TimeOut in Südamerika

Reisezeit: April - August 2008  |  von Beatrice Feldbauer

Woche 13 5. - 11. Juli 2008: Geschichte

So kurz war ich überhaupt noch nie an einem Ort. Gestern Sonntag-Nachmittag bin ich angekommen und heute Morgen bin ich bereits wieder unterwegs. Von Puno habe ich nichts gesehen, ausser am Abend bei der Rückfahrt auf dem Schiff die vielen Lichter. Der Ort ist ziemlich gross und es hätte sich bestimmt gelohnt, wenigstens einen Spaziergang durch die Stadt und entlang dem See zu machen.

Doch Roberto war gründlich und geschäftstüchtig und so hat er mir nicht nur die Fahrt zu den Uros vermittelt, sondern auch gleich die Weiterfahrt heute morgen. Und zwar hat er mir den Bus turistico empfohlen. Ein Luxusbus, mit Reiseleiter, der an verschiedenen Orten hält, damit man etwas besichtigen und Fotos machen kann. Ich habe gestern das ganze Paket: Hotel, Schiff- und Busfahrt direkt an ihn bezahlt. So kann er überall seine Provisionen beziehen. Sehr clever, als Busbegleiter holt er sich dadurch immer wieder neue Kunden. Allerdings habe ich für das Hotel sogar noch weniger bezahlt, als was auf dem Preisschild bei der Rezeption steht. Es ist also ein Vorteil für alle Parteien.

Und ausserdem bietet er Vollservice, denn am morgen um sieben holte er mich mit dem Taxi ab und brachte mich zum Bus. Und das ohne, dass ich mich mit dem Gepäck abschleppen musste. So sitze ich jetzt also im Touristenbus und geniesse die Landschaft. Wir fahren über eine weite Hochebene. Fast könnte man die Höhe vergessen. Das Land ist trocken. Es gibt hier nur zwei Jahreszeiten: Trockenzeit und Regenzeit. Wir sind jetzt in der Trockenzeit die von April bis September dauert, erklärt der Reiseleiter zweisprachig. Er erzählt manchmal etwas von den Orten, durch die wir kommen. Von der Industriestadt, in der viele Dinge des täglichen Gebrauchs hergestellt werden, in der aber die Kriminalität hoch ist. "Hier kommen keine Touristen hin, denn die Stadt ist viel zu unsicher."

Die Kirche von Pukara von aussen...

Die Kirche von Pukara von aussen...

... und von innen

... und von innen

Unser erster Halt ist in Pukara. Hier gibt es Ruinen, die aus einer Zeit weit vor den Inkas stammen. 4000 Jahre alt sind die viereckigen Tempel, die man hier gefunden hat. Wahrscheinlich waren es bereits pyramidenförmige Gebäude, aber leider stehen diese nicht mehr. Viele Steine der Anlage wurden für den Bau der Kirche benutzt. Im Museum können wir Statuen sehen. Sie stellen Priester dar, die die Köpfe ihrer Feinde in der Hand halten. Fotos sind im Museum leider nicht erlaubt.

Die Kultur wird Pukara genannt wie der Ort und die Menschen glaubten wohl, dass sie mit dem Kopf ihrer Feinde die eigene Kraft steigern könnten. Auch wurden Frauen geopfert: das schönste, was man hatte, musste hergegeben werden. Ich höre hier zum ersten Mal vom Anden-Kreuz. Es kommt in vielen Prä-Inka-Kulturen vor und wird auch bei den Inkas eine Rolle spielen.

