TimeOut in Südamerika

Reisezeit: April - August 2008  |  von Beatrice Feldbauer

Woche 1 12.-18. April 2008: Parilla

Ich sitze vor dem knisternden Feuer. Neben mir ein Glas Rotwein, vor mir - der Computer. So stellt man sich gemeinhin einen romantischen Abend vor. Doch lassen wir das Thema, es ist jedenfalls sehr gemütlich in meinem Bungalow.

Draussen ist es empfindlich kühl geworden. Der Wind fegt durch die Bäume und von weitem höre ich das Meer rauschen. Also doch ganz stimmungsvoll. "Zu einem richtigen Bungalow gehört in dieser Gegend ein Aussengrill, Parilla. Ohne den muss man gar nicht erst versuchen, einen Bungalow zu vermieten", klärte mich Hulda heute auf. Und zum Grill gehört natürlich genügend Holz. So wird mir also das Holz nicht so schnell ausgehen, auch wenn es noch richtig kalt werden sollte, diese Nacht. Das Holz stammt übrigens noch aus den Anfängen vom Pueblo Suizo. Ich habe Hans gefragt, wie es denn damals hier ausgesehen hätte. "Da war alles Wald, wir haben wochenlang mit der Motorsäge und schweren Maschinen den Wald gerodet" meinte er. "Das Holz haben wir gelagert und wir haben heute noch davon". Kaum mehr vorzustellen, heute stehen nur noch ein paar Pinien und Eukalyptusbäume auf dem Gelände. Zum Glück habe ich am letzten Freitag noch Streichhölzer bekommen, sonst würde mir jetzt das schöne Cheminee mitsamt dem ganzen Holzvorrat und den riesigen Pinienzapfen, die ich zum anzünden benutzt habe, gar nichts nutzen. Ich komme immer mehr zur Erkenntnis, dass die Geschenke, die ich sozusagen in letzter Minute bekommen habe, die wichtigsten Dinge waren, die ich in meine Reisetasche gepackt habe. Und das trotz monatelanger Pack-Vorbereitung! Das ist wohl der Vorteil von echten Freunden: sie wissen, was man im richtigen Moment braucht. (Freundinnen sind selbstverständlich in dieser Erkenntnis eingeschlossen.)

Ich versuche also, in dieser heimeligen Stimmung den heutigen Tag zusammenzufassen. Geweckt wurde ich vom Gesang eines tropischen Vogels. Mit seinem Widiwith vertrieb er mir den Schlaf. Also nichts wie unter die Dusche und zum Frühstück bei Jürgen vorsprechen. Wunderbar, was er mir jeden Tag vorsetzt. Vielleicht habe ich den Gürtel doch etwas voreilig gekürzt. Nach dem Frühstück stand schon Hans mit dem Wagen vor der Tür bereit. Hans und Hulda wollten mir Montevideo zeigen. Erst mal musste ich allerdings einen neuen Rucksack kaufen. Bei meinem hatte ich noch in Zürich einen Riemen abgerissen. Wir fuhren also ins nächste Shopping Center, wo ich sehr schnell einen multifunktionalen Rucksack fand. Während Hans ein Ersatzteil für eine Leitung auftrieb, stöberten Hulda und ich durch die kleinen Shops. Wir schlenderten durch Boutiquen, Souvenir- und CD-Shops, begutachteten Schmuck und verweilten im Bücherladen. Speziell für Uruguay sind die vielen Ledersachen. Vor allem Portemonaies und Handtaschen, aber auch Cowboystiefel und -Hüte. Schien mir aber noch etwas früh, mich in einen Kaufrausch zu stürzen. Vor allem wenn ich bedachte, dass ich alles, was ich heute kaufe, die restliche Zeit mitschleppen muss.

