In 208 Tagen um die Welt

Reisezeit: Oktober 2006 - April 2007  |  von Helena Graf

Arequipa-ganz in weiss (bzw. schmutzig grau)

Nach einer gefuehlten 6453 Std. Busfahrt erreichen wir Arica, ganz im Norden von Chile an der Grenze mit Peru. Das trifft sich ausgezeichnet, denn genau da wollen wir hin. Nachdem wir erfahren haben, dass der naechste Bus theoretisch in 20 Minuten und praktisch (ganz indialike) erst wenn er voll ist abfaehrt, lassen wir uns von einem der zaehlreichen auf uns einredenden Colectivofahrer abschleppen. Nachdem die Formalitaeten zu Grenzueberquerung geklaert sind und unser Fahrer sein seeeehr ausgepraegtes Gespraech mit der Beamtin beendet hat, werden wir in ein... aehm... ich moechte mich an dieser Stelle nicht dazu hinreissen lassen eine Vermutung ueber die Marke des Wagens zu aeussern und mich damit vor dem ein oder anderen autobegeisterten (um nicht zu sagen -fanatischen) Bekannten bis in alle Ewigkeit laecherlich zu machen und bestaetige lieber ein allseits gefestigtes Vorurteil und sage mal: sehr schoenes, sehr altes, rotes Auto (siehe Foto)

verfrachtet und zusammen mit vier anderen Passagieren und einem stinkenden Bananen-Duftbaeumchen Richtung Grenze kutschiert. Entgegen anders lautender Geruechte geht hier alles super schnell (wahrscheinlich weil wir so frueh dran sind). Wir checken also aus Chile aus und in Peru wieder ein (wo wir auch noch zwei Stunden geschenkt bekommen, ploetzlich ist es also wieder halb sieben), wo schon unser rotes Auto wartet. Knappe 20 Minuten spaeter erreichen wir den Bushof von Tacna, der peruanischen Grenzstadt. Nachdem wir uns peruanisches Geld und ein Busticket nach Arequipa besorgt haben, geht es zwei Stunden spaeter auch schon weiter in Richtung Norden. Leider macht sich hier auch der entwicklungsmaessige Rueckstand Perus zu Chile bemerkbar. Die Tickets wahren zwar super billig, leider hat der Bus aber seine besten Jahre schon seit laengerem hintersich und ist zudem offenbar fuer die durchschnittlich etwa 1,50 m Koerpergroesse der Peruaner konzipiert. Leider will der Typ vor mir nicht einsehen, dass ich diese ein bisschen ueberschreite und deswegen eigentlich kein Platz fuer seine bis zum Anschlag zurueckgefahrene Rueckenlehne ist.

Ich piesacke ihn vier Stunden lang mit meinen Knien, bis er endlich einsieht, dass es sowahl fuer seinen Ruecken als auch fuer meine Knie gemuehtlicher ist, wenn er einfach fuenf Zentimeter weiter aufrecht sitzt. Beschwingt von diesem Teilsieg erreichen wir 3 Stunden spaeter Arequipa. Wir sind nicht wirklich gut vorbereitet und wissen nur, dass es sich hierbei um eine wunderschoene Stadt, deren Haeuser zum groessten Teil aus weissem Vulkangestein gebaut sein sollen und wo man fantastisch Spanischkurse machen kann (das haben wir auch bitter noetig, die Englischkenntnisse der meisten Suedamerikaner, mit denen wir zu tun hatten, nicht ueber hi und thank you hinausgehen). Deswegen sind wir ziemlich ueberrascht als wir an dem Bushof dieser zweitgroessten Millionenstadt Perus ankommen. Der Reisefuehrer empfiehlt ein Hostal direkt am Bushof, aber die gegend gefaellt uns gar nicht. Obwohl ich hier von einem total besoffenen, ziemlich abgewrakten Typen ohne Schuhe einen Sol zugesteckt bekomme, was mich daran erinnert, dass ich dringend duschen und meine Klamotten waschen sollte . Wir lassen uns also von einem der 25000 kleinen gelben Taxen Arequipas in die Innenstadt fahren, wo wir ein superschoenes, ganz neues Hostal mit Dachterasse finden. Von hier aus kann man sowohl die zum greifen nahen Berge, als auch die, mit viel gutem Willen, weissen umd wirklich schoenen Gebaeude aus der Kolonialzeit, wie z.B. die Kathedrale, bestaunen.

