Weihnachten in Guatemala

Reisezeit: Dezember 2007 - Januar 2008  |  von Beatrice Feldbauer

Eine schweizerische Nacht

Die Aufregung in der Schule war gross. Schnee auf den Vulkanen. Niemand konnte sich erinnern, das schon einmal gesehen zu haben. Alle Vulkane ausser dem noch immer aktiven Vulkan Fuego waren leicht überzuckert. Es war aber auch kalt in den letzten Nächten. Während die Nachmittage recht heiss werden, kriecht des Nachts die Kälte in alle Ritzen.

Dieser Tage fragte ich Rigoberto, ob er ein Thermometer hätte. Ja, ja, das hätte er schon, aber das sei defekt, zeige immer gleichviel an: 20 Grad. Trotzdem stand er vom Nachtessen auf, um einen Blick darauf zu werfen. Und dann das grosse Erstaunen: "Oh, es funktioniert ja doch, es zeigt 13 Grad an." Kein Wunder also, dass auch ich des Nachts etwas fror.

Doch letzten Mittwoch war alles anders. René war zurück. Er ist der Reiseleiter, mit dem ich im April 2007 eine Gruppenreise organisiert hatte. Er war über Weihnachten mit Touristen unterwegs gewesen und war jetzt zurück. Für ihn hatte ich den Raclettekäse mitgenommen und er lud mich ein, den Abend mit ihm und seiner Familie zu verbringen. Mariola, seine guatemaltekische Frau freute sich ebenfalls aufs Raclette. Sie holten mich bei Rigoberto ab und wir freuten uns alle auf einen gemütlichen Abend in ihrem Haus in San Lucas, auf halbem Weg nach Guatemala Stadt.

An diesem Abend stürmte der kalte Wind extrem und ich überlegte, wie es wohl den Menschen unter den Blechdächern ergehen würde. Schon in der Schule klapperten alle Wände und Dächer...

Wir fuhren gerade durchs Tor der Überbauung, als Mariola aufschrie: "Kein Licht, es hat keine Elektrizität hier." Oh, das kommt bestimmt wieder. Mariola hatte schon alles bereit: Racletteofen, Silberzwiebeln, Cornichons und Maiskölbchen, und auf dem Gas kochten die Kartoffeln. Aber es gab keine Elektrizität.

Im Cheminee knisterte ein Feuer und René servierte einen feinen Rotwein in richtigen Rotweinglaesern. Aber es gab keine Elektrizität. Bereits überlegten wir, ob man aus dem Käse auch ein Fondue machen könnte, Weisswein und Maizena waren vorhanden, aber dann erinnerte ich mich, dass eine Freundin von mir manchmal Raclette ich Backofen machte. Ja, ein Backofen war vorhanden, und er funktionierte mit Gas.

Also, Raclette gerettet. Das erste Pfännchen aus dem Ofen schmeckte hervorragend und bereits stellten wir uns auf Prozessionen zwischen Küche und Esszimmer ein - als das Licht anging. Die Elekrizität war zurück. Und dem gemütlichen Racletteplausch stand nichts mehr im Wege. Allerdings ging das Licht mit dem letzten Pfännchen auch wieder aus. Das war aber weiter nicht schlimm, denn vor dem Feuer im Kerzenschein liess es sich gut weiterreden. Endlich wieder einmal schweizerdeutsch sprechen. Ich merkte erst jetzt, wie mir das gefehlt hatte.

Wir sprachen von der letzten Reise und ueberlegten bereits, wie wir die nächste im Mai 2009 planen sollten. Es wurde spät, bis wir ins Bett gingen. Und weil es vorher auch noch einen richtig starken Rum gab, habe ich diese Nacht zum ersten mal gar nicht gefroren. Und das, obwohl es die kälteste Nacht war, eben die, nach der die Vulkane mit Puderzucker bestäubt waren.

Rigoberto hat es mir später erklärt. "Das ist gar kein Schnee, weisst du. Wenn es ganz kalt ist, gefriert die Feuchtigkeit, und es gibt escarcha. Rauhreif."

Kenn ich doch von irgendwoher...

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Die Reise
 
Worum geht's?:
Zum 6. mal in Guatemala, das erste mal allein und ganz ohne spezielles Programm. Einfach nur da sein, Stimmungen fuehlen, Freundschaften auffrischen, Geschichten hoeren und erzaehlen. Vielleicht interessiert sich jemand fuer diese Art der Reisebeschreibung...
Details:
Aufbruch: 21.12.2007
Dauer: 3 Wochen
Heimkehr: 08.01.2008
Reiseziele: Guatemala
Der Autor
 
Beatrice Feldbauer berichtet seit 20 Jahren auf umdiewelt.
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