Cuba und Suedamerika

Reisezeit: Juni 2008 - März 2009  |  von Olli Schäfer

Bolivien: Florida, San Ignacio, San José de Chiquitos

Florida war wie eine Frischzellenkur nach all den Strapazen aber auch ein Zwangsurlaub, denn wieder einmal mangelte es an der movilidad. Ich wusch mit den Frauen Waesche im Fluss. Also das heisst, sie haben ihre dreckige Waesche und die ihrer Familien gewaschen und ich meine. Ich lag in der Haengematte, spazierte umher und spielte mit den Kindern im Fluss. Das Ufer war seicht, brackig und bruehwarm, so dass ich im Gegensatz zu allen anderen zur angenehm frischen Flussmitte hinausschwammm. Da wusste ich noch nicht, dass dem erwachsenen Sohn der Familie, bei der ich uebernachtete, einige Tage zuvor ein Piranha ein Stueck vom grossen Zeh abgebissen hatte. Mahlzeit.

Am dritten Tag fand ich endlich ein Fahrzeug, dass mich soweit mitnehmen wollte, dass ich Anschluss an den regulaeren oeffentlichen Verkehr hatte. Der Preis war hoch und wie die Familie mir versicherte, kostete es fuer Einheimische ebenso viel. Wie so oft, herrschte ueber das genaue Fahrtziel Unklarheit. Die Gegend war ein weisser Fleck in meinem Reisefuehrer. Keiner der Orte war in meiner grossen Bolivienkarte verzeichnet und die dort verzeichneten Orte waren den in jener Gegend Lebenden unbekannt. Meine schoene Touristenkarte verunsicherte den Fahrer nicht wenig. Moises war nach eigener Aussage 20 Jahre alt, fuhr einen hochmotorisierten Gelaendewagen und war mit seinem neben ihm sitzenden Bruder im grossen Stil im Holzfaellgeschaeft taetig. Beide besondere Spezies des Camba (Flachlandbolivianer): ein bisschen rassistisch, feudal, sehr weiss und chauvinistisch (Auf ihrem Handy hatten sie ein Video, das in Versteckter Kamera Manier gedreht worden war. Frauen wurde auf offener Strasse in Santa Cruz von einem vermummten Taeter der Rock hochgehoben und der Slip heruntergezogen, so dass der blanke Po zu sehen war).

alojamiento plus kalb in florida

alojamiento plus kalb in florida

Moises heizte bedenklich auf der schmalen Staubpiste. Ich wurde in San Matias, einem von Florida 110 Kilometer entfernten Ort, abgesetzt. Dort hatte ich gerade geklaert, dass am naechsten Morgen ein Bus nach San Ignacio verkehren sollte, eine Frau gefunden, die mir fuer eine Nacht eine Matratze offerierte und war von drei lustigen Bolivianern mit Sinn fuer Ironie zu einem Bier eingeladen worden, da tauchte Moises wieder auf. Er fuehre weiter nach San Ignacio, ob ich nicht mit wolle. Er muesse nur noch kurz zurueck, um etwas abzugeben (im gleichen Ort, wie ich vermutete). Mobilitaet sollte man in Bolivien immer nutzen, diesmal war es ein Fehler. Wie ich sogleich erfuhr, hatte Moises Angst um mein Seelenheil. Mit diesen Bolivianern Bier zu trinken, dass sei gefaehrlich. Dabei waren sie nett und spassig gewesen. Wir fuhren im Ort herum und ploetzlich befanden wir uns wieder auf der Hauptpiste zurueck Richtung Florida. Beunruhigt fragte ich nach und bekam zur Antwort, dass wir nach La Mecha fuehren. 55 Kilometer die gleiche Strecke zurueck. Wollten sie mich verarschen? Was fuer eine sinnlose Aktion.

Das Auto war zusaetzlich mit schweren Reissaecken beladen und der Junge fuhr immer schneller. Eine kurze Unaufmerksamkeit von Moises und es passierte, was passieren musste. Der Gelaendewagen kam einseitig von der Piste ab, stellte sich diagonal, ueberschlug sich fast, steuerte direkt auf den Wald zu, ehe Moises ihn mit einer sensationellen Reaktion wieder unter Kontrolle brachte. Das war knapp. Nur kurzzeitig fuhr er etwas langsamer. Wir steuerten ein Saegewerk an, das den beiden gehoerte und das sie managten. Diskussionen mit dem doppelt so alten Vorarbeiter. 20 Liter Diesel fehlten. Moises Bruder musste zureuckbleiben. Auch die anderen Passagiere stiegen aus und die Reissaecke wurden auf einen Truck verfrachtet. Nur mit mir und Moises ging es wieder zurueck die 55 Kilometer Richtung San Matias. Zum dritten Mal dieselbe Strecke. Kurz vor Einbruch der Dunkelheit stoppten wir an einem Polizeiposten ohne Polizisten; eine Leine war ueber die Strasse gespannt. Einem aus der Gegenrichtung kommenden Gelaendewagen entsprangen drei Jungs, alles Cousins von Moises, die auch im Holzfaellgeschaeft arbeiteten. Das Wiedersehen wurde sogleich mit einigen Bieren begossen. Dann tauchte eine Whiskey Flasche auf. Was sollte ich tun so mitten in der Pampa? Ausser der Polizeibaracke und einem Kiosk, das Bier verkaufte, gab es nichts.

