Cuba und Suedamerika

Reisezeit: Juni 2008 - März 2009  |  von Olli Schäfer

Bolivien: Nationalstrasse N3 und Beni Nationalpark

Gleich hinter Rurrenabaque, etwa dort wo einige Bretterbuden und staubiger Grund eines Bushaltestelle vortaeuschen und zwei Cowgirls eine fragwuerdige Terminalgebuehr von zwei Bolivianos einkassieren, beginnt der wilde Osten: Endlose Rinderweiden, saeckeweise Cocablaetter, Cowboys auf Pferden, staubige Pisten bis zum Horizont, fette Krokodile und Dosenbier. Von jenem Pseudobusterminal aus nahm ich einen Minibus gen Osten. Die Fahrt endete planmaessig in San Borja, einem beruechtigten Drogen- und Schmugglernest, wo ein Terminal existierte, das diesen Namen verdiente, nur die dazugehoerigen Busse fehlten. Alles sehr tranquilo. Eine Frau versuchte mir mit grossem Eifer aber vergeblich, ein Busticket fuer den naechsten Morgen zu verkaufen. Ich wollte noch am gleichen Nachmittag weiter Richtung Osten. Waehrend ich also kein Busticket gekauft hatte, hatten zwei Bolivianer, die es ebenfalls ostwaerts draengte, die Zeit genutzt und herausgefunden, dass es am anderen Ende des Ortes einen LKW gaebe, der unmittelbar davor stand, in die gewuenschte Richtung loszufahren. Mittels Mopedtaxis erreichten wir jenen LKW, der gerade repariert wurde. Nach einer Stunde war das Gefaehrt soweit intakt, dass der Fahrer den Motor startete und nach weiteren zehn Minuten fuhr er los. Der LKW hatte bis auf etwa ein Drittel der Hoehe der Seitenwaende Kies geladen, worauf einige Faesser unbekannten Inhaltes lagerten und die zwei Bolivianer und ich standen. Die Aussicht war phantastisch, nur der chronisch aufwirbelnde Staub stoerte. Entlang der Nationalstrasse N3 befanden sich immer wieder kuenstlich angelegte Tuempel, die den Rindern als Traenke dienen sollten aber auch von der ueppigen Vogelwelt und einigen dicken Krokodilen, die am Ufer doesten, genutzt wurden.

nationalstrasse N3 aequivalent zur A3 in deutschland

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Kurz vor Einbruch der Dunkelheit erreichte ich mein Ziel El Porvenir, das Besucherzentrum des Reserva Biosferica de Beni (Nationalpark). Heruntergekommen und verwaist ruhte der Ort in der Daemmerung. Ich entdeckte einen Mann, der um die sanitaeren Anlagen herum fegte. Wie ich im Laufe meines Aufenthaltes beobachten konnte, tat er das taeglich und stundenlang. Die Gewissenhaftigkeit, mit der er diese Aufgabe verrichtete, beeindruckte. Mir gegenueber erklaerte er sich als nicht zustaendig und verwies auf einen José, der in einem nahegelegen Ort auf einer Fiesta und fuer die Anlage zustaendig sei.

Einen Kilometer entfernt waren zwei Haeuser an der Nationalstrasse N3 und dort bereitet man mir ein Abendessen zu. Auch Chicha wurde mir angeboten. Das ist in Bolivien wie ein Ueberraschungsei, nie weiss man, was drinne ist. Bisher hatte es immer geschmeckt. Auf einmal hatte ich einen unangenehmen Guellegeruch in der Nase. Kam dieser von den im Hof herumirrenden Rindern? Ich roch vorsichtig an meinem Glas. Guelle und als wenn jemand hineingebrochen haette. Die Bolivianer tranken ihr Chicha, ohne eine Miene zu verziehen. So folgte ich ihrem Beispiel. Es hat geschmeckt wie fluessige Kotze. Gerade als ich mich auf die Suche nach José machen wollte, kam jener auf einem Squad vorbei und nahm mich mit nach El Porvenir. Die Lage sei schwierig, wurde ich dort informiert. So kann man das beschoenigen: die Daecher sind undicht, Muell liegt herum, alles ist mehr oder weniger verdreckt, eine der Duschen diente als Stall fuer diverse Tiere, die dort ihr Geschaeft verrichtet hatten und aus den Haehnen floss eine dreckig gelbe Bruehe. Er ruettlete an mehreren Tueren der Unterkuenfte, alle waren verschlossen und die Schluessel dazu angeblich im naechsten Dorf. Was tun? Er bot mir eines der zwei freien Betten in seinem Zimmer an, legte ein sauber aussehendes Bettlaken auf die Matratze und verwies auf eine herumliegende Wolldecke. Das wars. Es mangelte an Bezuegen fuer Kopfkissen und Wolldecke. Vor dem Schlafengehen erfuhr ich noch, dass ein verheerendes Feuer eine Woche vor meiner Ankunft nicht nur grosse Teile des Parkes sondern auch zwei Huetten in El Porvenir zerstoert hatte.