Wir gehen erstmal in einem der zahlreichen Restaurants auf den Balkons ueber den Bogengaengen der Kathedrale rund um den Plaza de Armas ein fantastisches Menue fuer schlappe 3,50 Euro essen und fallen dann hundemuede in unsere Betten.

Am naechsten Tag kuemmern wir uns um einen Sprachkurs. Die Sprachschule (Rocio Sprachkurse) unserer Wahl ist erfreulicher Weise umgezogen und ist jetzt in einem Gebaeude ganz in der Naehe unseres Hostals untergebracht. Es klappt alles super und so werden wir also ab morgen fuer 3,50 Euro pro Stunde jeden Tag vier Stunden Einzelunterricht bekommen. Nachmittags gucken wir uns noch ein kleines Museum ueber die Geschichte Perus und die Kathedrale an. Am naechsten tag faengt um neun der Sprachkurs an. Mein (Helena) Lehrer hat fuenfzehn Jahre in Deutschland gewohnt, spricht also ziemlich gut Deutsch, und ist der Sohn des ehemaligen Buergermeisters von Arequipa. Er bringt mir nicht nur super Spanisch bei, sondern erzaehlt auch viel ueber die politische und soziale Lage in Peru und speziell in Arequipa. Ausserdem ist er ein leidenschaftlicher Esser und gibt mir tausend Tipp, welche peruanischen Spezialitaeten ich testen soll. Dazu gehoert zum Beispiel fritiertes Meerschweinchen. Dazu aber spaeter. Nachmittags gehen Yvonne und ich erstmal auf den traditionellen Markt Arequipas. Das wird ein einziger Spaziergang durchs Gruselkabinet. Hier kann man naemlich saemtliche Teile einer Kuh kaufen, nur kein ganz normales Steak. Wir schlendern also vorbei an abgetrennten Kuhkoepfen mit ins Leere starrenden Augen, Gedaermen, Herzen, Lungen...

Im naechsten Gang ist die Schweineabteilung. Hier kann man halbe Schweinekoepfe fuer eine sehr schmackhafte Suppe, wie man uns versichert, kaufen. Weiter gehts durch die Fischabteilung, wo es getrocknete Froesche (ebenfalls fuer eine Suppe oder als Potenzmittel) gibt.

Anschliessend besuchen wir den sogenannten Schahmanengang. Hier kann man getrocknete Lamafoeten, die den Lamakuehen ziemlich lange vor der natuerlichen Geburt aus dem Bauch gezogen werden, kaufen. Es soll Glueck bringen, wenn man ein solches im Garten vergraebt.

Als letztes kommen wir in die Kleintierabteilung. Hier kann man supersuesse kleine Hundewelpen (fuer nur 20 Soles - also 5 Euro, leider ist in meinem Rucksack kein Platz mehr)) und Kaetzchen kaufen.

Als Haustiere, wie sich Yvonne bei einer der Verkaeuferinnen versichert. Das ist nicht bei alles Tieren dieser Abteilung so. Hier kann man sich naemlich auch lebende Meerschweinchen, die dann Abends auf den Grill geschmissen werden, kaufen. Nur die schwarzen Meerschweinchen werden nicht gegessen. Warum hab ich leider nicht richtig verstanden. Zum Abschluss trinken wir noch an der kilometerlangen Safttheke einen frische gepressten Mangosaft... hmmm...
Anschliessend ringen Yvonne und ich lange mit uns, aber schliesslich schnappen wir uns abends ein Taxi und lassen uns in das Peruanische-Spezialitaeten-Restaurantviertel bringen um DIE klassisch peruanische Spezialitaet der Anden zu testen. Obwohl es erst sieben ist, macht das Restaurant, das uns empfohlen wurde schon zu. Spaeter finden wir raus, dass in diesen Testaurants ueblicherweise zu Mittag gegessen wird. Aber wir finden zum Glueck noch ein anderes. In der riesigen, neonlichterleuchteten Halle spielt in einer Ecke eine siebenkoepfige Salsaband und saemtliche Gaeste tummeln sich auf der Tanzflaeche. Wir bleiben aber an unserem Tisch und bestellen wild entschlossen Cuy Chactado, gebratenes Meerschweinchen. Der Trommler der Band hat sich spontan in uns verliebt und kommt kaum mit dem Trommeln nach, weil er uns staendig zuwinkt. Und dann gesteht auch der Saenger "I love you girls!". So vergeht die Zeit ziemlich schnell und zack werden auch schon unsere beiden kleinen Nager aufgetischt. Ein bisschen gruselig ist es schon, dass man saemtliche Detaills, wie Zaehne, Augen und Krallen noch ziemlich genau erkennen kann. Und weil ich mir nicht beim essen zusehen lassen will, muss ich mein Tier erstmal koepfen und den Kopf unter einem Salatblatt verstecken. Dann schmeckt es eigentlich ziemlich gut. Leider besteht das arme Tier aber aus mehr Knochen als Fleisch und ist deswegen ziemlich schwer zu essen. Das ganze schmeckt wie Huehnchen, also eher unspektakulaer, aber was tut man nicht alles fuer ein Foto.

