Cuba und Suedamerika

Reisezeit: Juni 2008 - März 2009  |  von Olli Schäfer

Bolivien: San Javier, Concepcion, Santa Rosa de la Roca

Drei Regentage in Santa Cruz erweiterte ich um noch einen Regentag in San Javier. Dieses Dorf lag auf meinem Wqeg in den spektakulaeren aber extrem abgelegenen Nationalpark Noel Kempff Mercado. Ich wandelte fuer ein paar Tage auf den Spuren der Jesuiten die im 18. Jahrhundert bis in diese Gegend vorgestossen waren. Ein Schweizer Architekt hatte vor ein paar Jahrzehten das kulturelle Erbe der Jesuiten wiederentdeckt und die alten Kirchen mit bolivianischer Hilfe so originalgetreu wie moeglich restaurieren lassen. Concepcion ist das Zentrum der Restaurationstaetigkeit und dort traf ich Don Alberto, einen Deutschen der seit 46 Jahren in Bolivien lebt und die Schreinerwerkstatt mitaufgebaut hatte. Die deutsche Ordnung und Gruendlichkeit waren selbst nach so langer Zeit fern der Heimat unverkennbar. Ich war nicht nach Bolivien gekommen, um die Heimat wiederzuentdecken, so dass ich diesen Ort schnell verliess.

jesuitenkirche concepcion

jesuitenkirche concepcion

Ich strandete in Santa Rosa de Roca, welches eher einer Autobahnraststaette gleicht als einem Dorf. Es war schon dunkel und ich irrte auf der Suche nach einer Bleibe umher. Ein Alojamiento namens Barbara sollte es geben. Nur wo? Ich wurde immer weiter aus dem Dorf hinaus geschickt und als ich das letzte beleuchtete Haus erreicht hatte und erneut weiter geschickt wurde, protestierte ich. Da kann doch nichts mehr kommen. Der Mann zuckte mit den Schultern und schwieg. So lief ich weiter und nach zweihundert Metern entdeckte ich ein schwaches Licht. Unter einem Dach sassen drei Maenner, von denen einer Coca "kaute", um einen Tisch und spielten Karten. Das Alojamiento Barbara. In einer strohgedeckten Holzbaracke wurde mir in einer Kammer ein grob aus Holz gezimmertes Bett zugewiesen. Mehr brauchte ich nicht. Nachdem ich die Petroleum-Leuchte geloescht hatte, begann hektisches Geflatter. Eine Fledermaus ging in meiner Kammer auf Beutefang. Gehoert sie zu einer gefaehrdeten Art?

Von Santa Rosa aus wollte ich weiter gen Norden, in eine der abgelegensten Gegenden Boliviens, wo ein Urwalddorf namens Florida als Startpunkt in den noch abgelegeneren Nationalpark Noell Kempff Mercado dient. An Informationen, wie ich dorthin gelangen koennte, mangelte es nicht, jedoch waren diese widerspruechlich. Grosse Tieflader fuer den Holztransport ohne Ladung fuhren in meine Richtung. Der Fahrer war bereit mich mitzunehmen, konnte mich aber nur an einer Abzweigung 35 Kilometer von Florida entfernt absetzen. Da sollte es bessere Optionen geben. Ich hatte Infos ueber einen Bus, der einmal woechentlich von Santa Cruz aus kommend diese abegelegene Region ansteuert und dabei durch Santa Rosa fuhr. Zur exakten Busroute jenseits von Santa Rosa hatte ich widerspruechliche Angaben. Er sollte genau an jenem Tag verkehren, obwohl in Santa Rosa niemand davon wusste. Ich rief im Buero der Gesellschaft in Santa Cruz an und bekam die Bestaetigung, dass er um elf Uhr frueh jenes Tages in Santa Cruz abfahren und die Abzweigung bis nach Florida nehmen sollte. Perfekt. Nur ueber die vorraussichtliche Ankunftszeit in Santa Rosa wollte der Mann partout keine Auskunft geben. Er hatte seine Gruende, die er mir nicht nannte. Doña Barbara und die anderen Familienmitglieder kalkulierten, dass der Buss zwischen sieben und acht Uhr abends eintreffen muesse. Ich solle am Polizeiposten, einer Strassensperre warten. Der dort Dienst habende Polizist bestaetigte, dass, wenn jener Buss denn kaeme, dann immer zwischen sieben und acht.

waldwaldwald

waldwaldwald

Punkt sieben Uhr stand ich bei dem Polizisten auf der Matte und setzte mich auf eine kleine Holzbank vor seiner Huette. Etwa alle zehn Minuten stoppte ein Fahrzeug an der ueber die Strasse gespannten Leine und wirbelte einigen Staub auf. Ein Adjudant oder der Fahrer selbst, fast immer mit Cocablaetterhamsterbacke, kamen zu dem Polizisten, wurden von ihm in eine List eingetragen und manchmal hinterliessen sie ihm ein bisschen Bakschisch. Bald tauchten noch zwei Kontrolleure und einer, der Musse hatte, auf. Manchmal warfen die beiden ein Blick auf die Ladung von LKWs oder von Bussen, aber meist sassen sie herum und "kauten" Cocablaetter. Alle Drei hatten eine dicke Hamsterbacke von den Cocablaettern. Selbstverstaendlich habe ich auch das fuer Euch getestet. Dazu spaeter mehr.

