In Düsseldorf daheim, in der Welt zu Hause

Reisezeit: Oktober 2010 - Oktober 2011  |  von Marius Schebaum

Nicaragua: Leon

Voellig beknackt, aber geil!

Nach der Ankunft in Leon hab ich erstmal den klassischen Touri-Kram abgearbeitet, das heisst Kultur pur, was fuer mich schon fast in einen Kultur-Schock muendete, denn das Programm beinhaltete zunaechst die riesige Kathedrale mit dem Grab des beruehmtesten Dichters Nicaraguas und danach sein in ein grosses begehbares Museum umgefromtes Wohnhaus, das ich mir am ersten Nachmittag auch noch gegeben hab. Nicht zu vergessen, dass ich am Morgen noch das Nationalmueseum in Granada besucht habe, wo ich den ganzen Kram mit dem Piraten und so gelernt hab. Nach diesem uebertriebenen "information overload" musste ich mich erstmal von diesem Schock erholen und mich mehrere Stunden zur Ruhe legen.

Doch schon am naechsten Morgen verlangte mein wissendurstiges Hirn nach mehr Informationen (ist mir unerklaerlich, das hat es in all den 22 Jahren nicht getan, aber nach so viel reisen brauche ich anscheinend geistige Herausforderungen, ich hoffe nur, das laesst bald wieder nach, ist naemlich maechtig anstrengend!) und deshalb bin ich in das "Revolutionskaempfer-Museum und -Erinnerungshaus". Man muss dazu wissen, dass es ca. 50 Jahre lang (bis in die 60er Jahre) eine Diktatur in Nicaragua gab und das es dann im Laufe der Jahre eine Revolutionsbewegung gab, die irgendwann vom Untergrund auf die Strasse gegangen ist und es dann leider zu sehr blutigen Kaempfen gekommen ist. Obwohl der Diktator getoetet werden konnte, ging die Diktatur weiter und die Leute wurden noch staerker ausgebeutet als vorher. Erst in den 70ern mit Hilfe der USA (die als Gegenleistung allerdings ihren Lieblings-Politiker als Praesidenten haben wollten und erst nach diesem Versprechen haben sie eingegriffen) konnte die Diktatur besiegt werden, aber irgendwie kam auch danach keine Ruhe ein:

Die ehemaligen heroischen Freiheitskaempfer, die fuer die arme Bevoelkerung und Hoffnung standen, sind ploetzlich auch leicht machtgierig geworden und dem Land und vor allem den Leuten gings nicht viel besser in den naechsten Jahren. Also wurde eine neue Gegenbewegung gestartet und als diese nach jahrelangen Konflikten an der Macht war, haben die auch wieder Scheisse gebaut und so zieht sich dieses Unglueck der Regierungswahl seit Jahren wie ein roter Faden durch die Geschichte Nicaraguas

Soviel zur richtigen Kultur, denn den Rest der Zeit hab ich den wahren Freuden des Lebens gewidmet, da mein Hirn anscheinend doch zu gierig war und jetzt an den Folgen des "information overload" litt. Deshalb tat ich ihm einen Gefallen und habe das definitiv ueberfluessige Wissen mit viel Hopfenschorle erst beim Tanzen ausgeschwitzt und am naechsten Morgen die Toilette runtergespuelt.
Hab naemlich zwei Schweden, einen Israeli und einen Australier getroffen, mit denen ich dann einen sehr netten, feucht-froehlichen Abend in Leons Partyszene verbracht habe, so dass man nun auch in Nicaragua weiss, wie es aussieht, wenn Deutsche mal so richtig abspacken

Um diesen Teil der verrueckten Aktivitaeten nahtlos weiterzufuehren, sind wir am naechsten Morgen "Vulkan-Boarden" gegangen! Ich hab mich auch im ersten Moment gefragt, was das denn bitte sein soll, ich mein, Snowboarden kennt man irgendwie und Sandboarding ist das Gleiche, nur auf Sand, auch noch vorstellbar zumindest. Aber volcano boarding? mit oder von einem 800m hohen Vulkan, der den unheilvollen Namen "Schwarzer Berg" traegt und in den letzten 50 Jahren 23 mal ausgebrochen ist und nur durch diese ausgespuckte Lava von in dieser Zeit ca. 600m gewachsen ist?! Hm, das musste sich der Abenteurer in mir dann doch mal genauer angucken.