Die Fahrt geht weiter und wir steigen wieder einmal stetig an, erreichen gegen Mittag die Passhöhe La Raya. Hier auf 4'300 m gibt es ein Dorf. Man lebt von der Landwirtschaft, hält Lamas und Alpakas und pflanzt Kartoffeln an, es gibt nur eine Sorte, die diese extremen Verhältnisse übersteht. Tagsüber wird es über 20 Grad warm und in der Nacht sinkt die Temperatur bis minus 20 Grad. Heute kommt auch der Tourismus als Einnahmequelle dazu. Natürlich bieten Frauen ihre bunten Handarbeiten an. Sie tragen farbige Trachten und dazu eine eigenartige Kopfbedeckung. Über allem thronen die Kordillieren mit gegen 6000 m und vor allem ein glänzender wunderschöner Gletscher, dessen Namen ich mir nicht merken konnte.

neue Trachten und junge Alpakas

neue Trachten und junge Alpakas

Unser nächster Halt gilt dem Mittagessen. In einem Garten unter schattigen Zelten ist ein Buffet aufgestellt. Es gibt verschiedene Salate, warme Gerichte und Desserts. Und dazu spielt eine Band mit Gitarre, Trommel und Panflöten. Andenmusik. Im Gehege grasen ein paar Alpakas.

Auge in Auge mit dem Alpaka

Auge in Auge mit dem Alpaka

Der nächste Halt gilt dem Einkaufen. Als ob wir bisher noch zu wenig Gelegenheit dazu gehabt hätten, besuchen wir einen typischen Hof. Hier wohnt ein Silberschmied, der seine Arbeiten anbietet, während die Frauen alle anderen Handarbeiten feil halten. Natürlich ziehen die zwei jungen Alpakas und das Lama erst einmal alle Aufmerksamkeit auf sich.

In der Küche entdecke ich zum ersten Mal die Meerschweinchen, die hier sozusagen als lebendiger Lebensmittelvorrat gehalten werden. Ich habe schon davon gelesen, dass dies in den hochgelegenen Andendörfern ganz normal sei. Aber die kleinen Kerle hier wirklich zu sehen, wie sie frei herumlaufen und ihre Verstecke unter den gemauerten Ablageflächen haben, ist trotzdem überraschend und fremd.

eine typische Andenküche

eine typische Andenküche

Auf dem Dach stehen eine Kuh und ein Stier. Sie sollen das Haus schützen. Früher waren es Lama-Figuren, die man auf das Haus stellte, aber seit die Spanier mit Pferden und Kühen kamen, wurden die Lamas durch Kühe ersetzt. Die scheinen stärker zu wirken.

Die sollen die bösen Geister abhalten

Die sollen die bösen Geister abhalten

Auf der weiteren Fahrt begleitet uns ein Bach, zuerst ein kleines Rinnsal, aber er wird immer breiter. Die Gegend ist sehr abwechslungsreich. Die Berge sind näher gekommen. Manchmal öffnen sich breite Seitentäler oder enge Schluchten. Es gibt viele Eukalyptusbäume, deren Holz die Leute für den Bau ihrer Häuser brauchen. Allerdings ist die Mehrheit der Häuser aus Backsteinen gebaut, mit Lehm bestrichen. Niedrig und düster sehen sie aus, die Häuser, die sich manchmal zu Dörfern zusammentun, oft aber auch allein in der weiten Gegend stehen.

die mittlere Mauer des alten Inka-Tempels

die mittlere Mauer des alten Inka-Tempels

Der nächste Halt ist Raqchi, eine Inkasiedlung mit einem wichtigen Tempel. Dualität war bei den Inkas sehr wichtig. Gut und Böse, oben und unten, rechts und links. Und so war auch der Tempel in zwei Teile geteilt: Frauen und Männer. Die mittlere, höchste Mauer steht noch, einiges wurde restauriert.

einer der vielen Vorratsräume

einer der vielen Vorratsräume

So auch ein paar Vorratskammern, von denen es über 160 gegeben hat. Die Inkas hatten für schlechte Zeiten vorgesorgt und konnten Lebensmittel lange aufbewahren. Der Reiseleiter zeigt uns, dass die Gebäude erdbebensicher erstellt wurden. Er stellt sich dazu breitbeinig hin und erklärt, dass diese Haltung eine bessere Bodenhaftung ergibt, als wenn man ganz gerade dastehen würde. Mit dieser Demonstration vor Augen kann auch ich jetzt überall die leicht schrägen Mauern und vor allem die konischen Türen sehen. Gebaut wurde mit Vulkangestein und Adobe. Bedeckt waren die Gebäude mit Stroh, das noch heute in der Gegend wächst und noch heute für Dächer benutzt wird.

