Wann kannst du kommen?

Reisezeit: Juli / August 2019  |  von Beatrice Feldbauer

Sie hat ja gesagt.

Selbstverständlich hat auch Patriciio ja gesagt, aber Stella liegt mir eben näher.

Doch fangen wir von vorne an. Ich stand gemächlich auf, wollte grad unter die Dusche und Zähneputzen, da war kein Wasser. Kein Wasser und kein Strom - ausgerechnet heute. In Paraguay muss man wohl immer mit solchen Pannen rechnen. Vor meinem Zimmerfenster hörte ich ein geschäftiges Rumlaufen, es schien nicht nur in meinem Zimmer keinen Strom zu geben.

Als ich hinaus guckte, bestätigte mir Isidro: es gibt auf dem ganzen Grundstück keinen Strom und demzufolge auch kein Wasser. Der Sturm in der Nacht hatte ein Stromkabel heruntergerissen, die Stadtverwaltung sei unterwegs, es wieder in Ordnung zu bringen.

Zähneputzen ging dann auch mit etwas Mineralwasser, auf die Dusche musste ich vorerst verzichten. Während die anderen langsam aus ihren Zimmern kamen, fuhr mich Isidro zur Kreuzung beim KM 45, wo mich Stella abholte. Wir hatten heute noch viel vor.

Und jetzt sitzen wir zu dritt beim Frisör. Erika ist mitgekommen und die zwei Mädchen vom Salon haben alle Hände voll zu tun. Auf dem Weg hierhin haben wir uns noch einen Becher Fruchtsalat organisiert, so ist das fehlende Frühstück kompensiert.

"Bitte nur ein dezentes Makeup, etwas Puder, die Augen betonen, Lippenstift, fertig", habe ich ihr gesagt. Worauf sie wissen will, welche Farbe mein Kleid hätte. Schwarz mit Rot. Zielgerichtet greift sie in den roten Farbtopf und fängt an, meine Augen zu ummalen. Und das, obwohl ich vorhin auf die grüne Farbe gezeigt hatte, als sie mir ihre umfassende Palette gezeigt hat.

Ich lasse sie malen, versuche mich in meiner unbequemen Stellung im Stuhl irgendwie einzurichten und harre der Dinge die da kommen.

Es wird gemalt, frisiert, Haare gewaschen, gewickelt und geflochten, aufgesteckt, viel gelacht und spanisch/deutsch gealbert. Wir sind alle drei nicht gewohnt, so viel Farbe ins Gesicht geschmiert zu bekommen - man entschuldige den Ausdruck, die Mädchen haben das gut gemacht. Der Blick in den Spiegel zeigt mir eine ganz andere Frau. Ich bin nicht sicher, ob die jetzt älter oder jünger ist als ich. Und ob da unter der Schminke nicht meine Grossmutter hervorguckt. Irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass sie die Spuren des Alters mit viel Schminke wegtilgen wollte und dann das genaue Gegenteil erreicht hat. Egal, ist ja nur für heute. Etwas Wangenrouge muss mir die Künstlerin noch wegmachen, dann lasse ich es bleiben. Die Haare sind mit feinen Zöpfchen nach hinten gesteckt.

Erika hat Sekt organisiert, der auch aus Plastikbechern Spass macht.

Stella bekommt eine vornehme Aufsteckfrisur, die ihr hervorragend steht. Und Erika bekommt Locken mit Silberpapier umwickelt. Die Stunden gehen dahin, der Salon hat extra für uns geöffnet, denn normalerweise ist auch in Paraguay am Montag der Frisör geschlossen. So haben wir alle Zeit der Welt, bis wir endlich ein gemeinsames Selfie schiessen können. Weil sich inzwischen etwas Hunger eingeschlichen hat und für ein gemütliches Mittagessen die Zeit jetzt doch zu kurz ist, hat Stella dreimal chinesische Nudeln bestellt. Die beiden Frisörinnen amüsieren sich bestens, als sie uns zusehen, wie wir versuchen, das Essen mit den Stäbchen an den frisch gemalten Lippen vorbei in den Mund zu befördern.

Erika

Erika

Gut gelaunt brechen wir auf. Wir fahren in das Haus von Stella, wo das Hochzeitskleid auf sie wartet und wir uns alle drei umziehen können. Das Hochzeitskleid, das grosse Geheimnis. Welche Farbe wird es haben?

Alles muss genau beachtet werden, der Perlenschmuck, die Ohrringe, die neue Uhr, das Schlangenarmband, die Schuhe. Und ganz am Schluss wird noch die lange Schleppe angebracht. Stella, die Königin des Tages.

