Abheben und am Bod-d-en bleiben

Reisezeit: Juni 2007  |  von Ilse Brandt

Barth - Zingst - Fischland

Montag, 4.6.07
Fritz fährt in den Nachbarort Pruchten, um Brötchen zu holen, aber die sind wabbelig und zäh, alter Jungfernbusen ist knackiger.
Wir fahren mit dem Auto nach Barth. Kostenloser Parkplatz gleich links am Ortseingang. Kurzer Weg bis zum Stadttor und dann in die hübsche Altstadt. Zuerst in die Kirche St. Marien, wo mich ein älterer Herr anspricht, er habe auch eine Canon Ixus-Camera und wir beide schimpfen noch darüber, dass niemals angezeigt wird, wann die Batterie zu Ende ist. Und was passiert mir? Als ich auf dem Hof des ehrwürdigen Fräuleinklosters fotografieren will, kommt das Zeichen: Akku laden! Ich verstehe das nicht, dass es in der heutigen Zeit nicht möglich ist, eine Camera mit Ladestand-Anzeige zu versehen!
Der kleine Hafen ist überschaubar. Ich kaufe für je 5.50 Euro zwei Deko-Möwen, wovon die eine einen Wendehals hat (positiv betrachtet!). Dann noch ein kurzer Spaziergang durch die Lange Straße, wo auch das Vineta Museum zu Hause ist. Meine Assoziation mit Vinothek erweist sich als falsch, als ich mich darüber aufklären lasse, dass es sich hier um ein großes Geheimnis handelt.
Zu Hause gibt es den Spargel und frische Kartoffeln von unserem gestrigen Straßeneinkauf.
Abends im TV sehen wir von den Krawallen gegen den G8 Gipfel in Rostock und sind froh, dass wir hier sind.

Dienstag, 5.6.07
Wollen wir mit dem Rad nach Zingst fahren? Ist doch nur ein Katzensprung, aber wir nehmen das Auto.
Erst mal muss man über die sehenswerte Meiningenbrücke, die täglich 2 x für ca. 30 Minuten hochgeklappt wird.
In Zingst parken wir zähneknirschend Parkschein lösend unser Auto am Hafen, nachdem wir nirgends kostenlose Parkmöglichkeiten finden.

(1. Stunde 2,- Euro, jede weitere 1 Euro, Tagesticket 6 Euro. )
Die Stadt ist hübsch herausgeputzt, nur selten sind noch grau-beige DDR-Bauten zu finden, die auch noch aus dem Dornröschenschlaf erwachen werden. - Wir bummeln ein wenig herum, gehen auf die Promenade, und suchen ein hübsches Restaurant. Fischbrötchen sind verlockend, aber wir holen uns lieber frischen Dorsch (1,79 Euro/100 g ) und ein Ministück geräucherten Aal (2,99 Euro /100 g )im Fischladen. Macht nichts, dass die Fischfrau muffelig war, der Fisch war frisch.
Abends gibt es das Ministückchen Aal, das höchstens für einen hohlen Zahn reicht, als ich den Kopf und die Gräten entferne. Er schmeckt nach "zu wenig und zu teuer!".

Mittwoch, 6.6.07
Es hat in der Nacht ziemlich gegossen. Auch beim Frühstück regnet es noch, und wir überlegen, ob wir lieber zu Hause bleiben und lesen oder es wagen, mit dem Rad zu fahren.
Als wir um 11.30 endlich die Räder aus dem Schuppen holen, fängt es wieder stärker an, aber wir haben Regenzeug mit und fahren los.
Gleich gegenüber vom Restaurant "Anderswie" an der Einfahrtsstraße kommt man zum alten Bahnhof. Dort beginnt der Radweg in beide Richtungen. Wir fahren nach Norden, der asphaltierte Weg ist noch nass, die Blätter glänzen feucht und zischelnd spritzt es unter den Rädern.-
Jetzt bin ich richtig angekommen: Die weiten Felder, der Geruch nach Gras, Holunder und Kamille, die salzige Luft, die zwitschernden Vögel, - das ist Norden, das ist See, das ist Anders! Ich strample in die Pedalen und wäre ich nicht schon weise-vorsichtig, würde ich freihändig fahren und laut jubeln!