Essensausgabe für das Verkaufs-Personal der Handarbeits-Stände

Essensausgabe für das Verkaufs-Personal der Handarbeits-Stände

Noch einen letzten Halt gibt es. In Andahuaylillas steht eine alte Kirche. Sie sieht schon von aussen sehr speziell aus mit ihren aufwändigen Wandmalereien. Die Kirche stammt aus dem 16. Jahrhundert und wurde von den Spaniern gebaut. Der Innenraum ist absolut überwältigend und kann mit der Sixtinischen Kapelle in Rom verglichen werden. Mir ist bewusst, dass dieser Vergleich sehr hoch gegriffen ist, aber ich habe noch nie eine Kirche gesehen, die so über und über mit Wandmalereien bedeckt und mit so vielen Gemälden geschmückt ist.

Die Decke ist aus Holz und Balken und auch diese sind bemalt. Hier zeigt sich übrigens auch noch der maurische Einfluss der Spanier, indem arabische Kreuze in die Decke eingebracht sind. Der Altar ist über und über mit 24-karätigem Gold bedeckt. Ganz zuoberst über dem Altar ist die Sonne, als oberster Inkagott mit dem Osterlamm in der Mitte.

Die Kirche wurde in diesem Überfluss gebaut, um die einheimische Bevölkerung, damals die Inkas, vom neuen Gott zu überzeugen. Darum gibt es auch an der Aussenfassade eine Terrasse, von wo aus zu der einfachen Bevölkerung gepredigt wurde. Diese Art der Gottesverehrung kam diesen Menschen mehr entgegen, als im Innern eines Gebäudes.

schon von aussen ein Kleinod

schon von aussen ein Kleinod

Leider darf man in der Kirche nicht fotografieren und weil sowohl der Reiseleiter genau kontrolliert und jetzt auch weitere Touristen in die Kirche kommen, wage ich auch keine versteckte Foto. Es kommen übrigens viele Leute von Cusco hierher, um sich hier in dieser ungewöhnlich kostbaren Kirche trauen zu lassen.

Für uns ist es jetzt Zeit weiter zu fahren. Gegen fünf Uhr kommen wir in Cusco an. Dank der Organisation von Roberto werde ich hier bereits erwartet. Ever Lima ist ein junger Reiseorganisator und er hat mir natürlich bereits ein Hotel reserviert. Hier in der Lobby besprechen wir die nächsten Tage. Cusco ist äusserst touristisch, denn wie Ever sagt, 100 % aller Peru-Touristen kommen hierher, denn Cusco ist der Ausgangsort für die Fahrt nach Machu Picchu.

Später mache ich einen Spaziergang zur nahen Kathedrale und zur Plaza des Armes. Ich werde hier in der Stadt ein paar Tage bleiben.

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Die Reise
 
Worum geht's?:
Nicht Nichtstun steht im Mittelpunkt. Sondern etwas tun, wofür im normalen Alltag zu wenig Zeit bleibt. Meine beiden Leidenschaften Reisen und Schreiben möchte ich miteinander verbinden. Und wenn mich dabei jemand begleitet, umso schöner. Es sind vor allem Geschichten, die ich erzähle und erst in zweiter Linie Beschreibungen von Orten und Gebäuden. Ich möchte versuchen, Stimmungen herüberzubringen. Feelings, sentimientos. Wenn mir das manchmal gelingt, ist mein Ziel erreicht.
Details:
Aufbruch: 12.04.2008
Dauer: 4 Monate
Heimkehr: 03.08.2008
Reiseziele: Uruguay
Brasilien
Paraguay
Argentinien
Chile
Bolivien
Peru
Guatemala
Der Autor
 
Beatrice Feldbauer berichtet seit 20 Jahren auf umdiewelt.
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