Marc und Marten um die Welt

Reisezeit: August 2013 - August 2014  |  von Marten Seifert

Moorea 1

Mittwoch 4. Dezember 2013
Wir landen gegen sechs Uhr morgens Ortszeit auf Tahiti, geben die Zollbescheinigung, auf der man nicht mal seinen Namen eintragen musste, ab und können nach einem kurzen Blick in unseren Reisepass von einem tahitianischen Beamten direkt bis zum Gepäckband durchlaufen, während sich alle anderen Nichteuropäer in einer langen Schlange einreihen müssen. Willkommen zurück in der Europäischen Union.
Bevor wir herausfinden, dass der Geldautomat nur deshalb kein Geld ausspuckt, weil man geringere Beträge eingeben muss, dauert es eine Weile und so wetzen wir vorher noch gute zehn Minuten wie blöde durch den Flughafen auf der Suche nach einem anderen Automaten.
Durch die heiße Morgensonne geht es dann über den Parkplatz zur Bushaltestelle. Taxis sind hier für unsere Verhältnisse viel zu teuer und so ist der Bus für uns, auch wenn er erst nach zwanzig Minuten kommt, die bessere Entscheidung. Die Endhaltestelle ist günstigerweise unweit der Touristeninformation, die wiederum unweit der Fähranlegestelle ist. Mit zwei Landkarten in der Hand treffen wir bei der Anlegestelle ein, wo die Fähre zwar eigentlich schon am Ablegen ist, aber nach einem kurzen Funkspruch zwischen der netten Ticketverkäuferin und dem Fährpersonal lässt man uns auch noch mit rauf. Nach einer guten halben Stunde ist der Ozean zwischen Tahiti und der kleinen Nachbarinsel Moorea überquert und da die Busse auf die Fähre abgestimmt sind, stehen wir wenig später vor der "Pension Motu Iti".
Empfangen und durch das Anwesen geführt werden wir von einer beleibten Polynesierin. Dass es sich bei dieser kräftigen Zuckerblume um keine Ausnahme handelt, wird uns in den nächsten Tagen und Wochen sehr deutlich vor Augen geführt. Die angeblich für ihre Schönheit bekannten tahitianischen/polynesischen Frauen wiegen im Durchschnitt zwischen 90 und 120 Kilogramm, wobei es vor allem mit steigendem Alter mehr Ausreißer nach oben als nach unten gibt. Aber gut, Schönheit ist ja bekanntlich äußerst subjektiv zu bewerten und kommt außerdem von innen. Und die Freundlichkeit der Leute hier ist wirklich großartig.
Zurück zum Motu Iti. Den 15-Betten-Schlafsaal müssten wir uns mit gerade mal 4 weiteren Personen teilen. Einziges Problem: Es gibt keine Küche, was quasi bedeutet, dass wir die nächsten 30 Tage Essen gehen müssen und unser Budget bei einem Pizzapreis von 10€ aufwärts um ein Vielfaches überziehen würden.
Die Stimmung ist entsprechend am Boden und wir sehen einen Hotelwechsel als einzigen Ausweg aus diesem Dilemma. Also geht es durch die sengende Vormittagssonne die Küstenstraße entlang in Richtung Hilton, das für uns natürlich preislich nicht in Frage kommt, aber für eine Richtung müssen wir uns ja entscheiden. Lange Rede kurzer Sinn, das Schicksal ist uns mal wieder wohlgesonnen und wir finden eine Unterkunft, das Fare Maheata, mit eigenem Bad, Küchenzeile und sogar einem eigenen Strandabschnitt.