Da loeste sich die Runde auf. War Moises noch fahrtuechtig? Angesichts der Umstaende, schlug ich ihm vor, langsamer zu fahren. Wir hatten ja keine Eile. Das Wunder geschah und Moises fuhr viel lamgsamer, fast zeitlupenhaft. Welch erstaunliche Wandlung dank Alkohol. Moises packte eine Tuete mit Cocablaettern aus und bot auch mir davon an. Es war der Zeitpunkt gekommen, dies zu testen. Damit kann ich den groessten Irrtum uebers Coca "kauen" aufklaeren. Die Cocablaetter werden nicht gekaut. Man positioniert zwischen 20 und 40 Blaetter im Mund zwischen den Zaehnen und der Backe (Es entsteht eine Hamsterbacke. Blaetter immer nur einseitig. Diese laesst man etwa eine halbe Stunde gut mit Speichel durchfeuchten, wobei man die Blaetter ab und zu umwaelzt. Dann fuegt man ein weisses Pulver (nicht das, was Ihr denkt, sondern Pottasche) hinzu. Dieses ist entweder gezuckert oder gesalzen und dient dazu, die Alkaloide aus den Blaettern zu loesen. Es entsteht ein bitterer Saft, der den Mund leicht betaeubt aehnlich wie Bluetenpfeffer und den man hinunterschluckt. Die Blaetter werden weiterhin umgewaelzt und ab und zu wird das weisse Pulver hinzugefuegt. Die Wirkung bei mir war gering bis nicht vorhanden. Ich sah auf einmal Lichter in der Nacht (ein Dorf oder waren es Gluehwuermchen), aber wir kamen nie in dem Dorf an. Nach Ewigkeiten erreichten wir es doch. Ausserdem begann mir die Fahrt durch die Nacht zu gefallen. Lags an den Cocablattern? Moises meinte, dass das keine guten Cocablaetter waren.

holzsaeule in san ignacio

holzsaeule in san ignacio

Um zehn Uhr nachts erreichten wir San Ignacio, wo sich unsere Wege trennten. Ich war wieder in der Zivilisation und in einem Jesuitendorf. Mehr Zivilisation geht in Bolivien nicht. Der modernste, westlichste und sauberste Ort. Die Naehe zur brasilianische Grenze war zu spueren. San José de Chiquitos war der letzte Ort auf meiner Jesuitenrunde. Dort traf ich zwar keine Jesuiten aber dafuer jede Menge Menonniten, Mitglieder einer christlichen Sekte und vor langer, langer Zeit nach Bolivien ausgewandert. Offiziel sprechen sie Plattdeutsch, aber ich habe kein Wort verstanden. Die Maenner tragen alle blaue Latzhosen und Holzfaellerhemden und sehen etwa so aus wie bei uns vor sechzig Jahren. Die Frauen dagegen tragen altmodische Kleider und Kopftuecher und sehen aus wie bei uns Anfang des 20. Jahrhunderts. Gemeinsam sind sie trotz der tropischen Sonne sehr bleich und haben viele, viele Kinder, etwa 12-18 pro Familie. Ein bizarrer Anblick so mitten in Bolivien.

patio in san josé de chiquitos

patio in san josé de chiquitos

kirchturm in san josé de chiquitos

kirchturm in san josé de chiquitos

© Olli Schäfer, 2008
Du bist hier : Startseite Amerika Bolivien Florida, San Ignacio, San José de Chiquitos
Die Reise
 
Worum geht's?:
on the road...
Details:
Aufbruch: 16.06.2008
Dauer: 9 Monate
Heimkehr: 24.03.2009
Reiseziele: Kuba
Peru
Bolivien
Chile
Argentinien
Uruguay
Der Autor
 
Olli Schäfer berichtet seit 16 Jahren auf umdiewelt.
Bild des Autors