Al Sur

Reisezeit: Oktober 2009 - Oktober 2010  |  von Dirk Weisenstein

Die Ankunft

So, ich war dann angekommen.
Mein Motorrad nicht. Irgendetwas war wichtiger als meine Maschiene, und deshalb haben sie das Motorrad in Deutschland gelassen. Sauerei.

Also mußte ich die vier Tage Wartezeit überbrücken. Kurtzentschlossen ein Hotel in dem Zentrumgebucht, und erst einmal angekommen.
Nun gibt es ja schlechtere Orte um 4 Tage tot zu schlagen. Santiago im Frühling.

Jetzt bin ich also endlich da. Das heißt ich stehe am Anfang. Und einerseits bin ich unglaublich erwartungsfroh, und andererseits unglaublich aufgeregt. Soviel kann passieren, so viel kann schiefgehen.
Aber jetzt ist keine Zeit für düstere Gedanken. Denn hier ist jetzt Frühling! Und es gibt so viel zu erleben. Packen wirs an.
Die Sonne scheint. Es ist warm. Es ist ein angenehmes gefühl auf einer Bank in einer der vielen Parks zu sitzen, die Sonne auf der Haut zu spüren, und nix zu tun. Einfach nur zuschauen, was um mich herum passiert.
Da gibt es verliebte Päarchen, die Händchenhaltend und verliebt turtelnd über die Plätze schlendern und sich ewige treue schwören, da gibt es die gläubigen Eiferer die mit ihrer Stimme, und der tatkräftigen Beihilfe eines Verstärkers versuchen ihren Glauben allen anderen, auch die die es nicht wissen wollen, zu verbreiten. Die Gaukler und Flaneure, die Straßenmusikanten, die durch ihre Darbietungen versuchen den ein oder anderen Peso zu erhaschen. Obdachlose. Verwahrlost, mit abgetragenen Sachen betteln um Geld oder Essen, und liegen zwischendurch auch einfach nur auf den Parkbänken, und genießen die warmen Sonnenstrahlen. Alte Leute mit Körpern, die die Zeichen eines harten und entbehrungsreichen Arbeiterlebens tragen, gehen müde über den Platz, und lassen sich schwerfällig auf einer Bank nieder, und schauen den jungen Familien zu, die mit ihren Kindern über die Plätze ziehen. die Kinder laufen laut schreiend hinter den Tauben her, oder versuchen die Gunst ihrer Eltern zu gewinnen, um sich ein Eis zu erbetteln. Schachspieler und ihre Zuschauer starren gebannt auf die Schwarzweißen Holzbretter von denen die Farbe schon fast abgewetzt ist. Mit konzentrierter Miene ziehen sie die Holzfiguren unher. Still und konzentriert. Bloß dann und wann entgleisen bei einen der Zuschauer die Gesichtszüge, wenn er einen vermeindlichen Spielfehler entdeckt. Aber sagen tut er nichts. Das wäre ehrlos. Straßenköter liegen faul in der Sonne, und lassen ihr zerzaustes Fell von den Sonnenstrahlen erhitzen. Auf das sich das ganze Ungeziefer von ihnen verzieht. Aber so heiss wird es auch in der Hölle nicht.

Egal ob arm oder Reich. Ob jung oder alt. Ob Deutscher oder Chilene. Allen Menschen und Tieren ist die Freude auf die ersten schönen warmen Sonnentage anzumerken. Die Natur lebt auf. Die Menschen werden freundlicher, viel häufiger wird gelächelt, und auch ich genieße es wieder im Frühling angekommen zu sein. Wieder einmal den Jahreszeiten ein Schnippchen geschlagen.
Die Kastanien blühen, die Platanen haben schon das erste Laub. Überall sprießen Blumen aus den Gärten, den Parks, den brachliegenden Flächen, ja sogar von Häuserdächern, und aus Mauernischen. Und mit den ganzen Blüten kommt der Duft. Ein intensiver süßlicher Geruch, der sich über den Gestank der Stadt hinwegsetzt. Zumindest in den Parks. Vom strahlendblauen Himmel brennt die Sonne herunter. Sonnenbrandgefahr.Aber noch sind die Temperaturen erträglich. Nur 25 Grad statt 35 Grad im Sommer, wenn sich niemand mehr bewegen mag, und alle unter der Gluthitze stöhnen. Nein, der Frühling ist die schönste Zeit. Verheißt er doch noch soviel schöne Tage. Und die Natur verändert sich täglich. Immer wieder gibt es neues zu entdecken.
Nach dieser Homage auf den Frühling will ich ja auch noch etwas zu der Stadt loswerden.
Santiago also.