Der Legende nach ist ein herumreisender (mit Sicherheit total bekloppter und bekiffter) Australier vor ca. 8 Jahren beim Wandern zwischen den Vulkanen auf die total bescheuerte Idee gekommen, den Berg nicht wieder runterLAUFEN zu wollen, sondern das Ganze irgendwie zu beschleunigen, damit man schneller an das kuehle Bierchen nach dem Wandern kommt. Also hat er das naechste Mal ein Holzbrett mit den Berg hochgeschleppt und ist die flache Seite des Vulkans runtergerauscht und hat sich dabei wahrscheinlich so einige Knochen gebrochen, aber immerhin ist er schnell an sein Feierabend-Bierchen gekommen! Er hat ein paar Kumpels Bescheid gesagt und am naechsten Tag konnten dann ein paar Gestalten in knall-orangen Schutzanzuegen beobachtet werden, die den "Schwarzen Berg" runterholpernt sind. Das Ganze hat sich dann im Laufe der Jahre rumgesprochen und der Australier hat das Ganze zu einem Business aufgezogen, so dass mittlerweile taeglich bis zu 30 total lebensmuede Touristen in orangen Overalls und mit total bescheuert aussehenden Schutzbrillen auf Holzbrettern die schwarze Lava-Piste runterheizen, um am Ende im steilsten Teil mit der Radar-Pistole eingefangen zu werden, so dass bei einem frischen Bier aus der Kuehlbox auf der Rueckfahrt im Truck der Todesritt und die Maximal-Geschwindigkeit verglichen werden kann. Nur, um euch mal eine Vorstellung von der Geschwindigkeit zu geben, die man auf so einem schmalen Holzbrett bekommt: Der Rekord liegt bei 87 km/h, aufgestellt von einer Israelin letztes Jahr, die fuer den Rekord nicht einmal gebremst hat!

Voellig stumpfsinnig sind wir mit dem Holzbrett unterm Arm ne Dreiviertelstunde den Kamm des Vulkans hochgestapft, immer wieder in der schwarzen Asche einsinkend. Der Wind auf diesem Kamm war an dem Tag so stark, dass man das Board nicht quer zum Wind halten durfte, weil man sonst ohne Witz den Hang runtergeblasen worden waere. Wenn man sich jetzt noch die furchtbar heissen 30 bei wolkenlosem Himmel dazu vorstellt, kann man erahnen, dass ich zwischendurch gezweifelt hab, ob mir der Alkohol am Vorabend eigentlich die letzten guten Hirnzellen weggebrannt hat, fuer so eine Wanderung auch noch zu bezahlen! Aber als wir dann direkt am dampfenden Krater ankamen und der kilometerweite Ausblick auf Leon und den dahinter liegenden Pazifik fuer alles entschaedigt hat, wusste ich, dass es die Muehe wert war. Wenn man ein paar Zentimeter in die schwarze Erde gegraben hat, war es so heiss, dass man seine Hand schnell wieder zurueckgezogen hat, spaetestens da war dann allen klar, dass wir wirklich auf dem Gipfel eines aktiven Vulkans standen. Aber als wir dann die bis zu 48 Grad steile Piste runtergschaut haben, hatten wir dann wirklich andere Probleme! Die letzten wichtigen Fragen wurden geklaert, z.B. wo die Radar-Pistole ist und wie man am besten Geschwindigkeit aufnimmt und schon wurde man vom Guide losgeschubst...

Ich haenge dann doch zu sehr an meinem sehr entspannten Leben momentan, so dass ich meine Hacken ab und an in die kleinen schwarzen Kiesel zum Bremsen und Steuern gerammt habe, was mich zwar langsamer gemacht hat, allerdings war ich auf diese Weise dann auch schnell eingehuellt von einem mir ins Gesicht fliegenden Steinhagel und ich hab leider den Fehler gemacht, einen Geschwindigkeits-Rausch-Freuden-Schrei loszulassen, der mir mehrere kleine Erinnerungssteinchen im Rachen beschert hat. Am Ende nochmal schoen fuer die Galerie einen fulminanten Sturz inklusive einer Schuerfwunde am Arm hingelegt und den Ritt mit 64 km/h beendet. Tagwerk vollrichtet, so dass ich ab jetzt in meinen Lebenslauf schreiben kann: "aktiven Vulkan gesurft", womit ich mit Sicherheit jeden Arbeitgeber dieser Welt beeindrucken kann

