Anden, Pazifik und Regenwald - Backpacking in Peru und Bolivien

Reisezeit: Mai 2015  |  von Kira Möller

Cabanaconde: Wanderung in die Oase Sangalle

Der zweite Tag in Cabanaconde begann mit einem einfachen Frühstück im Hostel. Bei Pfannkuchen, Marmeladenbrot und Kaffee stärkten wir uns für unsere heutige Tagesaufgabe: eine Wanderung in die Oase Sangalle und wieder zurück nach Cabanaconde. Im Hostel hatte man uns versichert, dass wir für den 1200m tiefen Abstieg in den Canyon ca. zwei Stunden brauchen werden und für den anschließenden Rückweg etwas drei Stunden einplanen sollten. Um vor Einbruch der Dunkelheit zurück zu sein, sollten wir also spätestens um 15 Uhr aufbrechen. Da diese Angaben ungefähr mit denen aus unserem Reiseführer übereinstimmten sahen wir keinen Grund, diese anzuzweifeln. Ein fataler Fehler, wie sich später herausstellen sollte…
Guter Dinge stapften wir gegen neun Uhr morgens los und versicherten uns mehrmals bei den uns entgegen kommenden Dorfbewohnern, dass wir auf dem richtigen Weg sind (die kleinen Trampelpfade waren nicht unbedingt als Wanderwege zu erkennen, zumal sie teilweise über die Felder der Einheimischen führten).

Den ersten Aussichtspunkt erreichten wir nach ca. einer halben Stunde. Wie erwartet wurde hier meine Geduld extrem auf die Probe gestellt. Paul, ganz in seinem Element, verzog sich mit Stativ und Kamera in die Felsen uns tauchte auch für’s erste auch nicht wieder auf. Als die Reise dann endlich weiterging, war es bereits nach zehn. Während wir bisher auf relativ geraden Strecken gelaufen waren, kamen nun endlich unsere Profiwanderschuhe zum Einsatz: auf unbefestigten, sandigen Pfaden ging es steil hinab in den Canyon. Stolpernd bewegten wir uns vorwärts und hielten immer wieder an, um uns gegenseitig „Ohhhhs“, „Ahhhhs“ und „Schau mal!“ zu zurufen.

Mit der Zeit verflog jedoch allmählich unsere Euphorie. Die Sonne brannte erbarmungslos auf unsere Köpfe, unsere Beine zitterten vor Anstrengung und unser Wasservorrat ging ebenfalls zur Neige. Die Oase konnten wir bereits seit Beginn der Wanderung sehen, aber wirklich näher kamen wir ihr nicht. Langsam etwas nervös, beschleunigten wir unser Tempo und selbst Paul legte keine Zwischenstopps mehr zum Fotografieren ein.
Völlig erschöpft, durstig und mit einem leichten Sonnenstich erreichten wir schließlich um halb zwei Uhr mittags die ersehnte Oase. Durch andere Reiseberichte waren wir bereits vorgewarnt, dass diese aus einer Ansammlung künstlich angelegter Pools und kleinen Hotels bestand. Kaum angekommen wurden uns 20 Soles abgenommen (ca. 6 Euro), die uns beiden einen Sprung in eines der kalten Schwimmbecken ermöglichte. Paul zögerte nicht und stand innerhalb weniger Minuten in seiner Badehose vor mir. Mich hingegen musste man erst überreden. Rasende Kopfschmerzen und starke Übelkeit nahmen mir zunächst jegliche Lust meinen Schattenplatz zu verlassen. Lange Rede kurzer Sinn, Paul ließ nicht locker bis auch ich mir eine Abkühlung im Pool verschaffte.