Eine Stadt so typisch für Südamerika. Alte Kolonialgebäude mit wuchtigen protzigen Fassaden. Die Südamerikaner haben einen Sinn für das Bombastische. Alle Straßen sind im Quadrat gebaut worden, dass macht die Orientierung sehr sehr einfach. Und dazwischen haben sich hier und da moderne Glaspaläste angesiedelt. Haus an Haus, die klassisch verspeilte Architektur, und das kalte glatte moderne. Kleine Straßenbuden neben den modernen Einkaufszentrem wo es alles zu kaufen gibt, was die medial erweckte Jugend von heute so braucht. Handys, Playstation, MP3 Player, etc. Da stellt sich mir die Frage, wie wir das alles ohne das Zeug überlebt haben?
Eine Stadt ausufernd, riesengroß, und immer noch weiter wachsend. Schon heute 6 Millionen Menschen. Mit all den Problemen. Staus trotz 6 spuriger Straßen. Smog und Umweltverschmutzung. Aber die geographische Lage ist ziemlich einzigartig. Inmitten des Stadtgebietes gibt es einige steile Hügel, auf denen sich Aussichtspunkte befinden. Die sehr gerne angenommen werden. Ermöglichen sie doch erst einen Blick auf die gewaltigen Ausdehnungen der Stadt. Die Stadt hat viele kleine Zentren mit mehreren Hochhäusergruppen, quer über das Stadtgebiet verteilt. Nur im Osten, da wird der Expansionsdrang begrenzt. Im Osten erheben sich nähmlich die Anden. Zuerst eine etwas flachere Hügelkette. Noch nicht Schneebedeckt, aber schon nicht mehr bewaldet, und schon ganz schön steil, aber direkt dahinter erheben sich die Schnebedeckten Berggiganten auf über 4000 Meter. Der höchste Berg Amerikas, und außerhalb des Himalayas liegt gleich hinter der Grenze zu Argentinien. Noch nicht einmal 150 km entfernt, erhebt sich der Cerro Aconcagua auf fast 7000 Meter. Wenn die Luft klar ist, ist die Sicht einfach nur Phänomenal. Die Stadt, dahinter die Berge, darüber der blaue Himmel.

[/f]Zum Sonnenuntergang verändert sich das Licht, läßt alle Strukturen plastisch erscheinen, und zaubert auf den Berspitzen das sogenannte Alpenglühen. Wenn die Spitzen der Berge noch das Sonnenlicht haben, und wir im Schatten schon im dunkelen sitzen.

Doch dann erwacht auch die Stadt wieder zum Leben. Nach einer kurzen Phase des diffusen Dämmerlichtes gehen einfach immer meht Lichter in der Stadt an. Und dann schimmern viele tausend Lichter gegen die Dunkelheit an. Es ist ein Lichtermeer. Die Häuser, die Straßenlaternen, und die Lichter der Autos machen die Nacht zum Tage. Es sieht wunderschön aus. Ohne Elektrisches Licht wird die Welt ein gutes Stückchen weniger schön.

Aber es ist auch ein kaltes Licht. Nur eine Illusion von Wärme und heimeligkeit. Denn zwischen den Lichtern ist viel Dunkelheit, und Kälte. Und es wird sehr schnell kalt in der Nacht. Noch ist es Frühling, und nicht Sommer. Und das Wetter sehr wechselhaft.

Und eigentlich bin ich ja hier, um die Natur zu sehen. Aber so eine Stadt hat schon diverse Annehmlichkeiten, die auch ich gerne ausnutze.

© Dirk Weisenstein, 2009
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Die Reise
 
Worum geht's?:
1 Jahr Südamerika. Mein Moped und ich!
Details:
Aufbruch: 08.10.2009
Dauer: 12 Monate
Heimkehr: 07.10.2010
Reiseziele: Chile
Argentinien
Südgeorgien und die Südlichen Sandwichinseln
Großbritannien
Brasilien
Der Autor
 
Dirk Weisenstein berichtet seit 14 Jahren auf umdiewelt.
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