Strand vom Fare Maheata

Strand vom Fare Maheata

Da wir über zehn Tage bleiben wollen, gibt es sogar noch einen Dauergastrabatt und wir zahlen für viel mehr Luxus mit 60€ pro Nacht gerade mal doppelt so viel, wie für zwei Betten im 15-Bett-Schlafsaal. Also zurück ins Motu Iti, der Frau das Küchenproblem erklären, wieder in die neue Unterkunft, das Bungalowabteil verbindlich reservieren und dann wieder zurück ins Motu Iti, Sachen packen. Dass wir kostenlos stornieren können, wie uns die Frau vom Motu Iti erzählt, stimmt leider nicht, aber die 30€ Gebühr, die später von meiner Kreditkarte abgebucht werden, sind für die viel schönere Unterkunft locker zu verkraften.
Fußlahm, hungrig und sonnengegerbt aber vollkommen glücklich beziehen wir also unser neues Zuhause für die nächsten 22 Tage. Über Silvester, für die letzten sieben Tage auf Moorea müssen wir uns leider eine andere Unterkunft suchen, weil hier alles ausgebucht ist, aber zur Not gibt es ja noch den 15-Betten-Schlafsaal. Ha. Ha.
Einen kleinen Supermarkt gibt es auch gar nicht weit von unserer Unterkunft und so gibt es dann auch endlich Frühstück: Für jeden ein gerade mal 50ct teures Baguette.
Ansonsten sind die Preise weniger hoch, als erwartet und so kommen wir mit der eigenen Küche insgesamt vermutlich sogar billiger weg, als wenn wir im Motu Iti jeden Tag Essen gehen müssten. Das Kilo Reis zum Beispiel kostet nicht mal einen Euro und auch der Liter Milch, die hier übrigens nicht 1,5% Fett hat, sondern zu 98,5% fettfrei ist, ist kaum teurer. Direkt neben dem Supermarkt gibt es auch einen öffentlichen Strand, auf den wir aber dank unserer neuen Unterkunft nicht mehr angewiesen sind. Wichtig am öffentlichen Strand ist es, das ausgeschilderte Verbot von "Boom Boom"-Musik und "Superbass" einzuhalten, da sich sonst andere Badegäste gestört fühlen können. Sehr umsichtig.

Blick Richtung Hilton

Blick Richtung Hilton

Dass es auf Moorea theoretisch ohnehin keinen privaten Strand gibt, sondern jeder Grundstücksbesitzer verpflichtet ist, das Stück unmittelbar am Wasser der Öffentlichkeit freizuhalten, wird hier genauso eingehalten, wie das vorgeschriebene Schneefegen des Bordsteins in Berliner Mehrfamilienhaussiedlungen. Also quasi gar nicht.
Da wir uns gegen 22 Tage Zweisamkeit entschieden haben, ist Marc die ersten elf Nächte das Doppelbett gegönnt, während ich mit dem Zustellbett vorliebnehme. Etwas störend sind die vielen Mücken hier, weswegen das ohnehin schon kleine Zustellbett von meinem Moskitonetz noch einmal verkleinert wird. Faszinierend ist, dass die kleinen Biester fast ausschließlich in die Füße stechen, sodass sich die Anzahl der Stiche wenigstens in den folgenden Tagen ganz einfach durch ein bisschen Antimückenspray reduzieren lässt.

Donnerstag 5. bis Sonntag 22. Dezember 2013
Unsere anfängliche Befürchtung, wir könnten uns langweilen, wenn wir einen ganzen Monat lang am selben Ort sind, stellt sich als vollkommen unbegründet heraus. Die Tage verfliegen so schnell, dass gar keine Zeit für Langeweile bleibt.
Die Wärme und das frühe Schlafengehen lassen mich meistens schon vor um sieben oder acht wach werden und auch Marc schläft meist nur eine halbe Stunde länger. Um einzukaufen, stehen wir sogar schon um sieben Uhr vorne an der Straße und warten auf einen der unberechenbaren Busse, deren Zeiten man sich Pi mal Daumen von der Fährabfahrtszeiten ableiten kann. Wirklich perfekt ist es, wenn die Besitzerin unserer Unterkunft in derselben Minute zur morgendlichen Aquagymnastik aufbricht und uns zum ca. 10km entfernten Geldautomaten nach Maharepa mitnehmen kann.
Maharepa ist so etwas wie das Wallstreetviertel von Moorea. Es gibt zwei, drei Banken und ein paar Versicherungen, die sich hier zusammen mit irgendwelchen Souvenir- und Klamottengeschäften in dem Tausendseelenort angesiedelt haben. Die erstaunlich großen Geldscheine erinnern ein bisschen an Monopolygeld und die Leute scheinen hier auch ähnlich spielerisch damit umzugehen. Aber da wir ehrliche Menschen sind, laufen wir dem älteren Herren, der seine immerhin über 100€ einfach im Automaten stecken gelassen hat, hinterher und geben sie ihm natürlich zurück.