Tja, das Ganze musste natuerlich ordentlich begossen werden mit unserer internationalen Truppe, schliesslich wurden zahlreiche kleine Bier-Wetten am Gipfel des Vulkans abgeschlossen, die auf ihre Einloesung warteten, zumal in dem Tages-Paket des Boarding-Anbieters zwei Mojitos sowieso schonmal inklusive waren

Mittlerweile bin ich in San Juan del Sur gelandet, dem Surfer-Paradies schlechthin an Nicaraguas Pazifik-Kueste, wo ich noch ein bis zwei Tage "extreme entspanning" betreiben werde, ein lokaler Sport, der viel Uebung und Geduld erfordert und nicht unterschaetzt werden darf.

Danach gehts dann fuer drei Wochen auf eine einsame Insel mitten im Tortuguero-Nationalpark in Costa Rica, wo ich dann nachts mit Rambo-Stirnband, Speer und lediglich mit einem Lenden-Schurz bekleidet auf Schildkroeten-Eier-Jagd gehen werde, um diese dann roh zu verspeisen! Nein Quatsch, bin natuerlich in friedlicher bedrohte-Lebewesen-Retter-Mission unterwegs und werde die kleinen frisch geschluepften Vierbein-Panzer vor boesen Tieren retten und aufpeppeln, bis es Zeit ist, die nuegewonnenen Freunde insgrosse weite Meer zu entlassen...
Jedenfalls wurde mir gesagt, dass diese Schildkroeten-Station sowas von am Arsch der Welt ist, dass es weder Internet, noch sonst irgendwelche westlichen Kommunikationsmittel-Annehmlichkeiten gibt, so dass ich mich das naechste Mal dann wahrscheinlich in drei Wochen erst wieder melden kann, um dann aber als Entschaedigung mit Fotos von gegrillten Schildkroeten-Babys aufzuwarten...

So, ich hoffe, ich kann euch zum Abschluss noch einen kleinen visuellen Einblick in die bescheurtste Sportart gewaehren, die ich jemals ausgeuebt habe...

Bis neulich

in deutschland wuerde ich in dem outfit wahrscheinlich fuer einen Irrenanstalt-Ausbreuchigen gehalten werden und von meiner Mama wieder eingefangen werden, aber hier ist das ein 1-A-Renn-Anzug!

in deutschland wuerde ich in dem outfit wahrscheinlich fuer einen Irrenanstalt-Ausbreuchigen gehalten werden und von meiner Mama wieder eingefangen werden, aber hier ist das ein 1-A-Renn-Anzug!

Der Truck da unten war das grobe Ziel, allerdings war das mit dem Steuern eine Kunst, die mir verborgen geblieben ist...

Der Truck da unten war das grobe Ziel, allerdings war das mit dem Steuern eine Kunst, die mir verborgen geblieben ist...

... denn bei 70 Sachen auf nem Holzbrett und gelegentlichen, katapult-artigen Gesteinsbrocken ist das Lenken irgendwie fuer n Arsch

... denn bei 70 Sachen auf nem Holzbrett und gelegentlichen, katapult-artigen Gesteinsbrocken ist das Lenken irgendwie fuer n Arsch

© Marius Schebaum, 2010
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Mein Around-the-World-Ticket, mein Backpacker-Rucksack und Ich in einem Jahr einmal links rum um die Welt von Lateinamerika über Mittelamerika, USA, Fiji, Neuseeland, Australien und Indonesien bis nach China...
Details:
Aufbruch: 10.10.2010
Dauer: 12 Monate
Heimkehr: 10.10.2011
Reiseziele: Brasilien
Paraguay
Bolivien
Peru
Panama
Costa Rica
Nicaragua
Vereinigte Staaten
Fidschi
Neuseeland
Australien
Indonesien
Malaysia
Hongkong
China
Katar
Türkei
Deutschland
Der Autor
 
Marius Schebaum berichtet seit 14 Jahren auf umdiewelt.
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