Brasilien - Von Sao Luis nach Sao Paulo

Reisezeit: August - Oktober 2005  |  von Roland E.

Porto Galinha

ch verlasse Ponte Negra und gehe ins Zentrum Antriebslos gehe ich zum Busbahnhof um nach Recife weiterzureisen. Dann fällt es mir wie Schuppen von den Augen: Wasser! Ich habe kaum Wasser getrunken! Bin ja völlig ausgetrocknet! So buche ich einen Nachtbus und leere in rund 4 Stunden 5 Liter Wasser in mich rein. Vorzugsweise bleibe ich gleich auf der Toilette. Und tatsächlich! Meine Laune bessert sich stündlich! Und bald lache ich wieder und bin glücklich.

In Recife angekommen, begebe ich mich mit der Metro ins
Zentrum und steige dort in einen Bus nach Porto Galinhas. Ich will in die Pousada Benedita, weil diese im Bereich meines Budget liegt. Ich stürme förmlich hinein, handle den Preis von 35 R. auf 30 runter und beziehe mein Zimmer. Taucherbrille auf den Kopf - ihm Reiseführer steht, dass hier einem die Fische um die Füsse schwimmen - und ab ins Wasser. Erst jetzt stelle ich fest, dass die Pousada eine Baustelle ist, vor dem Eingang steht ein Schild: "se vende". Ich suche nach Fischen und sehe einfach keinen, dann endlich mein erster Fisch. Ganz klein und nicht besonders schön. Doch sonst sehe ich keinen, es ist sehr schwer zu schnorcheln, weil die Strömung sehr stark ist und mich dauernd auf die flachen Felsen treibt.
Am Nachmittag werde ich von einem Guide aufgeklärt, dass nur bei Ebbe schnorcheln möglich ist und er zeigt mir eine Pousada, die nur 20 R. kostet. Ich habe aber schon für 2 Nächte in der Benedita bezahlt, bin aber fest entschlossen, die Dritte in dieser Pousada zu verbringen.
Porto Galinha ist mir nicht unsymphatisch und man kann hier günstig leben. DEr Strand ist hübsch, idyllisch. Am Abend sitze ich in ein Strassencafe und lese ein Buch. Die Kellnerin ist äusserst hübsch, aber distanziert oder wohl eher schüchtern, und das Buch spannend (ich liebe die blumige Spradche des P. Scholl-Latour) und so trinke ich ein Bier nach dem anderen. Sturzbetrunken will ich bezahlen, doch die Kellnerin lässt mich nicht gehen, ohne mich auszufragen und mir tief in die Augen zu schauen. So schmeckt mir das Bier am besten! Ich gehe Richtung Strand, entdecke eine Bar und hänge mich natürlich rein. Marisa arbeitet hinter der Theke, vor der Theke stehen Rosaia und Bartholomeu. Sie sind sehr nett und verwickeln mich in ein Gespräch. In meiner Trunkenheit überschütte ich Rosaia mit Komplimenten und hänge dauernd an ihr rum. Sie gibt mir jeweils sehr charmant einen Korb. Irgendwann gehen alle, inklusive mir und ich schäme mich etwas über mein Benehmen. Zudem ärgere ich mich: Obwohl dieser Ort sicher scheint: sturzbetrunken zu sein ist immer auch ein Sicherheitsrisiko!