ohne Worte

ohne Worte

Die Woche vergeht wie im Flug und bald ist unser Sprachkurs auch schon zu ende. An unserem letzten Tag in Arequipa besuchen wir das beruehmte Santa Cathalina Konvent direkt neben unserem Hostal. Der Eintritt ist zwar ziemlich teuer (30 Soles) aber es lohnt sich. Hinter den hohen Mauern verbirgt sich eine eigene kleine Stadt aus den typischen weissen Steinen, zum Teil wunderschoen bunt angemalt.

Am naechsten Morgen machen wir die sogenannte "Reality Arequipa Tour", die uns ein Typ aus unserem Hostal empfohlen hat. Zusammen mit unserem Guide fahren wir in den Steinbruch, in dem die weissen Steine abgebaut werde. Das passiert alles per hand, weil dass sehr weiche Gestein (gepresste Vulkanasche) sehr empfindlich ist. Die Steinbrucharbeiter verdienen nur 12 Sol pro Tag und haben sich direkt ab Steinbruch ein eigenes kleines Dorf ohne Strom und fliessendes Wasser eingerichtet. Die Kinder gehen nur zur Grundschule und muessen ab dem 12 Lebensjahr, wenn sie stark genug sind, im Steinbruch mitarbeiten.

Als naechstes fahren zu einem typisch suedamerikanischen Friedhof, wo es je ein Feld fuer getaufte und nicht getaufte Menschen und eines fuer Selbstmoerder gibt.

Anschliessend zeigt unser Guide uns eine Art Kinderkrippe, die er mit dem Verdienst aus seiner reality Tour unterstuezt. Die befindet sich in einem Armenviertel. Zehn alleinstehende, arme Frauen mit Kindern haben sich hier zusammen getan. Jede Woche passt eine von ihnen auf die Kinder auf, waehrend die anderen arbeiten. Die kleinen suessen Kinder sind begeistert von unseren Kameras.

Wir spielen ein bisschen mit ihenen und dann gehts auch schon bald weiter zu einer Armenkueche. Auch diese wird von dreissig Frauen aus der Schicht der Armen betrieben. Jede kocht eine Woche lang essen fuer ca. 100 Menschen und bekommt dafuer fuenf Gratisessen. Das Essen wird sehr guenstig an die Armen verkauft und auch dieses Projekt wird von der Reality-Tour unterstuezt.

Als letztes fahren wir noch zu dem traditionellen Mark und unser Guide erklaert uns noch ein paar Dinge. Dann ist die sehr interessante und lohnende Tour aber auch schon zu Ende und wir holen schnell unsere Rucksaecke im Hostal ab, um noch den naechsten Bus zum Colca Cañon, der tiefsten Schlucht der Welt zu erwischen(obwohl wir die ja eigentlich schon in Nepal gesehen haben ?!).

© Helena Graf, 2006
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Nepal-Indien-Neuseeland-Chile-Peru-Bolivien-Argentinien
Details:
Aufbruch: 02.10.2006
Dauer: 7 Monate
Heimkehr: 27.04.2007
Reiseziele: Indien
Nepal
Varanasi
Australien
Neuseeland
Chile
Peru
Bolivien
Argentinien
Uruguay
Der Autor
 
Helena Graf berichtet seit 17 Jahren auf umdiewelt.