immerhin knapp über 80€

immerhin knapp über 80€

Auf der Küstenstraße, die auf ca. 60 km einmal um die gesamte Insel führt, geht es dann nach dem Geldabheben grundsätzlich zu Fuß zurück, wo wir auf halber Heimstrecke nach Paopao kommen. Hier gibt es gleich zwei größere Supermärkte, die uns mit allem versorgen, was über die Grundsachen hinausgeht und wesentlich billiger ist, als in dem kleinen Markt bei uns um die Ecke.
Leider zählt dazu auch das Wasser, das hier im fünf Liter Kanister "nur" 2,50€ kostet. Also nehmen wir uns, vollgepackt mit Sojasoße, Tabasco, Wasserkanister, Tiefkühlhühnchenbrust, Kokosmilch und anderen Konserven, den letzten 5km Heimweg zu Fuß an. Weniger schlimm als die Entfernung ist die Sonne, die trotz beginnender Regenzeit jeden Tag brutal vom Himmel herabbrennt. Und da auch die vereinzelten Bäume und Palmen am Straßenrand nur unzureichend Schatten bieten, schleppen wir uns schweißgebadet und mit aufgetautem Tiefkühlhünchen am Hilton vorbei zum nur fünfzig Meter dahinter gelegenen Fare Maheata.
Die anderen Tage beginnen meistens etwas entspannter, mit einem Gang zu unserem kleinen Supermarkt, bei dessen Öffnungszeiten selbst Sparkassenangestellte vor Neid erblassen. Worauf man sich jedoch weniger einstellen kann, als auf kurze Öffnungszeiten, ist die Baguetteknappheit, weswegen unser Frühstück immer mal wieder ganz ausfällt.

Tagsüber stehen uns dann gegen die Langeweile eine Tischtennisplatte, ein paar Fitnessgeräte und Kajaks kostenlos zur Verfügung. Und während die Besitzerin super nett ist, scheint uns ihr Mann, Joe, anfangs noch nicht ganz geneigt zu sein. Es fängt schon damit an, dass wir für das Wasser aus ihrer Filteranlage Geld zahlen müssen und andere Gäste nicht. Vielleicht ist er auch ein bisschen sauer, dass uns seine Frau als Dauergästen so einen großen Rabatt gegeben hat, oder dass uns gleich am ersten Tag die Gasflasche für den Herd ausgegangen ist, aber da können wir ja nichts dafür. Vielleicht liegt es auch nur daran, dass Joe jemand ist, der zum Lachen gerne in den Keller geht. Egal, er ist trotzdem nie unhöflich oder dergleichen und dass wir uns hier super wohl fühlen, steht sowie so außer Frage.
Sicher nicht ganz unbeteiligt daran ist auch der nette Schweizer, Renato, der das Bungalowabteil direkt neben uns bewohnt. Er ruft zwar immer so unvermittelt "Entschuldigung?!", wenn er etwas akustisch nicht verstanden hat, dass man erschrocken zusammenzuckt, aber daran gewöhnt man sich genauso schnell, wie an sein typisch schweizerisches leicht naives Verhältnis zum Geld. Sein Lieblingssatz lautet "Das ist nix, odter?" und so isst er auch nur deshalb nicht jeden Tag für 25€ im Hilton Frühstück, weil er im Urlaub nicht zunehmen möchte.
Da er genauso wanderbegeistert ist wie wir, geht es dann ganz spontan zusammen die Hänge des direkt angrenzenden Mount Rotui hinauf. Zwar nur etwa bis zum ersten Drittel des 899 Meter hohen Berges, aber mehr als der Aussichtspunkt war auch nicht geplant. Um eine richtige Wandertour zu machen, muss man hier früh aufbrechen. Sehr früh. Und so kommt es, dass wir unser Ziel, nach einer Stunde wandern, vollkommen schweißdurchnässt gegen elf Uhr erreichen und sich bei Marc wegen der Hitze sogar leichter Schwindel breit macht. Immerhin weht hier oben auf dem Kamm ein kühler Wind und macht die Hitze der brennenden Sonne etwas erträglicher.