Am nächsten Tag bin ich wieder zu spät um zu schnorcheln. Etwa 50 Meter vom Strand weg sehe ich Jangadas (Schiffe), die an einem Riff ankern. Ich schwimme hinaus und entdecke einen Naturpool. Hier sind die Fische eingeschlossen bis die Flut kommt. Aber die Strömung ist bereits zu stark, ich werde immer wieder gegen die Felsen getrieben, was mitunter schmerzhaft sein kann. Eine Jangada kippt! Ich sehe das Ruder an mir vorbeitreiben, hechte ihm nach und schwimme Richtung dem mittlerweile wieder aufgestellten Boot. Ich fühle mich als Held, aber finde wenig Beachtung. Der Bootsmann nimmt wortlos das Ruder entgegen. Kein Geklatsche, kein Lobgesang. Naja, so toll war meine Leistung auch nicht Smile
Am Abend treffe ich Luciano Schneider. Er kommt aus Pomerode weit im Süden Brasiliens, ist deutscher Herkunft, spricht aber nur portugiesisch und ein bisschen Englisch. Er ist mir auf Anhieb symphatisch. Er absolviert gerade die Hotelfachschule und absolviert hier ein Praktikum. Ich hole die Digitalkamera und wir schiessen ein paar Fotos. Beim Abschied verabreden wir uns für Freitag. Er will mir die Gegend zeigen. Ich soll ihn nach 9 Uhr anrufen und ich lege die Telefonnummer ins Etui der Digicam. Es regnet kräftig und nachdem ich die Digicam in der Pousada deponiert habe, gehe ich noch zu Marisa und Rosaia. Marisa gesteht mir, dass sie erst 16 Jahre alt ist. Sie findet das Alter schrecklich, denn noch kann sie in keine Diskothek und kann keinen Alkohol kaufen. Das hindert sie nicht daran, in ihrer eigenen Bar ab und zu ein Bierchen zu konsumieren. Rosaia ist 18 und hat bereits ein Kind. Ganz normal im Nordosten. Marisa sagt mir, dass ich Rosaia sehr gefalle, aber ich komme mit ihr nicht ins Gespräch. Ich stufe sie als zickig ein.

Ich packe meine Sachen und ziehe in die Albergue dos Navigantes um. Sie ist gleich um die Ecke. Sie gehört einer Familie, doch ich entdecke nur Frauen. Ich schätze alle noch als recht jung ein, trotzdem leben hier drei Generationen. Die jüngeren Frauen sind recht schüchtern. Die Älteste, ich schätze sie auf 45 Jahre und ist wahrscheinlich die Grossmutter (man hat mir zwar erklärt, wer wer ist, aber es war mir doch etwas zu kompliziert) ist eine unglaublich herzliche Persönlichkeit. Ganz generell ist es eine wunderbare Herberge und ich bezahle für ein grosszügiges Zimmer mit Bad nur 20 R.. Ich deponiere meine Sachen und - o schreck - wo ist meine Kamera? Ich bin mir sicher, dass ich sie nicht eingepackt habe und im Gepäck ist sie denn auch nicht. Auch habe ich das Zimmer in der Pousada Benedita ganz genau abgecheckt und dort war sie auch nicht. Sie muss gestohlen worden sein! Da fällt mir der Typ vom Zimmer 6 wieder ein. Dauernd war seine Türe offen und manchmal stand er auf dem Balkon und beobachtete die Strasse. Ich renne zur Benedita zurück, suche den Chef und rede vor lauter Nervosität wirres Zeug. Er kann mich unmöglich verstanden haben, weiss aber genau, was ich will und was ich suche! Doch was soll ich tun? Die Kamera ist weg und ich sage ihm zum Abschied, dass es hier Diebe hat. Ich bin traurig. Ich hatte mich so an meine Kamera gewöhnt. Jeweils Abends klickte ich nochmals die Bilder und Videofilme durch und liess mir die Reise nochmals durch den Kopf gehen. Ich gehe schnorcheln und es ist herrlich. Ich sehe Fische in allen möglichen Farben. Ein Traum. Aber hier kann ich nicht mehr lachen. Ich möchte fort von hier, doch muss ich noch eine Nacht bleiben: Ich hatte vorausbezahlt.

