Brasilien - Von Sao Luis nach Sao Paulo

Reisezeit: August - Oktober 2005  |  von Roland E.

Chachoeira

Das wunderbare an den Brasilianern ist, dass man teilt. Als ich mich zum Beispiel in Porto Galinhas zu Keo und ihre Freundinnen setzte, wurde sofort ein Teller und ein Glas organisiert und ich wurde zum 'mitessen' und 'mittrinken' eingeladen. Es gäbe dutzende andere Beispiele. Wer in einem Restaurant bestellt, erhält mitunter riesige Portionen! Es scheint, dass hier die Mahlzeiten für 2 oder mehr Personen gerechnet werden. Meistens sind sie alles andere als eintönig. Zu einem klassichen gegrillten Hühnchen gibt es meist Reis und Pasta, Salat und manchmal Kartoffelstock. Dazu noch unzählige kleine Schüsseln mit eher exotischen Dingern drin. Darunter könnten Bohnen und Linsen sein. Ich kenn mich da nicht so aus. Das eigenartigste finde ich jedoch so ein gelbes Mehl, mit welchem die Brasilianer ihr Fleischstück 'panieren'. Ich kann an diesem Mehl nichts gutes finden. Luciano hatte mir erklärt, dass dieses Mehl die Fettstreifen geniessbar macht.
Und was mir ebenfalls aufgefallen ist, dass die Brasilianer oft nicht alles essen und sich den Rest einpacken lassen und mit nach Hause nehmen.
Ich verlasse bereits wieder Olinda. Am meisten liebe ich am Reisen das Unterwegssein. Einfach nur die Landschaft an einem vorbeiziehen zu lassen. Orte, und mögen sie noch so schön sein, können mich meist nicht lange aufhalten. In mir verspüre ich einen Drang, immer weiter zu ziehen. Ich möchte Richtung Süden. Doch die Busse nach Maceio und Salvador sind ausgebucht. Ich kann das kaum glauben. So fahre ich nach Feira de Santana und gehe von dort aus nach Salvador, da ich weiss, dass gleich neben dem Busbahnhof ein Shoppingcenter ist, wo ich Geldwechseln, surfen und Kleider kaufen kann. Ich plane nicht in Salvador zu übernachten, ich kenne diese tolle Stadt, sondern will gleich weiter nach Morro de Sao Paulo, einer wunderbaren Insel zum schnorcheln. Nachdem ich alle diese 'Pflichten' erledigt hatte, will ich aufbrechen, doch vom Busbahnhof in Salvador gibt es keine direkte Verbindung zur Hafenstadt Valenca, von wo aus die Schiffe nach Morro fahren. Ich müsste mühselig durch die ganze Stadt zum Hafen, dort eine Fähre nehmen und auf der anderen Seite sollen angeblich die Busse warten. Ich schaue zum Himmel: Das Wetter ist eine Katastrophe. So entscheide ich mich in das kleine Städtchen Chachoeira zu gehen und mich nach den Wetterprognosen zu erkundigen.

Hier im Bundesstaat Bahia sehen die Menschen nochmals anderst aus. SIe erinnern viel mehr an Afrika. Die Gegend ist von grünen, saftigen Hügel durchzogen, viele Leute haben kleine Hütten mit Kleintierhaltung. Die Menschen erinnern mehr an die Karibik. Palmen säumen den Weg. Nur die Sonne fehlt.
Chachoeria ist ein kleines, sehr schön restauriertes Kolonialstädtchen an einem Fluss. Ich beziehe Quartier in der Pousada do Guerrero. Für 25 Real bekomme ich ein schönes Zimmer in diesem alten Kolonialhaus mit Veranda. Die Putzfrau kümmert sich sofort um mich und macht einen Superservice.
Dann sehe ich einen Güterzug über die Eisenbahnbrücke schleichen und will mir das genauer ansehen. Die Brücke ist alt, rund 200 Meter lang. Seitlich können Fussgänger die Brücke überqueren. Es ist aber ein ziemliches Abenteuer. Nägel fehlen, morsche Holzlatten, notdürftige Reparaturen. Unter meinen Füssen wippen die Bretter auf und ab. Auf der anderen Seite ist das Dörchen Sao Felix. Hier gibt es nichts zu tun und ich kehre über die Brücke nach Chachoeira zurück. Ich gehe gegenüber des alten Bahnhofs ein Bier trinken und bestaune diese idiotische Eisenbahnkonstruktion. Der Güterzug kommt über die Brücke, aber der Winkel ist zu eng, als dass er direkt durch das Bahnhofsgebäude fahren könnte. So fährt er ins Städtchen rein. Dann geht es wieder in die andere Richtung über eine Weiche durch den Bahnhof. Somit braucht der Zug hinten und vorne eine Lokomotive und seine Länge ist begrenzt.
Am Abend schlendere ich durch das Zentrum und geniesse die Ruhe. Es hat viele Restaurants und Strassenkneipen, aber alle sind leer. Das muss schon frustrierend sein. Den ganzen Abend kein einziger Gast!
Ich hänge mich in ein Restaurant direkt am Fluss und lese ein Buch. Doch zu späterer Stunde möchte ich nicht mehr so 'sichtbar' sein. Reiseerfahrungen prägen. Es wäre nicht der erste Ort, der beschaulich ruhig wirkt und die Gefahr plötzlich aus dem Nichts auftaucht.
Ich sehe eine Bar mit jungen leuten drin und setz mich hinein. Als ich ein Bier bestelle setzt sich sofort eine zu mir und trinkt mit. Ich schau mich um und sehe an der Wand 5 mit Nummern versehene Türen - ich bin in einem Bordell gelandet! Eine Zweite setzt sich zu mir und verlangt einen Real, weil sie sich zu mir gesetzt hat. Ich antworte ihr, dass alle Frauen einen so attraktiven Mann wie mich kennen lernen wollen, aber so plump wie du hat es noch nie jemand probiert! Es funktioniert, sie geht wortlos. Diejenige, welche sich selbst zu mir eingeladen hat, ist äusserst symphatisch. Sie erzählt, dass dieser Schuppen ihrer Schwester gehört und sie hier sei um sie zu besuchen. Unfassbar! Sie arbeitet in einem Bordell, während sie ihre Schwester besucht! Das Bier kostet nicht mehr als sonstwo. Ich bedanke mich bei ihr und verabschiede mich.

© Roland E., 2006
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Leider ohne Fotos - Ich 'verlor' meine Digicam...:(
Details:
Aufbruch: August 2005
Dauer: circa 9 Wochen
Heimkehr: Oktober 2005
Reiseziele: Brasilien
Der Autor
 
Roland E. berichtet seit 18 Jahren auf umdiewelt.