Wann kannst du kommen?

Reisezeit: Juli / August 2019  |  von Beatrice Feldbauer

Abflug

Heute ist Packen angesagt. Das wars dann also. Mein Flug geht heute Nacht, über London zurück in die Schweiz.

Doch vorher muss ich noch packen. Der Koffer ist leichter geworden. Das weiss ich vom letzten Flug von Brasilia nach Rio. Ganze 6 kg habe ich verloren. Ob das bei mir auch funktioniert hat, wage ich zu bezweifeln.

Ich hab noch etwas Schokolade übrig. Was mache ich jetzt damit? soll ich sie im Zimmer lassen, oder an der Rezeption abgeben? Das ist irgendwie zu einfach. Obwohl die bestimmt auch Freude hätten daran. Aber was ist mit all den Menschen, die auf der Strasse leben. Ich beschliesse, sie dem nächsten, oder den nächsten zu geben, die ich antreffe. Also stecke ich den Sack in meine Handtasche und mache mich nach dem Auschecken auf den Weg. Will eh noch einmal zur Kathedrale, die ja ganz in der Nähe ist.

Ein Leben auf der Strasse...

Ein Leben auf der Strasse...

Die ersten Menschen, denen ich begegne und die die Nacht offensichtlich auf der Strasse verbracht haben, ist ein Paar. Ich bin nicht ganz sicher, womit sie beschäftigt sind, als ich die Strasse entlang gehe. Ob sie am Kuscheln oder am Streiten sind, ist nicht ersichtlich, aber mit Gefühlen hat es zu tun. Jedenfalls hören sie damit auf, als ich näher komme und sehen betreten zur Seite. Und als ich dann gar stehen bleibe und etwas aus der Handtasche hole, ist die Frau doch ziemlich verwirrt und ruft als erste Reaktion ihren Hund, weil sie glaubt, ich hätte etwas für ihn. No No, nicht für den Hund! Das ist Schokolade.

Sie sieht mich ungläubig an und plötzlich erscheint auf dem Gesicht der alten verhärmten Frau ein Strahlen und ich sehe, dass sie gar nicht so alt ist. Ein Lächeln breitet sich aus und auch bei mir bleibt es, während ich schon längst ein paar Strassen weiter gegangen bin. Es ist nicht die Welt, es ist nur einer dieser kleinen Momente, eine kleine Begegnung.

Bald erreiche ich die Kathedrale. Das Tor ist jetzt wieder weit offen und ich trete ein. Kaum jemand ist drin, ein paar wenige Touristen mit Guides. Ich setze mich, versuche noch einmal diese spezielle Stimmung im grossen Raum zu erfühlen. Mache ein paar Fotos, und geniesse die Ruhe und die Kühle, denn draussen ist es schon wieder ziemlich warm geworden..

Als ich mich umdrehe, sehe ich, dass das Tor inzwischen zur Hälfte geschlossen ist. Was soll das bedeuten? Ich lasse es nicht mehr aus den Augen, während ich noch einmal einen Rundgang mache und auch den Heiligen Sebastian in seiner Kutsche noch besuche. Als ich zurück zum Tor komme, ist dieses nur noch mit zu einem Viertel offen, besser ich gehe jetzt hinaus, wer weiss, wann es wieder geöffnet wird.

Auf der Rückweg trinke ich noch einen Espresso in einer skurrilen Bar. Sie ist durchgehend offen bis unters Dach und die oberen Fensterläden sind zur Hälfte offen. Ich fühle mich wie in einem Film. Das Lokal wäre bestimmt eine gute Kulisse für einen Gangsterfilm, oder wenigstens einen Krimi. Eigentlich könnte ich mit dem Laptop herkommen und meinen Blog hier zu Ende schreiben.

Ich entscheide mich, den Aufwand nicht mehr auf mich zu nehmen. Die Hotellobby hat zwar nicht diese Athmosphäre, aber sie ist kühl, es gibt Tische und bequeme Stühle und es hat vor allem eine Steckdose, denn mein Laptap hat nicht mehr so viel Schnauf, braucht relativ schnell Nachschub.

Nachdem ich den Blog beendet habe, bestelle ich ein Uber. Auch wenn ich viel zu früh bin. Egal, wo ich warte, ob in der Hotellobby, oder im Flugplatz. Ausserdem habe ich keine Ahnung vom Verkehr am Sonntagabend.

Es hat kaum Verkehr. Matheus fährt mich innert kürzester Zeit zum grossen internationalen Flughafen Galeao und oh Wunder, er spricht Englisch. Hat sogar einen Abschluss in Boston gemacht. Das versöhnt mich ein wenig mit den Brasilianern, die Portugiesisch als die einzige Sprache verstehen.

Durchs Taxifenster erhasche ich einen letzten Blick auf die tief am Horizont stehende Sonne und die wunderschöne Brücke, neben der wir fahren. Dann treffe ich am Flugplatz ein und jetzt heisst es nur noch warten. In ein paar Stunden werde ich mit Norwegian Airline nach London fliegen und von dort mit Swiss nach Zürich wo ich am Montag-Abend eintreffen werde.

Es war eine spannende Zeit mit vielen neuen Eindrücken, mit echten Abenteuern und guten Begegnungen. Und zu verdanken habe ich das ganze Stella mit ihrem unerwarteten Anruf im letzten Januar: Wann kannst du kommen?

Am Flughafen...

Am Flughafen...

Meine Lektüre für die Heimreise führt mich nach Myanmar/Birma

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Die Reise
 
Worum geht's?:
Eine unerwartete Einladung ist der Start zu einer ungeplanten Reise.
Details:
Aufbruch: 15.07.2019
Dauer: 4 Wochen
Heimkehr: 12.08.2019
Reiseziele: Paraguay
Brasilien
Der Autor
 
Beatrice Feldbauer berichtet seit 20 Jahren auf umdiewelt.
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