Auch Erika hat sich mit ihrem langen eleganten Kleid schön gemacht. Sie muss aber noch eingeschnürt werden, damit die schlanke Taille auch richtig zur Geltung kommt. Ich habe mein neues Kleid mitgenommen, das ich extra gekauft hatte. Es ist zwar nicht bodenlang, aber ganz in Ordnung. Einzig bei den Schuhen hätte ich beim Packen etwas mehr nachdenken sollen. Jetzt noch einmal anstossen, dann holt uns Erich, Erikas Partner ab und fährt uns zur Kirche in San Bernardino, wo Patricio am Altar auf Stella wartet.

Alle Augen warten auf die Braut, die Musik setzt ein, und dann kommt sie. Feierlich tritt sie am Arm ihres Papas in die Kirche. Strahlend und majestätisch. Stella, die schönste Braut in Pink.

Es ist eine kurze Zeremonie, der Pfarrer kürzt die Messe auf ein absolutes Minimum, wendet sich durchs Mikrofon vom Altar her an Patricio und fragt, ob er freiwillig hier wäre - tatsächlich wahr - bevor er vor das Brautpaar tritt und die alles entscheidenden Fragen stellt:

Willst du Patricio, willst du Stella...?

Yo quiero - laut und deutlich, auch ohne das Mikrofon ist die Antwort zu hören. Die beiden sind ab heute ein Paar.

Nach der Trauung werden in der Kirche die Unterschriften unter die Dokumente gesetzt, während die Gäste vor der Kirche auf das frisch vermählte Paar warten. Und dann regnet es Reis und es gibt Umarmungen, Küsse, Glückwünsche, und die eine oder andere Träne wird verdrückt. Zum Glück hatte ich mir noch kurz vorher eine Serviette eingesteckt.

Es werden Fotos gemacht, mit den Eltern, den beiden Töchtern von Patricio, mit der ganzen Gesellschaft. Es ist eine kleine Hochzeitsgesellschaft. Stella und Patricio haben sich für eine ausgewählte Gruppe von gemeinsamen Freunden entschieden. Der Termin selber wurde geheim gehalten. Es wird viel deutsch gesprochen und natürlich spanisch.

Im Selva Negra, dem Schwarzwaldrestaurant erwartet uns der Barkeeper mit seinen farbigen Drinks und die Standesbeamtin von San Bernardino mit den dicken Zivilstandsbüchern. Hier im blumengeschmückten Speisesaal findet die zivile Trauung statt.

Noch einmal muss die Frage bestätigt werden: Yo quiero. Noch einmal werden Unterschriften im schummrigen Licht gemacht, dann darf das Buffet gestürmt werden. Jetzt wird gefeiert. Mit feinem Essen, mit Musik (Zillertaler Hochzeitsmarsch) und lustigen Spielen die sich Erika ausgedacht hat.

Liebevoll gedeckte Tische...

Liebevoll gedeckte Tische...

... mit sehr persönlichen Namensschildern

... mit sehr persönlichen Namensschildern

Die zivile Trauung

Die zivile Trauung

Die wunderbar feine Hochzeitstorte, von Erika gebacken - und fotografiert

Die wunderbar feine Hochzeitstorte, von Erika gebacken - und fotografiert

Und am Ende war da noch der Brautstrauss. Der flog nicht in die Hände von jemandem, sondern auf den Tisch von Erika, was das jetzt wohl zu bedeuten hat?

Ein Shuttlebus bringt uns in den ersten Stunden des neuen Tages zurück zur Ranch. Nur das frisch vermählte Paar zieht sich die nächsten zwei Tage für Mini-Flitterferien in ihr neues Haus zurück.

Liebe Stella, es war eine wunderbare Hochzeit, du warst die schönste Braut, die man sich vorstellen kann. Ich wünsche dir und Patricio alles Gute, viel Liebe, viele Abenteuer, viel Lachen und Spass auf Eurem gemeinsamen Weg.
Es war eine Ehre, an Eurem grossen Tag dabei zu sein.

Für diese Seite durfte ich zusätzlich Fotos vom offiziellen Fotografen, von Stella und von Erika verwenden.

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Die Reise
 
Worum geht's?:
Eine unerwartete Einladung ist der Start zu einer ungeplanten Reise.
Details:
Aufbruch: 15.07.2019
Dauer: 4 Wochen
Heimkehr: 12.08.2019
Reiseziele: Paraguay
Brasilien
Der Autor
 
Beatrice Feldbauer berichtet seit 20 Jahren auf umdiewelt.
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