Lima, Peru und wer weiss, wo sonst noch...

Reisezeit: Januar - März 2005  |  von Lydia P.

Puquio - eine andere Welt

In den Bergen auf 3500m Hoehe angekommen, fuehlte ich mich erst einmal entkraeftet. Mit jedem Meter, den wir hoeher gefahren waren, sank die Temperatur ein wenig. Und gleichzeitig verschlechterte sich meine Laune. Das veraenderte Klima wirkte sich erstaunlich emotional auf mich aus - das haette ich so nicht erwartet! Folglich hatte ich am naechsten morgen kaum Lust, aus dem Hotelbett aufzustehen.
In Puquio gibt es eine vielzahl von kleinen Laeden, Internetcafes, engen Gassen und Hostels wie ueberall hier. Dafuer allerdings kein einziges westliches Gesicht.
Gegen Mittag setzte ich mich auf eine Bank auf den Plaza de Arma (Marktplatz). Die Leute in den traditionellen Kleidern und den breiten Filzhueten schauten mich distanziert an.
Ich wollte lesen, kam allerdings nicht dazu, denn bald hatte ich einige Kinder um mich, die Mais-Snacks verkauften. Neugierig fragten sie mich aus. Schnell war ich die "amiga". Sie bettelten mich an, ihnen etwas abzukaufen, oder sie zum Essen einzuladen - eine Mischung, die ein komisches Gefuehl in meinem Magen hinterlaesst.
Ein Maedchen wollte mich schliesslich zu der Heiligenfigur "Senor de Huanca" auf einem Berg in der Naehe begleiten. Ich willigte ein und sie fuehrte mich. Da wir beide recht entkraeftet waren, kehrten wir schliesslich nach einiger Zeit um.
Unsicher, wie ich nun mit der Situation umgehen sollte, kaufte ich ihr schliesslich eine Tuete Broetchen - fuer 15 cents - wovon sie eines sofort verschlang.

Ich war von dem Erlebnis sehr beruehrt und durcheinander. Eine Situation, in der mein alter Fotoapperat Begeisterung hervorruft, mein Hostelaufenthalt fuer 4 Euro ein Vermoegen bedeutet, selbst meine billige Armbanduhr wertvoll wird und mein Flug von Deutschland unvorstellbar teuer ist!

Wie unterschiedlich doch die Welten sind!

Am naechsten Tag fuhr ich mit einem Taxi zum "Senor de Huanca", eine kleine Kapelle in den Bergen. Ich genoss die Landschaft und spazierte durch die Gegend. Eukalyptus und jede Menge Baeume, die ich nicht kenne, ein gestauter See zur Bewaesserung der winzigen Felder und Berge soweit ich gucken kann.
Ein Mann namens Luis rief nach mir. Ich begann, mich mit ihm zu unterhalten. Es stellte sich heraus, dass er der Besitzer des Landes war. Wir spielten eine Stunde das Spiel: "Was gibt es in Deutschland, was es in Peru nicht gibt" und "Mir gefaellt dies und jenes".
"Warum bist Du alleine nach Peru gekommen? Suchst Du einen Mann?"
"Nein!"
"Willst Du nicht heiraten und hier bleiben?"
"Nein!"
"Gefallen Dir die peruanischen Maenner nicht?"
"Um ehrlich zu sein... nicht so richtig! Sie sind mir zu klein... und ausserdem versteh ich sie nicht!"
Er lachte.
"Aber warum kommt ein huebsche deutsches Maedchen alleine nach Peru?"

Luis wollte unbedingt ein Foto von mir haben.

Seine Mama, eine 78-jaehrige, traditionell gekleidete Frau kam vorbei, schenkte mir frischen Eukalyptus gegen Kopfschmerzen und lachte mich aus, als ich nicht so richtig etwas damit anzufangen wusste. Dann bedauerte sie mich: "Armes einsames Maedchen! Arme kleine Gringa! Ganz allein reist Du! Na so was!"
Zusammen wanderten wir zurueck ins Dorf, kletterten dabei ueber Mauern und Abhaenge hinunter - ein ganz normaler Weg in Puquio.
Schliesslich lud mich Luis zum Mittagessen ein. Die Leute im Dorf guckten uns neugierig an und kommentierten: "Neue Verwandschaft?!" Offensichtlich nicht! Immerhin bin ich einen Kopf groesser als die meisten Bewohner des Ortes und mein vom Sonnenbrand knallrotes Gesicht ist wohl kaum dem von Luis aehnlich.
Luis Wohnung war sehr einfach eingerichtet, keine Bilder, ein Tisch, zwei Stuehle, ein Loch im Boden als Toilette. Ich wunderte mich, da ich doch offensichtlich fuer die Verhaeltnisse hier einen recht wohlhabenden Mann vor mir hatte.
Luis Frau hatte gekocht. Ich genoss die koestlichste Suppe, die ich bisher gegessen hatte! Nur mit dem Fleisch hatte ich ein wenig Probleme, da ich nicht wusste, welche Teile davon ich essen konnte...

Auf die Frage der Mama hin, machte ich den beiden klar, dass ich KEINE Millionaerin in Deutschland bin! "Nein, soviel Geld besitze ich nicht!"
Daraufhin holte die alte Frau ihren Geldbeutel aus der Tasche und wollte mir - kaum zu glauben - einige Muenzen geben!
Ich war wohl geruehrt, lehnte aber natuerlich dankend ab.

Zum Abschied wurde ich geknuffelt und gekuesst. "Armes einsames Maedchen aus Deutschland! Ganz alleine! Ganz alleine!"
Und so wurde ich die erste Freundin und ueberhaupt erste Bekannte von Luis aus einem anderen Land.

© Lydia P., 2005
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Mit akutem Fernweh fing es vor einem Monat an. Nachdem ich eine Woche lang nicht still sitzen konnte, in jeder freien Minute im Atlas geblaettert hatte, ausschliesslich exotische Tee getrunken und auf Reise-Homepages im Internet gesurft hatte, war klar: Ich muss reisen gehen!
Details:
Aufbruch: 11.01.2005
Dauer: 10 Wochen
Heimkehr: 23.03.2005
Reiseziele: Peru
Der Autor
 
Lydia P. berichtet seit 19 Jahren auf umdiewelt.