Cuba und Suedamerika

Reisezeit: Juni 2008 - März 2009  |  von Olli Schäfer

Bolivien: Vallegrande und Villa Serrano

Am zweiten Tag in Vallegrande besuchten wir das Che-Mausoleum und die ehemalige Waescherei des Krankenhauses, wo er aufgebahrt worden war. Bemerkenswert war die Raumaufteilung des Fahrzeugs, dass uns zu diesen Staetten brachte. Der Fahrer sass links, wie sich das gehoert, und dort waren auch das Lenkrad und die Pedale. Der Tacho und die restlichen Armaturen gehoerten dem Beifahrer. Dieser hatte immer die aktuelle Drehzahl im Blick.

Unsere Wege trennten sich noch am gleichen Tag, Theres fuhr zurueck Richtung Cochabamba und ich wollte ueber die Berge nach Sucre. Dazu hatte ich ein Busticket nach Villa Serrano erworben. Der Bus sollte gegen drei Uhr nachmittags durchfahren, die Fahrtdauer wurde mir mit sechs Stunden angegeben. Der Chef persoenlich begleitete die handvoll Passagiere zu einer Verkehrsinsel und wartete mit uns auf den Bus. Das war mir schon verdaechtig.

graffiti in der ehemaligen waescherei des krankenhauses, wo Che aufgebahrt war

graffiti in der ehemaligen waescherei des krankenhauses, wo Che aufgebahrt war

Che-mausoleum

Che-mausoleum

Der Bus kam puenktlich um drei Uhr, hielt und der Chef sprach mit dem Chauffeur. Dann fuhr der Bus weiter, ohne jemand mitzunehmen. Der Chef beschwichtigte, der Bus sei voll gewesen und es kaeme noch ein Zweiter. Warten. Der zweite Bus war ein LKW und kam so gegen halb fuenf. Die Ladeflaeche war vollkommen belagert, Saecke, Fahrraeder, Taschen, ein Metallregal und Koerper lagen kreuz und quer. Fuer die Zusteigenden blieben nur zwei Bretter, die von Spriegel zu Spriegel spannten und von denen die Beine in der Luft baumelten.

Nach einer halben Stunden begann es zu regnen, der LKW hielt und unter dem Protest einiger wurde eine grosse Plane uebergeworfen. Darunter wurde es sehr stickig und von der phantastischen Landschaft war nichts mehr zu sehen. Nach einer Weile luefteten wir die Plane im vorderen Bereich, wo wir auf den Brettern sassen. Der kalte Wind fuhr uns um die Ohren und es wurde Nacht. Dann ging es stundenlang bergab. Zwischendurch blinkten die Gluehwuermchen weihnachtlich an den Berghaengen. Was fuer ein Naturschauspiel. Mitten in der pechschwarzen Nacht stoppte der LKW, eine Familie stieg aus, Taschenlampen leuchteten umher, vier Haeuser, die ein Dorf vortaeuschten, waren zu erkennen. Eine Frau stand an der Strasse, sie erwartete eine Sendung mit zwei Saecken Reis, die unter dem Codenamen "Oro" (Gold) verschickt worden waren. Ausserdem sollten die Saecke gruen sein. Eine epische Suche begann. Die Strahlen der Taschenlampen fuchtelten umher, die kreuz und quer liegenden Passagiere wurden geweckt, um die unter ihnen liegendene Fracht zu inspizieren. Nach zehn Minuten wurde ein gruener Sack, der kurz vor dem Entladen stand, endgueltig auf den LKW zurueckgeschoben. Der Verdacht, dass er unter dem Codenamen "Oro" reiste, war nicht hinreichend. Weitere zehn Minuten spaeter wurde geanu jener Sack vom LKW entladen, obgleich Zweifel an dessen Identitaet nicht ausgeraeumt werden konnten. Nochmals zehn Minuten spaeter, wurde ein weiterer gruener Sack, der Reis enthielt und dem ersten glich, entladen. Die endgueltige Identifizierung der unter dem Codenamen "Oro" reisenden Fracht, war nicht gelungen, aber man war mehrheitlich der Ansicht, dass der LKW ausreichend auf den Kopf gestellt worden war und dass es dunkel und spaet genug war.

So ging es weiter bergab und es wurde immer waermer, bis es eine tropisch schwuele Nacht war. Wir querten den Rio Grande auf einer grossen Haengebruecke und ab diesem Zeitpunkt ging es wieder bergauf. Erneut stundenlang. Weder passierten wir Doerfer noch erhellten irgendwelche Lichter die Nacht, nur die Sterne funkelten am pechschwarzen Himmel. Und ich sass auf dem Holzbrett und liess die Beine baumeln. Spaeter wurde es so kalt, dass wir freiwillig die Plane ueber die Koepfe zogen. Um 2:30 in der Fruehe erreichten wir Villa Serrano, wo alles tief und fest schlummerte. Ich fragte den Fahrer nach Herbergen. Ja, es gaebe drei oder vier. Ob diese denn zu so naechtlicher Stunde aufmachen wuerden? Klar, doch, war seine Antwort und er begleitete mich zu einem in der Naehe befindlichen alojamiento und drueckte die Klingel. Diese war nicht zu hoeren und auch sonst tat sich nichts. Am anderen Ende der Plaza gaebe es noch drei Herbergen meinte der Chauffeur und ueberliess mich meinem Schicksal. Die Klingeln blieben stumm und auch auf mein Klopfen regte sich nichts. Was tun? In einer Seitengasse entdeckte ich ein weiteres alojamiento, das so heruntergekommen war (ueber der Tuer war unter anderem eine Glasscheibe herausgebrochen), dass ich zoegerte zu klingeln. Ich hoerte ein lautes Bimmeln und danach nichts als Stille. Als ich schon 80 Meter weitergegangen war, hoerte ich jemand rufen. Eine Frau stand vor der Tuer jenes alojamientos und winkte mich zu sich. Langsam lief ich zurueck. Sie trug einen zerknitterten Morgenmantel und hatte ein genauso zerknittertes Gesicht. Als ich ihr gegenueberstand erklaerte sie lapidar: tut mir leid, wir sind voll. Spaessle gemacht. Sie fuegte hinzu, weiter die Strasse hinunter sei noch ein Hotel. Diese hatte drei selbstverliehene Sterne auf dem Schild und um drei Uhr morgens bekam ich noch ein Zimmer fuer drei Stunden Schlaf, denn um sieben Uhr sollte mein Bus nach Sucre abfahren.

villa serrano, links der "bus" mit der blauen plane und dem schrank an der rueckwand, das war meiner

villa serrano, links der "bus" mit der blauen plane und dem schrank an der rueckwand, das war meiner

© Olli Schäfer, 2008
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Die Reise
 
Worum geht's?:
on the road...
Details:
Aufbruch: 16.06.2008
Dauer: 9 Monate
Heimkehr: 24.03.2009
Reiseziele: Kuba
Peru
Bolivien
Chile
Argentinien
Uruguay
Der Autor
 
Olli Schäfer berichtet seit 16 Jahren auf umdiewelt.
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