Unser ursprünglicher Plan war es, ein paar schöne Stunden in Sangalle zu verbringen und uns erfrischt und ausgeruht auf den Rückweg zu machen. Wie man sich bereits denken kann, wurde daraus nichts. Der Abstieg hatte das Zweifache der geplanten Zeit in Anspruch genommen und so war nicht davon auszugehen, dass wir die 1200 Höhenmeter innerhalb der angesetzten drei Stunden erklimmen würden. Nach einer halben Stunde Pause bereiten wir uns also auf den Rückweg vor. Mit drei vollen Litern Wasser im Gepäck und gestärkt durch einen staubtrockenen Muffin starteten wir erneut.

Trotz totaler Erschöpfung legten wir die ersten Meter in zügigem Tempo zurück. Wir beide hatten Angst, Cabanaconde nicht rechtzeitig zu erreichen. Für mich bedeutete diese Vorstellung unser Ende (in Stresssituationen neige ich zu Dramatisierungen). Wenn um 18 Uhr die Sonne unterging wurde es nicht nur schlagartig stockfinster, sondern auch bitterkalt. Wie wir in diesen Umständen den gefährlichen Weg zurück finden sollten, mochten wir uns nicht vorstellen.

Unser Tempo stellte sich schnell als zu ambitioniert heraus. Bereits nach wenigen Metern lief mein Gesicht lila an und meine Atemwege hatten sich so verengt, dass ich mich nur noch japsend auf einen Stein fallen ließ. Paul erkannte das Problem sofort: Er griff nach meinem Rucksack, der durch die vielen Wasserfalschen mehrere Kilos wog, und schnallte sich ihn vor den Bauch. Heldenhaft trug Paul von nun an all unser Gepäck und ließ mir den Vortritt, sodass ich das Tempo vorgeben konnte. Keuchend schleppten wir uns im Schneckentempo den Berg hoch und legten immer wieder Trinkpausen ein. Ab und an wurden wir von Einheimischen überholt, die ihre Esel hoch nach Cabanaconde trieben. Die Reaktionen variierten zwischen Belustigung und Besorgnis. Aber zu meiner großen Enttäuschung bot niemand an, uns auf seinen Eseln mit nach oben zu nehmen.

Zu unserem großen Glück schob sich nach einiger Zeit eine Wolke vor die Sonne, sodass sich die Luft etwas abkühlte und wir besser vorwärts kamen. Dennoch machte uns der geringe Sauerstoffgehalt auf knapp 3000 m Höhe weiterhin schwer zu schaffen. Wie die Geschichte letztendlich ausging ist angesichts der Tatsache, dass wir diesen Bericht verfassen, keine große Überraschung. Pünktlich zum Einbruch der Dunkelheit erreichten den Aussichtspunkt, von dem aus wir zumindest die Lichter des Dorfes sehen konnten. Wir hatten es geschafft!

Voller Staub, verschwitzt und vollkommen am Ende unserer Kräfte wurden wir am Dorfeingang von einem Herren und zwei Damen in Empfang genommen, die vor einem kleinen Laden saßen und sich unterhielten. Sie boten uns sofort einen Sitzplatz auf ihrer Decke an und gaben uns Wasser zu kantrinken. Der Mann war einer derjenigen, der mit seinen Eseln an uns vorbeigezogen war und lobte uns für unsere Leistung. Mit den Frauen unterhielten wir uns über unsere Reise und erfuhren noch einige Details über Cabanaconde. Ein wirklich schöner Abschluss für so einen anstrengenden Tag!

Fazit:
** Paul und ich werden nie wieder wandern gehen **

© Kira Möller, 2015
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Am 1. Mai erfüllen Paul und ich uns endlich einen lang gehegten Traum: wir machen uns gemeinsam auf eine Reise durch Peru und Bolivien. Auch wenn ich bereits Erfahrungen in beiden Ländern sammeln konnte, warten dennoch einige Abenteuer auf uns, die wir gemeinsam erleben und genießen wollen.
Details:
Aufbruch: 01.05.2015
Dauer: 4 Wochen
Heimkehr: 29.05.2015
Reiseziele: Peru
Bolivien
Der Autor
 
Kira Möller berichtet seit 9 Jahren auf umdiewelt.