Der Weg führt über die Meiningenbrücke, durch Wald bis zum Campingplatz und dann auf den Dammradweg. Da sind wir wohl die einzigen Wilden und überholen alle, die langsam dahinradeln.
Irgendwann nach der "Hohen Düne" eine Gabelung: "Prerow" oder 6 km zum "Leuchtturm Darßer Ort". Fritz ist nicht so begeistert, aber ich WILL zum Leuchtturm. Also los!
Unterwegs läuft uns ein kleines Füchslein über den Weg und eine gepflegte Dame fragt uns verängstigt, ob das normal sei. Normal? Was ist schon normal?
Als wir in die Villenstraße einfahren, stehen die Schilder wohl verdreht herum. Normal? Wir fahren einfach mal drauflos, dem Ortssinn nach, Bernsteinweg zum Strand, wir fahren dann irgendwo lang und kommen auf einen Parkplatz, - auch hier keine Hinweistafeln mehr, man muss fragen.
Ja, soll wohl richtig sein zum Leuchtturm.
Die Prerower Insel-Bahn "Dicke Nele" kommt uns entgegen. Am Endpunkt keine Beschilderung. Wohin?
Eine Dame aus dem Bummelzug rät uns zum Weg geradeaus, aber der wird eine reine Waschbrett-Tour auf alten DDR-Platten-Wegen, die uns furchtbar durchschüttelt. Macht keinen Spaß.
13.00 Endlich sind wir dann am Leuchtturm. Zum Glück kostet das Abstellen der Fahrräder noch (!) nichts.
Wir gehen wie andere auch ziemlich beschwerlich auf dem Sandweg bis zum Strand.
Kurzes Sonnen-an-gebet. dann wieder den Rückweg angetreten Richtung Prerow.
Meist wunderschöner, schmaler Waldweg, nur zuletzt vor Prerow Plattenweg. -
Auf dem Rückweg im Waldstück im Freesenbruch - ich traue meinen Augen nicht, - überqueren 3 riesige Hirsche den Fahrradweg, - knapp 50 m vor uns! Einer schaut uns noch an, und verschwindet dann mit den anderen in den Wald. Wahnsinn! Ich habe noch nie einen Hirsch mit einem so riesigen Geweih in freier Wildbahn gesehen.

Um 16.30 sind wir wieder zu Hause. Schnell wird der Dorsch in die Pfanne gehauen, ich mache gedünstetes Gurkengemüse mit Saurer Sahne und Dill, 2 Restkartoffeln von vorgestern, danach Käseplatte mit Augur, Chaumes und Behler Gutshofkaes, und dann noch Erdbeeren mit Schlagsahne. (Natürlich gibt es einen elektrischen Sahneschläger.)
Siesta, obwohl es uns sehr gut geht!
Angela Merkel hat beim G8 Gipfel gesagt: Die frische Meeresluft ordnet die Gedanken.

Donnerstag, 7.6.2007 (Fronleichnam)
Heute wollen wir mal mit dem Auto nach Fischland.
Man fährt gemütlich durch die wunderschöne Gegend, - am Anfang unterhalb des Damm-Radweges. Auch heute strampeln sie da oben, was die Pedale hergibt, wo auch wir gestern geradelt sind.
Wir durchfahren Prerow, Wieck, Born und halten in Ahrenshoop beim ersten Parkplatz
1. Stunde 0,50 Euro, 3 Std. 1,oo Euro.
Ich habe so viel über Ahrenshoop gelesen, von Künstlerkolonien und Künstlerflair, von unzähligen Töpfereien und Schnickschnack-Läden. Gibt es. Ja, es gibt Galerien, es gibt Töpfereien, - aber von Künstlerflair haben wir nichts bemerkt. Ich habe den Eindruck, dass man mit den längst vergangenen Zeiten (Paul Müller-Kaempff, die "Malweiber" des 19. Jahrhunderts, Edmund Kesting, Fritz Grebe usw.) auch heute noch Werbung macht, schließlich lebt Korsika heute auch noch vom Napoléon!
Aber das ist alles Geschmacksache. Wir gönnen dem Steilufer noch einen langen Augenblick, der unter uns liegende Sandstrand ist wirklich traumhaft!
Auf dem Rückweg zum Autoparkplatz zieht uns ein unscheinbarer Imbiss-Stand "Fischkiste",
Dorfstraße 41, an. Da wir gern die "kleinen" Unternehmer unterstützen, setzen wir uns in die schattige Sitzecke zu anderen wahrscheinlich Stammkunden. Es wird geschwärmt vom frischesten Fisch, von der besten Fischsuppe und vom freundlichsten Fischer.
Die Fischsuppe ist tatsächlich gut, sättigend und preiswert(3,50 Euro mit Brot) und der Fisch war garantiert nicht länger tot als er lebendig war, versichert man uns...
Dann fahren wir weiter nach Wustrow. Dieser Ort ist kleiner, bescheidener, und irgendwie gefällt er uns besser als Ahrenshoop. Hinter einem Edeka-Geschäft parken wir für kurze Zeit und spazieren zum Hafen und zum Abschluss steige ich auch noch auf den Kirchturm der evangelischen Kirche. Toller Rundblick auf Fischland, Ostsee und Saaler Bodden! Eine kleine Spende von 1 Euro wird erbeten.
In Haui's Fischladen, gegenüber vom Ehemaligen Kaiserlichen Postamt (Heute Infostelle) kaufe ich 3 Rollmöpse und diesmal etwas mehr Räucheraal, beides preiswerter als im Zingster Fischladen und dazu noch freundliche Bedienung!
Abends gibt es knusprige Rösti (dank der guten Teflon-Pfanne in unserer Küche!) und dazu Fisch vom Fischland.

© Ilse Brandt, 2007
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Wir wollten wieder an die Ostsee! Unsere Freunde aus Bremen gaben uns den Tipp "Fahrt mal nach Fischland oder Darß am Bodden" "Wo ist das denn ? Wie schreibt sich das?" - "Bodden mit zwei d und es ist beinahe schon Ostsee !" Das Internet klärt mich auf: Fischland - Darss - Zingst, - schönste Halbinsel der deutschen Ostseeküste.-
Details:
Aufbruch: 03.06.2007
Dauer: 11 Tage
Heimkehr: 13.06.2007
Reiseziele: Deutschland
Der Autor
 
Ilse Brandt berichtet seit 18 Jahren auf umdiewelt.
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