Gelohnt hat sich der Aufstieg für dieses fantastische Panorama auf jeden Fall. Zu unserer Rechten ragen tief unter uns die Bungalows des Hiltons in das helle, türkisfarbene Wasser hinein. Vor uns, in mehreren hundert Metern Entfernung vom Ufer, brechen die großen Wellen des offenen Pazifik an der Außenriffkante, bevor sich ihre unglaubliche Kraft im flachen Wasser der Lagune an den vielen kleinen Koralleninseln verliert und sie schließlich als seichte Wogen den Strand erreichen. Zu unserer Linken reicht der Arm der Opunohubay in das Landesinnere hinein. Dazu stellt man sich die Form von Moorea am besten als großes Herz vor. An der Stelle, wo die beiden Bogen zusammenführen, ragt jedoch noch ein dicker Stängel heraus (die Aorta wenn man es so will). Dieses rausragende Stück wird von der Cookbay mit dem Örtchen Paopao am Ende zur einen und von der Opunohubay zur anderen Seite umgeben ist. An der Spitze des Stängels befinden sich unsere Unterkunft und auch der Aussichtspunkt auf dem wir gerade stehen.
Nach einer halben Stunde Aussicht genießen und Fotos in alle Richtungen schießen, geht es dann wieder zurück ins Tal und direkt ins erfrischende Wasser unserer Lagune.

Moorea

Moorea

Es ist erstaunlich, wie viel es auf dieser Insel zu erlaufen gibt und als Renato uns von Avocadobäumen und Ananasplantagen an einem Weg entlang durchs Inselinnere erzählt, steht auch schon das Ziel für den nächsten Tag fest.
Genau an diesem Morgen sind die Baguettes in unserem kleinen Laden natürlich schon wieder ausverkauft, aber da wir eigentlich eh nur ein paar Früchte einsammeln wollen, geht es eben ohne Frühstück weiter. Am Ende der Opunohubay führt eine Straße ins Inselinnere zum Belvedere, einem Aussichtspunkt, von dem Renato uns erzählt hat. Der Weg ist an sich sehr schön; die Straße wenig befahren und die Vegetation um einen herum saftig und grün. Nur irgendwelche Pflanzen mit essbaren Früchten lassen, wenn man mal von hunderten unreifen Passionsfrüchten absieht, leider auf sich warten. Nach etwa zehn Kilometern erreichen wir dann das Ende der Straße: Belvedere. Die Aussicht ist wirklich großartig, wie sich die beiden Bays direkt vor uns, durch den Mount Rotui von einander getrennt, ins Inselinnere ziehen.
Zu blöd, dass wir unsere Kamera Zuhause gelassen haben, weil wir ja eigentlich nur ein paar Früchte sammeln wollten. Egal. Wir haben ja genug Zeit, um noch mal herzukommen. Immer noch auf der Suche nach essbaren Früchten treibt es uns weiter zum wenige Kilometer entfernten Aussichtspunkt "Drei Pinien" (der in einigen Reiseführern aus unerfindlichen Gründen auch "Drei Tannen" genannt wird). Wir folgen einem Pfad über Stock und Stein mitten durch den Dschungel, bis wir endlich zum Aussichtspunkt kommen. Der Blick vom Belvedere war zwar schöner, aber allein der Weg hierher hat sich auf jeden Fall gelohnt. Dass es in Französisch Polynesien keine Gifttiere gibt, wissen wir spätestens auf dem Weg nach unten zu schätzen, als der schmale Pfad immer unwegsamer durch die dichte Vegetation führt.
An einem alten Papayahain kommen wir endlich doch noch zu unseren ersehnten Früchten und nach unzähligen Schrammen und Abschürfungen am ganzen Körper, mir fällt beim Hinaufklettern auf den Baum auch noch ein faulige Frucht entgegen, haben wir dann tatsächlich einen Rucksack voll mit Papayas, bevor wir eine Weggabelung weiter an einer Plantage sogar noch ein paar Ananas mitgehen lassen können.

