridor mit dem Fluß als Grenze.

Getreide wird vor dem Dreschen getrocknet.

Getreide wird vor dem Dreschen getrocknet.

Der Fußabdruck Buddha Siddhartas.

Der Fußabdruck Buddha Siddhartas.

Unser Fahrer und im Hintergrund der Khargusch Paß (pers. Hasenpaß)

Unser Fahrer und im Hintergrund der Khargusch Paß (pers. Hasenpaß)

Blick zurück zum Korridor mit den sich auftürmenden pakistanischen Gipfeln.

Blick zurück zum Korridor mit den sich auftürmenden pakistanischen Gipfeln.

Ein Schäferjunge kommt uns entgegen.

Ein Schäferjunge kommt uns entgegen.

Nahezu auf der Paßhöhe auf 4300 m

Nahezu auf der Paßhöhe auf 4300 m

Ganz im Hintergrund erscheint Tadschikistans kältester Ort, Bulungkul.

Ganz im Hintergrund erscheint Tadschikistans kältester Ort, Bulungkul.

In Bulungkul

In Bulungkul

© Daniel S., 2013
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Eine Reise durch Tadschikistan führt uns von Doshanbe aus über Khorog entlang der afghanischen Grenzen in den Wakhan Korridor, jener entlegenen Gegend im Grenzgebiet zu Afghanistan und Pakistan in der Sich Marco Polo vor rund 1000 Jahren schon über die Gewalt der Natur und die Gastfreundschaft der an der Seidenstraße lebenden Menschen erfreut haben wird. Die Reise führt weiter bis an die chinesische-kirgisische Grenze am Karakul ehe wir den Rückweg nach Doshanbe antreten
Details:
Aufbruch: 05.09.2013
Dauer: 17 Tage
Heimkehr: 21.09.2013
Reiseziele: Tadschikistan
Der Autor
 
Daniel S. berichtet seit 18 Jahren auf umdiewelt.
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