Venezuela individuell April/Mai 2007

Reisezeit: April / Mai 2007  |  von Jens-Torsten Bohlke

Tag 10 der Reise ... immer noch in Caracas

Wie zu erwarten, hat sich das Sony Service Center leider nicht binnen 36 Stunden gemeldet, um mir was zum Stand der Dinge mit meiner defekten DSC-P200 Digitalkamera mitzuteilen. Ich mache morgens erstmal einen Kassensturz. 800.000 Bolivares packe ich in die Reserve, 15.000 Bolivares Taschengeld werde ich heute bei mir haben. Ich werde nochmals Geld holen und mir ein Moskitonachbehandlungsmittel kaufen. Mein Plan ist es, mit mindestens 1 Mio Bolivares am Dienstag oder spätestens Mittwoch Caracas Richtung Colonia Tovar auf dem Wege nach Mérida in den Anden zu verlassen. Ich werde auch Miguel anrufen, der mich hier in Caracas bisher bestens betreute. Vielleicht hat er was für mich am Wochenende (?).

Schön wäre auch, ein Internetcafe zu finden, wo ich meinen Laptop anschliessen könnte und endlich meiner philippinischen Freundin ein Lebenszeichen via yahoo messenger zukommen lassen kann... . Ich habe zwar gestern so ein Internetcafe mit "banda ancha" (Breitband) gefunden, aber da war alles bis auf den letzten Platz um 13 Uhr von Schülern besetzt ... frustriert bin ich weitergezogen. Heute ist Samstag, da hat das Internetcafe hier im 4. Stock des Hotels geschlossen.

Gegen 9 Uhr beginne ich meine Tour mit einem Gang in die Bäckerei an La Doubleta zwecks Frühstück, Schinkenbrötchen mit kleiner Flasche Wasser für 4.750 Bolivares. Grosse Flaschen Trinkwasser sind ausverkauft, leider. Dann gehe ich zurück ins Hotel, wo gerade mein Zimmer gemacht wird. Ich frage die Putzfrau, die das Regierungsfernsehen beim Putzen in meinem Zimmer laufen lässt, warum ich immer einen privaten Fernsehkanal eingestellt vorfinde, wenn ich zurückkomme in mein Zimmer. Dies sei Anweisung der Chefin für alle Zimmer, so ihre Antwort. Oki, kein Problem, sie bekommt ein kleines Trinkgeld und Lob für ihre gute Arbeit. Ich nehme meinen Camcorder mit in den Samstagsausflug Richtung Capitolio, natürlich wie immer guter abgetarnt in meiner abgegriffen aussehenden Umhängetasche und nicht in der Camcordertasche. Ich steige dann in den Bus Richtung Capitolio ein und zahle 900 Bolivares für die 15 min Fahrt durch den Stau.

Erstmal geht es dann mit der Metro wieder die ca. 10 Stationen weiter nach Chacao zur Banco de Venezuela zwecks Geldabhebung am ATM. In Chacao versammelt sich auf der Avenida ein Aufmarsch mit Polizisten und Krankenwagen. Ich bringe in Erfahrung, dass hier 200 Jahre Bestehen von Chacao gefeiert werden soll mit einer Parade. Ich nehme wieder die Metro und fahre zurück zum Capitolio, wo ich ein paar schöne Filmaufnahmen am und im Parlamentsgebäude mache und anschliessend weiter auf der Plaza de Bolivar mit dem schönen Park, wo viel geselliges Treiben herrscht. Ich gönne mir im Restaurant LA TORRE nahe der klein anmutenden Kathedrale ein gutes teures Mittagessen Lomo llanera für 25.000 Bolivares, bestehend aus einem guten Stück Rindfleisch, Kartoffeln, einem guten Stück Ziegenkäse, einem halben Avocado in langen Stücken, etwas Tomate, Salat, Gurke und Weissbrot sowie einigen Soußen. Dazu gönne ich mir 3 Gläser Guayaba-Nektar, ebenfalls sehr lecker. Mit Trinkgeld bin ich dann insgesamt 35.000 Bolivares los dafür. Mein linkes Bein freute sich auch, ich konnte es ungeniert hochlegen. Vor dem Parlamentsgebäude machen ca. ein Dutzend nicht sonderlich vertrauensvoll wirkende Geschäftemacher laut auf sich aufmerksam, sie suchen Verkäufer von Dollars und Gold. Einige wollen Ausländern wie mir unbedingt ihre Karte in die Hand drücken, ich lehne deutlich ab. Für mich ist Ehrensache, hier keinen Spekulanten zu unterstützen.