Vollkommen erschöpft und ausgehungert kommen wir nach fast zwanzig Kilometern in Paopao an, wo der Supermarkt natürlich zu hat, weil gerade Siesta, die wirklich lähmendste Erfindung seit Menschengedenken, gemacht wird. Muss man sich mal in Deutschland vorstellen, wenn der Aldi mittags einfach mal für ein paar Stunden zumacht. Die Wasserflasche haben wir in Vorfreude auf den Supermarkt auch schon leer getrunken.
Doch Zuhause angekommen lässt uns bereits der erste Bissen frische Ananas alle Strapazen des Ausflugs wieder vergessen. Der Geschmack ist wirklich fantastisch und es ist fast unmöglich, in Deutschland eine so süße und fruchtsäurearme Ananas zu bekommen. Die Papayas sind auch gut und dazu gibt es noch ein Stück Kokosnuss von gestern. Die liegen hier wirklich überall rum und selbst die schwarzen, die man für längst vergammelt halten würde, sind innen noch frisch und aromatisch.

Die Ausflüge mit dem Kajak gestalten sich ein bisschen schwieriger, als zuerst angenommen. Irgendwie brechen wir immer auf, wenn gerade Ebbe ist. Aber selbst als wir endlich die Flut abpassen, ragen viele der Koralleninseln so nah an die Oberfläche heran, dass man aufsetzt, wenn man sie nicht umfährt. Umso weniger verständlich ist es für uns, wie die ganzen Jetskifahrer und auch irgendwelche Leute mit ihren Motorbooten einfach so durch die Lagune brettern können, ohne aufzusetzen. Ich meine, auch wenn wir hier viel essen, können wir mit unserem Kajak unmöglich so viel mehr Tiefgang haben.
Als wir dann in der frühen Dämmerung wieder zurück an Land sind, zeigt sich als abendliches Highlight keine fünfzehn Meter vom Strand entfernt ein gut und gerne anderthalb Meter großer Hai. Zu klein, um einem wirklich gefährlich zu werden, aber verärgern oder in die Enge treiben sollte man ihn besser trotzdem nicht, sonst ist die Hand schneller ab, als man "Hai" rufen kann.

Weil ich bei einem unserer Ausflüge zum Geldautomaten dummerweise die Fährzeiten verwechselt habe und wir entsprechend vergeblich auf den Bus nach Maharepa warten, entscheiden wir uns spontan für einen Besuch in der nicht weit entfernten Saftfabrik. Für weniger als 1€ p.P. kann man den Leuten unter anderem dabei zusehen, wie sie willkürlich irgendwelche Ananasfrüchte vom Fließband nehmen und mal hier, mal da die Hälfte wegschneiden, bevor die nächsten fünf Minuten überhaupt nicht mehr geschnitten wird, weil die Arbeiter sich gerade mit unserem Guide unterhalten. Das ist der Moment, in dem uns klar wird, warum die Schulkinder immer an dem Strand neben unserem kleinen Supermarkt segeln gehen. Analysis und Kommasetzung muss man für diesen Job hier nicht können.
Von Renato haben wir übrigens auch erfahren, dass es hier keine Lohnsteuer gibt und einige Ärzte dreimal so viel verdienen wie ihre Kollegen in Frankreich. Was wiederum dazu führt, dass Französisch Polynesien nicht nur auf den Tourismus sondern auch auf regelmäßige Geldspritzen und Subventionen aus Paris angewiesen ist. Auch wenn ich im Internet leider keine aktuellen Zahlen gefunden habe, wird es seit der Jahrtausendwende wohl eher mehr statt weniger geworden sein. Und schon damals waren es volle 1.000.000.000€, also eine Milliarde, die die französische Regierung jedes Jahr hierher fließen lies. Bei gerade mal 270.000 Einwohnern macht das immerhin 3700€ pro Kopf. Wahnsinn.
Die Jugendarbeitslosigkeit ist trotzdem hoch und die meisten verbringen ihre Zeit entweder mit Rumsitzen oder dem Verkauf von Marihuana. Naja, immerhin können sie segeln.
Doch zurück zur Saftfabrik: Die Führung ist wie gesagt ganz nett und danach gibt es sogar noch eine kurze Verkostung der wirklich sehr leckeren und aromatischen Säfte. Beim Alkohol zeigt sich dann ein sehr gespaltenes Bild, die Liköre sind gut, aber mein Verlangen nach einer Flasche Ananaswein zum Beispiel ist nach dem Kosten nur noch halb so groß. Er schmeckt einfach wie ein sehr saurer, nicht gerade guter Weißwein, für den man dann auch noch 20€ pro Flasche blechen soll. Und als wichtigster Tipp für alle Besucher, die sich auf diesen ansonsten wirklich lohnenswerten Ausflug einlassen: Kauft auf keinen Fall, wirklich auf keinen Fall eine Flasche von dem aromatisierten Wodka, der nicht ohne Grund bei der Verkostung außen vor gelassen wird!