Nach einem gemütlichen Plauderstündchen im Café, zu dem sich auch Hans wieder gesellte, fuhren wir wirklich in die Stadt. Ungefähr 1,3 Millionen Menschen wohnen in der Hauptstadt. Das ist fast die Hälfte des ganzen Landes, das mehr als doppelt so gross wie die Schweiz ist. Entlang der Haupteinfahrtsstrasse verkündeten farbige Plakate lauthals, was in all den kleinen Geschäften angeboten wird. Imbisse, Pneuhändler, Möbel- und andere Geschäfte wechselten im buntem Kunterbunt und jede Tafel überbot die vorhergehende noch an Farbe und Lautstärke. Sofern man bei Plakaten von Lautstärke reden kann. Aber manchmal kommen mir diese Bilder schon fast wie Lautsprecher vor. Jeder bietet mehr und bessere Produkte an und wenn du genau hinsiehst, sind es kleine Bretterverschläge und heruntergekommene Hütten, in denen sich die kleinen Geschäfte befinden. Bald kamen wir in die besseren Vororte, wo sich hinter dichten Hecken und spitzen Gitterzäunen die Häuser und Villen der Reichen verstecken. Breite zweispurige Strassen führen bis in die City, wo die Häuser immer höher werden. Hier gibt es historische Häuser mit verschnörkelten Fassaden neben Neubauten mit komplett verspiegelten Glasfronten, wie man sie von jeder Grossstadt kennt. Es herrschte ziemlich starker Verkehr, aber dank Lichtsignalanlagen die aufeinander abgestimmt waren, kamen wir zügig voran. Und dann kommt einem mitten in der Stadt immer wieder einmal ein Pferd mit Wagen entgegen. Es sind Lumpensammler, die versuchen, aus den Abfällen der Stadt noch einen kleinen Verdienst zu holen. Der Bevölkerung scheint es nicht schlecht zu gehen, mindestens ist die Armut in der Stadt nicht auf den ersten Blick offensichtlich. Ausserhalb der Stadt fallen die Hütten der ärmeren Bevölkerung eher auf, aber in der Stadt sah ich kaum einen Bettler.

Wir parkierten beim Platz der Unabhängigkeit (Plaza de la Independenzia) wo das Denkmal des uruguayanischen Helden steht. Uruguay wurde 1829 unabhängig von Argentinien.

Hoch zu Ross ritt der José Artigas weiter dem Sieg entgegen, während wir zum Hafen weiter fuhren. Hier in der alten Markthalle empfing uns ein ganz spezieller Duft. Parilla neben Parilla. Lauter kleine, zum teil sehr gepflegte Restaurants mit einem Riesengrill, auf dem Fleisch und Würste auf Kundschaft warteten. Eindeutig nichts für Vegetarier. Mir lief schon beim blossen Riechen das Wasser im Mund zusammen und der Magen freute sich gleich auf ein reichhaltiges Mittagessen.

Wir bestellten ein kleines Filet, das sich als mindestens doppeltes Schweizer Filet entpuppte. Und es schmeckte auch wie es roch. Einfach himmlisch. Zusammen mit einem guten Uruguayanischen Rotwein: ein Gedicht. Und trotz doppelter Höhe, genau auf den Punkt gebraten. Es war bereits später Nachmittag, als wir den alten Markt wieder verliessen. Entlang dem Meer mit seinem wunderschönen, im Moment menschenleeren Sandstrand fuhren wir aus der Stadt und über die Autobahn bis zum km 77,5 wo die Abzweigung zum Pueblo Suiza ist.

Für den Strandspaziergang, den ich mir gestern vorgenommen hatte, war ich zu müde und so holte ich mir später nur noch einen Salat aus dem Restaurant und machte es mir in meinen vier Wänden gemütlich.

Und da sitze ich jetzt noch immer. Das Feuer ist inzwischen heruntergebrannt. Bin zu müde, um draussen neues Holz zu holen. Ich werde jetzt noch diesen Bericht ins Internet stellen, damit ihr am Morgen wenn ihr aufwacht, etwas zu lesen habt, dann verziehe ich mich ins Reich der Träume.

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Die Reise
 
Worum geht's?:
Nicht Nichtstun steht im Mittelpunkt. Sondern etwas tun, wofür im normalen Alltag zu wenig Zeit bleibt. Meine beiden Leidenschaften Reisen und Schreiben möchte ich miteinander verbinden. Und wenn mich dabei jemand begleitet, umso schöner. Es sind vor allem Geschichten, die ich erzähle und erst in zweiter Linie Beschreibungen von Orten und Gebäuden. Ich möchte versuchen, Stimmungen herüberzubringen. Feelings, sentimientos. Wenn mir das manchmal gelingt, ist mein Ziel erreicht.
Details:
Aufbruch: 12.04.2008
Dauer: 4 Monate
Heimkehr: 03.08.2008
Reiseziele: Uruguay
Brasilien
Paraguay
Argentinien
Chile
Bolivien
Peru
Guatemala
Der Autor
 
Beatrice Feldbauer berichtet seit 20 Jahren auf umdiewelt.
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