Fuer den naechsten Tag vereinbarte ich um vier Uhr eine von José gefuehrte Tour zu einer nahe gelegenen Lagune im Park. Als er um fuenf Uhr noch nicht aufgetaucht war, lief ich zu den zwei Huetten an der Hauptstrasse, um auf eigene Faust den See aufzusuchen. Ein bisschen mulmig war mir schon, hatten mich doch gleich mehrere Bolivianer eindringlich vor den gefaehrlichen, bissigen und giftigen Vipern in dieser Gegend gewarnt. Wegbeschreibung im bolivianischen Outback: Dort an dem Gestruepp triffst du auf einen Stacheldraht, folge dem Stacheldraht in jener Richtung fuer 2.000 Meter, dann triffst du auf einen querlaufenden Stacheldraht, folge jenem nach links fuer 300 Meter bis zum See. Der Ausflug wurde zu einem unerwartet gefaehrlichen Unterfangen.

Den Stacheldraht fand ich muehelos und nach einigen Hundert Metern traf ich auf die ersten vereinzelten Rinder, die, obwohl ich noch weit entfernt war, panisch davonstoben. Ich schmunzelte ueber die gewaltigen Viecher mit ihren maechtigen Hoernern, die solch eine Angst vor mir hatten. Nicht lange. Auf einmal hatten sich ein Dutzend grosse Bullen zusammengerottet und liefen langsam auf mich zu. Noch waren sie weit weg. Was wuerde passieren? Noch ehe ich einen Notfallplan ausgeheckt hatte, rannten sie genauso davon wie zuvor auch. Nachdem ich laengst nach links abgebogen war und feststellen musste, das aus den angegebenen 300 Metern eher 1000 Meter wurden, entdeckte ich in etwa 200 Meter Entfernung die versammelten Herde von etwa 50 Rindern grasend. Als ich das naechste Mal aufblickte, rannte die komplette Herde in gestrecktem Galopp auf mich zu. In Panik kletterte ich ueber den neben mir befindlichen Stacheldraht, wobei ich mich mit meinem rechten Schuh in den Stacheln verhedderte und haengen blieb. Wer schon einmal in Panik im Stacheldraht feststeckte, weiss, wie unmoeglich es ist, daraus zu entkommen. Als ich aufblickte, verharrte die Herde in 50 Metern Entfernung und ich konnte meinen Fuss samt Schuh aus den Klauen befreien. Am See beobachtete ich in einer Stunde so viele Tiere wie nie zuvor, die Vielfalt der Voegel war immens und im Uferbereich tuemmelten sich einige seltene schwarze Kaimane, alles aus einer Handtaschenaufzuchtstation befreite Exemplare. Ausserdem sah ich eine Art Reh, zwei Capybaras und einen wenig scheuen und sehr neugierigen Otter. Kurz nach Einbruch der Dunkelheit hatte ich wieder sicheren Boden in Form der Nationalstrasse N3 unter meinen Fuessen.

capybaras

capybaras

neugieriger otter

neugieriger otter

© Olli Schäfer, 2008
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Die Reise
 
Worum geht's?:
on the road...
Details:
Aufbruch: 16.06.2008
Dauer: 9 Monate
Heimkehr: 24.03.2009
Reiseziele: Kuba
Peru
Bolivien
Chile
Argentinien
Uruguay
Der Autor
 
Olli Schäfer berichtet seit 16 Jahren auf umdiewelt.
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