Blick auf den Mount Rotui von Paopao aus

Blick auf den Mount Rotui von Paopao aus

Unser kleiner Ananasvorrat ist inzwischen leider vollständig verzehrt und so geht es wieder los in Richtung Inselinneres. Natürlich sind schon wieder alle Baguettes ausverkauft, aber irgendwie kann uns die Verkäuferin zumindest eins von den reservierten abgeben und wir treten unsere Tour nicht mit gänzlich nüchternem Magen an. Außerdem kommen wir einige Kilometer weiter an einem riesigen Litschibaum vorbei, unter dem auch ein paar sehr saftige, frische Früchte liegen. Keine zehn Meter weiter stehen auch noch ein halbes Dutzend Avocadobäume am Straßenrand, die unseren Ausflug bereits jetzt zu einem absoluten Erfolg werden lassen, bevor wir überhaupt auf die "Route des Ananas" kommen, die allein schon des vielversprechenden Namens wegen unser heutiges Ziel sein soll.

Gleich zu Beginn der Ananasroute gibt es ein Ananasfeld zu unserer Linken, bevor man die nächsten zwei Kilometer durch eine zugegeben sehr schöne, aber ananasferne Gegend läuft. Wenn man sich ein bisschen besser mit der hiesigen Flora auskennen würde, könnte man hier sicherlich tonnenweise essbare Früchte einsammeln. So aber beschränken wir uns auf ein Dutzend kleine, gelbe Ananas direkt vom Strauch, als der Weg plötzlich genau dort herauskommt, wo wir schon beim letzten Ausflug auf dem Abstieg von "die drei Pinien" geerntet haben.
Diesmal sind wir sogar früh genug in Paopao, um noch vor der Siestaschließung Wasser und Baguettes im Supermarkt zu bekommen. Was für ein erfolgreicher Start in den Tag. Kurz bevor wir Zuhause sind, fahren dann gleich vier Busse in nur zehn Minuten an uns vorbei. Naja, passiert eben, wenn es keine Busfahrpläne gibt.