Ich laufe zurück zur Avenida Baralt und gehe in die Querstrasse am Mc Donalds nahe der Metrostation Capitolio vorbei und finde in einer Seitenstrasse links nur ca. 5 min vom Mc Donalds entfernt tatsächlich ein Breitband-Internetcafe mit freien Plätzen und Öffnungszeit sogar sonntags von 10-18 Uhr (!), 3.800 Bolivares kosten mich 2 Stunden Surfen. Ich installiere den yahoo messenger, lese und beantworte die Mails meiner philippinischen Freundin und maile ihr auch meine Mailanschrift, damit sie mir mailen soll. Bei einer Zeitdifferenz von 12 Stunden ist jeder Chat fast unmöglich wegen der Öffnungszeiten hier in Venezuela. Meine anderen Mails erledige ich auch und kaufe anschliessend Moskitomittel für ca. 5.000 Bolivares bei TODOFARMA im Metrocentro am Capitolio.

An der Plaza de Bolivar treffe ich meinen peruanischen Bekannten Victor Enrique Saune Ayala, der etwas deutsch und niederländisch und französisch und englisch spricht, gerne politisches Asyl in Venezuela und ein Dach hier über dem Kopf und eine Erwerbstätigkeit hätte, also ohne Papiere hier lebt. Er fabriziert aus Leisten und Kartons eine kleine Ausstellung mit politischen Texten und Parolen, in denen er Partei für die Bolivarianische Revolution ergreift, Christus als ersten Kommunisten feiert und den jüdischen Zionismus sowie den USA-Imperialismus gleichermassen scharf verurteilt, ebenso wie Hitler und die blutigen reaktionären und faschistischen Diktatoren Lateinamerikas. Nachdem ich ihm gestern 20.000 Bolivares als Spende für seinen Unterhalt gegeben hatte, will er heute 30.000 Bolivares. Ich zahle ihm aber lediglich etwas zu essen und zu trinken und versichere, dass ich die Genossen von der PCV um dringende rasche Hilfe für ihn bitten werde. Er beklagt sich etwas über gutsituierte Funktionäre der Revolution, die jede Solidarität mit ihm vermissen lassen... .

Es wird allmählich Abenddämmerung, ich gehe lieber die Avenida Baralt hinunter wieder in mein Hotel. Bei Rudy, dem chickenroaster an der La Soublette, kaufe ich mir ein halbes Hähnchen für 11.000 Bolivares. An allen 4 Imbissplätzen an der La Soublette gibt es keine grossen Flaschen Trinkwasser, also kaufe ich nicht für eigentlich mehr Geld die kleinen Flaschen. Ich habe ja noch eine 1,5 Liter - Flasche im Hotel, und einen Liter stellt mir die Zimmerfrau jeden Tag rein. Dies reicht auch, bis Sonntag.

Im Hotelzimmer läuft im Regierungsprogramm Baseball zwischen Venezuela und Kuba. Erstmal dusche ich natürlich. Da ich kein sonderlicher Sportzuschauer bin, abgesehen von Boxkämpfen, ziehe ich den Stecker des Fernsehers und des Ventilators und brenne die 70 Minuten Filmaufnahmen auf 2 DVD-Scheiben. Was eine Stunde dauert. Danach läuft immer noch Baseball im Regierungskanal. Ich tippe meinen Reisebericht. Gut N8!

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Die Reise
 
Worum geht's?:
Dieser Reisebericht enthaelt meine ersten Erfahrungen mit Venezuela, wohin ich gereist bin, um mich insbesondere ueber die politische Entwicklung unter Hugo Chavez kundig zu machen und natuerlich dieses Land ausgiebigst kennenzulernen.
Details:
Aufbruch: 26.04.2007
Dauer: 4 Wochen
Heimkehr: 20.05.2007
Reiseziele: Venezuela
Der Autor
 
Jens-Torsten Bohlke berichtet seit 17 Jahren auf umdiewelt.
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