Es wurde acht Uhr und neun Uhr. Es wurde zehn Uhr, ohne dass mein Bus auftaucht. Im Warten bin ich in Bolivien Profi geworden. Brav sass ich auf der Holzbank und ab und zu vertrat ich mir die Beine. Busse kamen und fuhren wieder, nur ich blieb zurueck. Es wurde elf Uhr und dann kam Mitternacht. Da nahm ich das Angebot der Kontrolleure an, mich auf einer Pritsche in ihrer Holzbaracke abzulegen. Mit einem Auge hatte ich die Tuer und die haltenden Fahrzeuge im Blick. Es wurde ein Uhr und ein Bus hielt. Meiner.

alojamiento barbara

alojamiento barbara

Leicht benommen stieg ich ein und musste feststellen, dass auf allen Sitzplaetzen jemand schlummerte. Mir blieb nur ein im Gang stehender weissser Farbeimer, mit dem ich mich die naechsten zehn Stunden anfreunden musste. Mit durchgestrecktem Ruecken schunkelte ich durch die Nacht, waehrend ein Bolivianer ohne Sitzplatz auf einer Holzkiste sass und sich an die zwischen Fahrerkabine und Passagierraum befindlich Tuer lehnen konnte. Gegen drei Uhr morgens stoppte der Bus in einem Dorf mitten auf der Gasse und ich hoerte den Fahrer sagen: "Voy a dormir" (Ich gehe jetzt schlafen). Er schaltete den Motor aus und alle Lichter erloschen. Dunkelheit. Stille. Ich lauschte den Schlafgeraeuschen der Passagiere. Was tun auf meinem Farbeimer? Der Bolivianer auf der Holzkiste blockierte schlafenderweise die Tuer und damit den Ausgang. Die Zeit verstrich oder auch nicht. Um Fuenf Uhr frueh wurden einige Passagiere unruhig, der Mann auf der Holzkiste wurde geweckt und ich nutzte ebenfalls die Gelegenheit, um aus dem Bus herauszukommen. Das rief die Dorfhunde auf den Plan und sie starteten ein Bellduell. Endlich Action. In der Morgendaemmerung konnte ich den Busfahrer lokalisieren. Er lag in eine Decke gehuellt auf einer Holzbank unter einem Vordach. Im rechten Licht betrachtet ist der Bus in desolater Verfassung. Ich vermute, dass er auf einem Schrottplatz als Ersatzteillager gedient hatte, ehe er reaktiviert wurde. Die vordere und hintere Stossstange fehlen, der Kuehlergrill und ein Kotfluegel ebenfalls, einige Fensterscheiben sind durch Jutesaecke ersetzt worden, an der Innenverkleidung und der Gepaeckablage mangelt es und die Rueckwand des Busses besteht lediglich aus der Aussenverkleidung und ein paar Verstrebungen. Der Motor funktioniert tiptop und ueber die Bremsen moechte ich nicht nachdenken.

Der Busfahrer erwischte mich beim Fotografieren seines Gefaehrtes. Was das den soll, raunzte er mich an. So verzichtete ich auf weitere Fotos. Der Busfahrer und seine Crew fruehstueckten Malzbier und Corned Beef aus Dosen sowie die in Bolivien typischen kleinen Fladenbrote. Nachdem ich auch ein Malzbier fruehstueckte, dem Busfahrer damit zuprostete und er mich mehrfach "Miiiiiister" gerufen hat, ist die Welt wieder in Ordnung. Irgendwann gegen halb Sieben setzt der Bus die Fahrt fort. Links und rechts der einspurigen Staubpiste ist noch viel Wald vorhanden.

Um elf Uhr machen wir Pause an einem Restaurant, dort endet die Fahrt fuer mich. Der Bus nimmt nicht die Abzweigung nach Florida, trotz vielfacher Versprechungen zuvor, sondern faehrt auf der Hauptpiste weiter. 35 Kilometer von meinem Ziel entfernt bin ich vorerst gestrandet. Waehrend alle anderen Fahrgaeste weiterfahren, bleibe ich in dem Restaurant zurueck. Don Bernardo, der aussieht wie ein Texas-Ranger, erzaehlt Seeraeubergeschichten von der Grosswildjagd und eine wuchtige Matrone, die in der Kueche herumschwirrt, bietet an, mich fuer 150 Bolivianos in ihrem Gelaendewagen nach Florida zu bringen. Noch waehrend ich ueber das Angebot nachdenke, redet es ihr Don Bernardo aus: ob sie die Strecke kenne, der Weg sei stark zugewachsen, da hole sie sich unter Garantie einen Plattfuss und was sie dann zu tun gedenke. So blieb mir nur ein Motoradfahrer, der seine Dienste fuer 180 Bolivianos anbot. Die Strecke war in der Tat etwas zugewachsen und wir mussten einige Male absteigen, um das Motorrad ueber querliegende Baeume zu hieven. Florida war ein kleines Urwalddorf am Ufer des Rio Paraguá und am Rande des Noel Kempff Mercado Nationalparkes.

rumpelbus von schokoladenseite

rumpelbus von schokoladenseite

© Olli Schäfer, 2008
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Die Reise
 
Worum geht's?:
on the road...
Details:
Aufbruch: 16.06.2008
Dauer: 9 Monate
Heimkehr: 24.03.2009
Reiseziele: Kuba
Peru
Bolivien
Chile
Argentinien
Uruguay
Der Autor
 
Olli Schäfer berichtet seit 16 Jahren auf umdiewelt.
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