Cookbay mit Paopao am Ende

Cookbay mit Paopao am Ende

Als wir zurückkommen, ist im Bungalowabteil nebenan leider schon Aufbruchstimmung angesagt: Renatos Flieger nach Tahiti geht heute. Der lächerlich kurze Flug ist in seinem F. Polynesien-Ticket enthalten, mit dem man hier verhältnismäßig günstig Insel-Hopping machen kann. Um es mit seinen Worten auszudrücken: "Das ist nix, odter?"
Den Mount Rotui bis zum Gipfel müssen wir also ohne ihn besteigen und weil morgen neue Nachbarn in die andere Bungalowhälfte ziehen, müssen wir auch noch das Doppelbett in ein normales, schmales umtauschen. Jetzt wo ich an der Reihe gewesen wäre. Toll.
Immerhin bleibt mir das Vierecken-Moskitonetz erhalten, was sich durch seine Quaderform wesentlich besser über das Bett spannen lässt, als mein kegelförmiges. Ein kleiner Trost, denn die Mücken sind inzwischen wirklich penetrant und aggressiv geworden und lassen sich auch von Autan und dergleichen nicht mehr vom Stechen abhalten.
Als neue Nachbarn zieht ein französisches Pärchen ein, das die Angewohnheit hat, mit der Kraft in einer Nashornherde durch den Bungalow zu marschieren, sodass man auf unserer Bungalowseite jedes Mal das Geschirr klirren hört und man meint, ein Tsunami rollt heran. Ansonsten haben wir eigentlich keinen Kontakt zu ihnen. Auffällig ist lediglich, wie der Mann mit seinem fast schon albinohellen Hauttyp so lange in der Sonne sitzen kann. Und kaum haben Marc und ich darüber gesprochen, stehe ich, wie sollte es anders sein, abends vorm Spiegel und betrachte wehleidig meinen ersten Sonnenbrand seitdem wir hier sind.
Mindestens genauso auffällig ist die plötzliche Freundlichkeit von Joe. Nachdem uns seine Frau schon öfters mir Bananen und Papayas aus dem eigenen Garten versorgt hat, bekommen wir nach dem Bettenwechsel auch gleich frische Laken und Handtücher, die man bei unserem Einzug vergessen hat. Aber alles kein Problem, weil wir unsere ganze Schmutzwäsche sogar kostenlos bei ihnen waschen dürfen. Joe ist plötzlich wie gesagt immer gut drauf und bringt uns den einen Tag sogar einen Teller Essen vorbei mit einheimischen Spezialitäten und Unmengen gegrillten Fisch, den sie in der Lagune selbst gefangen haben. Und auch wenn wir für die 22 Übernachtungen insgesamt knapp 1300€ hier lassen, ist es das Geld absolut wert und gerne an unsere super tollen Gastgeber gezahlt.

sieht nicht so lecker aus, war es aber

sieht nicht so lecker aus, war es aber

Da Morgen die große Wanderung auf den Mount Rotui ansteht, wird der heutige Tag mit Siesta machen, baden und essen verbracht. Wobei das Baden nicht mehr ganz so sorgenfrei vonstatten geht wie am Anfang, nachdem Marc von einer ausgesprochen aggressiven Seespinne attackiert wurde. Immerhin hatte sie nur die Größe einer normalen Standkrabbe und Marcs kleiner Finger ist bis auf einen Schnitt unversehrt geblieben.

agressive Seespinne unterm Stein

agressive Seespinne unterm Stein

Unsere Beziehung zu der kleinen, süßen Schmusekatze, die immer ankam, um sich streicheln zu lassen, hat sehr darunter gelitten, dass sie in einem kurzen Moment der Unachtsamkeit unsererseits in den Bungalow gerannt ist und eine Duftmarke an Marcs Rucksack gesetzt hat, bevor wir auch nur irgendwie reagieren konnten. Wenige Tage später liegen dann zwei Haufen Katzenkacke auf unserem Fußabtreter so direkt vor der Haustür, dass ich natürlich barfuß mit dem großen Zeh voll reinlatsche. Die ganze Katzengeschichte gipfelt, nachdem sie Marc am Tag zuvor mehrfach angeniest hat, darin, dass es eines Nachts einen dumpfen Schlag gibt und ich kurz danach irgendwelche Geräusche neben meinem Bett höre. Zum Glück habe ich noch nicht geschlafen und kann das unheimliche Ding recht schnell als Katze identifizieren, während mir Marc erst nicht recht glauben will und sich plötzlich zu Tode erschreckt, als die Katze auf sein Bett springt. Seitdem können wir die Fenster nachts nicht mal mehr einen kleinen Spalt öffnen. Toll.

als die Welt noch in Ordnung war...

als die Welt noch in Ordnung war...