Am Abend setz ich mich zu Marisa und Rosaia. Aber ich sage kaum ein Wort und Rosaia erbost. Sie schimpft bei Marisa über mich, weil ich nicht mit ihr rede und tappt wutentbrannt davon. Heute ist definitiv nicht mein Tag. Ich treffe einen Professor der Politikwissenschaft der Universität Recife. Ein wahnsinnig arroganter Pfau und Englisch kann er auch nicht. Eine Diskussion über Politik ist nicht möglich. Er hört gar nicht hin und antwortet jeweils: "Nein, hier ist es am Schönsten!" Schlussendlich landet seine Zigarette an meiner Lippe und sengt sie an. Natürlich geschah es nicht mit Absicht, aber es passt zum Tag. Auf dem Nachhauseweg rutsche ich noch in einer undefinierbaren Schlammpfütze aus. Der Dreck klebt und ich bringe ihn kaum weg. Ich wasche meine Schuhe im Meer und kehre in die Albergue zurück. Doch es kommt wie es kommen musste: Die Tür ist zu! Mein Klopfen und Hämmern hört niemand. Traurig lege ich mich in eine dunkle Ecke, damit ich nicht gleich als potentielles Diebstahlopfer auffalle und versuche zu schlafen. Dann die Rettung. 10 Minuten später höre ich ein Fensterlein aufgehen. Juliana, die Nachtwache, entschuldigt sich tausendmal, sie sei eingeschlafen, doch ich bin nur froh, dass der Tag doch noch ein kleines Happy End nimmt.

Am letztenn Tag hänge ich noch etwas am Strand rum. Der Besitzer der Barracha (Strandbar mit Liegestühlen) ist besonders nervig. Normalerweise lassen die Kellner einem in Ruhe, bis man etwas bestellen will. Doch dieses Exemplar nicht! Zuerst bringt er mir die Speisekarte, dann eine in Englisch und alle 20 Minuten fragt er mich, was ich essen will. Dann zeigt er mir die Fische, und ich soll mich für einen entscheiden, aber ich will nicht und bestelle lediglich ein Bier. Als ich bezahlen will fordert noch 3 Real für die Miete des Liegestuhls. Hierbei muss ich noch anmerken, dass ich am Vortag in der Strandbar gleich daneben keine Miete bezahlte und dies in ganz Brasilien noch nie tat! Doch heute traf er auf den Falschen. Immer noch geladen vom Verlust der Digicam protestiere ich heftig. In ganz Brasilien bezahle ich keine Gebühr ausser bei Dir. Ausser bei Dir! Halsabschneider, Geldsauger, Abzocker, etc. und ich bin selber erstaunt, wie gut ich in portugiesisch fluchen kann. Er steht nur da und fordert den Betrag. Das Rückgeld reisse ich ihm aus der Hand um meinem Protest Nachdruck zu verleihen. Doch gross zu beeindrucken scheine ich ihn nicht.
Am Nachmittag 'muss' ich mich noch zu drei Frauen setzen, denn eine von ihnen, Keo, hats wohl auf mich abgesehen und weicht nicht mehr von meiner Seite. Immer wieder staunt sie über meine blonden Haare. Ich mag sie und ihre Art, aber bringe kaum ein Wort heraus. Zuviele negative Ereignisse assoziere ich mit Porto Galinhas. Sie will unbedingt, dass ich am Abend in die Disco komme. Ich muss sie enttäuschen, weil ich nur noch weg will und hier keine Freude mehr empfinden will. Es tut mir sehr Leid, ich enttäusche nicht gerne herzliche Menschen, die es nur gut mit mir meinen. Ich gehe früh schlafen und überlege, ob ich nach Recife oder Olinda soll und habe ein schlechtes Gewissen..

© Roland E., 2006
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Leider ohne Fotos - Ich 'verlor' meine Digicam...:(
Details:
Aufbruch: August 2005
Dauer: circa 9 Wochen
Heimkehr: Oktober 2005
Reiseziele: Brasilien
Der Autor
 
Roland E. berichtet seit 18 Jahren auf umdiewelt.