Sosehr wir die Flora mit ihrer üppigen und fruchtbringenden Vegetation auf dieser Insel auch lieben, so können wir mit der Fauna einfach nicht warm werden. Unser Unmut gegenüber den hiesigen, wirklich aggressiven Hunden, die ihre nicht eingezäunten Grundstücke auch gerne mal über die Grenzen hinaus verteidigen, erreicht einen neuen Höhepunkt, als zwei von ihnen aus heiterem Himmel aus einer Hecke hervorstürmen. Marc, der die Hundeschnauze schon an seiner Wade gespürt hat, kann sich gerade noch durch einen kurzen Sprint vor einem Biss in Sicherheit bringen, bevor die Besitzerin auf die Idee kommt, ihre blöden Köter zurückzupfeifen.
Die einzigen Tiere, die wir hier wirklich lieben lernen, sind neuseeländische Rinder, deren Rumpsteak es schon für unter 10€ pro Kilogramm gibt. Ein Genuss, den wir uns mehr als einmal mit einem 600g Steak für jeden zu Teil werden lassen.

Mount Rotui

Mount Rotui

Um 5:30Uhr klingelt der Wecker am 22. Dezember. Joe ist schon wach und hat uns netterweise das Tor zu seinem Grundstück auf der anderen Straßenseite geöffnet, von wo aus sich der schmale Pfad den Berg hinauf zum Gipfel windet. Wesentlich weniger schweißgebadet erreichen wir noch vor sieben Uhr den Aussichtspunkt vom letzten Mal. Es ist zwar schon erstaunlich warm für diese Uhrzeit, aber die Sonne versteckt sich immer wieder zwischen einzelnen dicken Wolken, die sich für den perfekten Ausblick hoffentlich noch verziehen, bis wir oben angekommen sind. Der Weg führt immer auf dem Kamm entlang, während die Hänge links und rechts von uns immer steiler und weiter in die Tiefe reichen. Keine vierzig Zentimeter Breite misst der Kamm an einigen Stellen und Farn und Moos gaukeln einem Weg vor, wo keiner ist. Ein Fehltritt kann jetzt den sicheren Tod bedeuten und die vom nächtlichen Regen rutschigen Felsstücken hinaufzuklettern, während es links und recht von einem sechs-, siebenhundert Meter steil in die Tiefe geht, erfordern auch ohne Höhenangst höchste Konzentration.
Nach vier Stunden und mit aufgeschürften Beinen und Armen haben wir den Gipfel in 899 Metern Höhe erreicht. Es ist der zweithöchste Berg der Insel und entsprechend ungestört reicht der Blick in alle Himmelsrichtungen bis weit in die Ferne. Doch bevor ich anfange zu erzählen, wie sich die dunkle Silouhette Tahitis hinter den grünen Bergen Mooreas aus dem Meer erhebt und wir sogar die Lagune auf der anderen Seite "unserer" Insel sehen können, lasse ich einfach mal die Fotos für sich sprechen.

leider etwas klein...

leider etwas klein...

Nachdem das Frühstücksbaguette zusammen mit ein paar Stücken Kokosnuss verzehrt ist, machen wir uns dann auch langsam wieder an den weniger schönen Abstieg. Wir sind zwar etwas schneller als beim Aufstieg, doch es ist wärmer geworden und an windgeschützten Stellen knapp unterhalb des Kammes treibt einem die brütende Hitze den Schweiß aus den Poren. Die Beine werden auch weiter zerkratzt und die Knie ächzen wieder unter den Strapazen des steilen Weges. Erschöpft aber vollkommen glücklich erreichen wir am frühen Nachmittag wieder das Fare Maheata und genießen ein erfrischendes Bad in der Lagune.

© Marten Seifert, 2014
Die Reise
 
Worum geht's?:
Ein ganzes Jahr haben wir uns Zeit genommen, um von Berlin aus über NY, Südamerika, Australien und Ozeanien und Südostasien um die Welt zu fliegen, bevor es wieder in die Heimat zurückgeht.
Details:
Aufbruch: 27.08.2013
Dauer: 12 Monate
Heimkehr: 26.08.2014
Reiseziele: Vereinigte Staaten
Peru
Bolivien
Chile
Ecuador
Kolumbien
Panama
Costa Rica
Französisch Polynesien
Neuseeland
Australien
Singapur
Indonesien
Malaysia
Thailand
Myanmar
Kambodscha
Deutschland
Der Autor
 
Marten Seifert berichtet seit 11 Jahren auf umdiewelt.