Leinen los und los!

Reisezeit: April - Oktober 2007  |  von Doris Sutter

Dortmund-Ems-Kanal

"Opel fahn, datt is als wie wennze fliechs!"

Woll, wir sind im Ruhrgebiet.

Mitten im Pott ist der größte europäische Knotenpunkt für die Binnenschifffahrt. In Datteln kreuzen sich vier Kanäle, Rhein-Herne-Kanal, Wesel-Datteln-Kanal, Datteln-Hamm-Kanal und Dortmund-Ems-Kanal. Dieses Kanalkreuz bildet neben der Rheinschifffahrt das Herz der westdeutschen Binnenschifffahrt.

Unser Weg führte vom Rhein über den Rhein-Herne-Kanal (RHK) beim Alten Schiffshebewerk Henrichenburg in den Dortmund-Ems-Kanal (DEK).
Das alte Hebewerk war bis 1962 in Betrieb, wurde durch ein neues Hebewerk und eine Schacht-Schleuse ersetzt, die mittlerweile auch beide geschlossen wurden.
Jetzt schleust man mit einer neuen, 190 m langen Schleuse Richtung Dortmund.
Das Hebewerk aus dem 19. Jahrhundert ist heute ein Standort des Westfälischen Industriemuseums und beide Hebewerke sind eine Augenweide. Da lohnt es sich in einem der Vereine des Unterwassers anzulegen und das Museum zu besuchen.

Das Schiffshebewerk Henrichenburg in Waltrop ermöglichte Schiffen einen Höhenunterschied von 14 m zu überwinden. Heute ist es ein Standort des Westfälischen Industriemuseums

Das Schiffshebewerk Henrichenburg in Waltrop ermöglichte Schiffen einen Höhenunterschied von 14 m zu überwinden. Heute ist es ein Standort des Westfälischen Industriemuseums

die alte Schachtschleuse Henrichenburg wurde auch stillgelegt, eine Strasse führt heute mitten durch

die alte Schachtschleuse Henrichenburg wurde auch stillgelegt, eine Strasse führt heute mitten durch

Der DEK, 223 km lang, zwischen Dortmund und Papenburg mit 17 Schleusen, ist 2007 eine einzige Baustelle. Entsprechend langsam ist das Fortkommen, denn in den Engstellen stauen sich Berufsschiffe oder können sich nicht begegnen, wenn ein Bagger die Fahrrinne füllt.
In Waltrop trifft der RHK auf den DEK. Bis Münster liegen 55 schleusenfreie Kilometer vor uns.

Nordrhein-Westfalen pumpt Millionen in den Ausbau des Dortmund-Ems-Kanal

Nordrhein-Westfalen pumpt Millionen in den Ausbau des Dortmund-Ems-Kanal

Das Wasser ist, außer natürlich in den Baustellenbereichen, sehr sauber. Oftmals ist der Kanal höher als das Land, was einen schönen Ausblick erlaubt.
Streckenweise sind die Ufer mit Büschen und Bäumen bepflanzt, sie bilden regelrechte Alleen.
Was einem beim Studium der Kanalkarten sofort auffällt, ist die Bezeichnung "Alte Fahrt" für die stillgelegten ehemaligen Kanalteile.
Nach dem Krieg sollte das Kanalbett verbreitert werden. Weil sich das in manchen Streckenabschnitten nicht so leicht durchführen ließ, wurde der Bau der Neuen Fahrt beschlossen. Dafür wurde der Kanal parallel zum bestehenden komplett neu gebaut. Die Alte Fahrt wurde für den Schiffsverkehr gesperrt, teilweise zugeschüttet, ein Teil dient als Biotop und in einigen Teilen sind viele kleine aber auch größere Yachthäfen untergebracht. An manchen Stellen ist sogar ankern erlaubt.
Wir werden im Laufe unserer Reise feststellen, dass die an den Alten Fahrten vorbei fahrenden Berufsschiffe unheimlich viel Wasser aus den Kanalstücken ziehen. Das Boot ist ungeheuren Kräften ausgesetzt und zerrt knirschend an den Tauen.

Am Kanalufer stehen immer mal wieder große Schilder mit der Bezeichnung "Düker".
Was oder wer ist ein Düker?
Das Lexikon sagt: Düker ist eine Unterführung von Wasser- oder Kanalleitungen unter Straßen, Eisenbahnlinien oder Kanälen.
Na, dann wäre das schon mal geklärt.

Eigentlich wollten wir in Münster einen Halt einlegen, doch der Stadthafen konnte uns nicht begeistern und der Yachthafen im Oberwasser der alten Schleuse im Bereich der Baustelle für die neue Schleuse hat uns auch nicht gereizt.

Jachthafen "Alte Fahrt Fuestrup"

Jachthafen "Alte Fahrt Fuestrup"

So wurde unser erster Stopp die Marina "Alte Fahrt Fuestrup".
In Oberhausen hat uns der Hafenmeister mit dem gestreckten Zeigefinger einen Platz zugewiesen, wohl wissend, dass man die winzigen Ringe nicht vom Boot aus ergreifen kann, sondern auf den Steg hüpfen muss, und sich dann umgedreht und seinen Plausch nicht unterbrochen. Hier kommen gleich zwei Männer angerannt und helfen das Boot zu belegen.
Mit Handschlag stellt sich Hafenmeister Klaus Nowacki vor und heißt uns herzlich willkommen. Ruckzuck wissen wir wo Restaurant, Sanitärräume und Müllcontainer sind. Wir bekommen morgen früh frische Brötchen, hören, dass um viertel vor zehn ein fahrbarer Tante-Emma-Laden kommt, notieren die Codes der Tore und sind eigentlich sofort richtig zu Hause.
Hier wird es auch bei einem längeren Aufenthalt nicht langweilig.
Es gibt einen Grillplatz und einen Spielplatz für Kinder.
Man kann Fahrräder mieten (wenn man keine dabei hat) und das Münsterland mit seinen ausgedehnten Spargelfeldern unsicher machen. Am liebsten hätten wir unseren Aufenthalt um ein paar Wochen verlängert.

Klaus Nowacki, Chef der Marina Alte Fahrt Fuestrup

Klaus Nowacki, Chef der Marina Alte Fahrt Fuestrup

so schnell kommt keiner von Dover nach Calis wie im Fuestruper Hafen

so schnell kommt keiner von Dover nach Calis wie im Fuestruper Hafen

www.yachthafen-fuestrup.de

ein Blick in die Website lohnt sich auch für Camper.

Auf jeden Fall macht diese Marina dem Münsterland alle Ehre.

ein Teil der Alten Fahrt Fuestrup wurde zugeschüttet

ein Teil der Alten Fahrt Fuestrup wurde zugeschüttet

"Dem einen sein Uhl, ist dem anderen sein Nachtigall."
Es regnet auf unserem weiteren Weg und macht die ein wenig eintönige Wasserstraße nicht interessanter.
Auch hier gehen die Arbeiten zur Verbreiterung des Kanals weiter. Die Schifffahrt ist nicht unterbrochen und eigentlich auch nur wenig behindert.

28 schleusenfreie Kilometer bringen uns zum Nassen Dreieck, dem Abzweig des Mittellandkanals. Doch dann wird's Ernst. Auf einer Strecke von 30 Kilometer geht es mit 6 Schleusen abwärts. Die Schleusen haben keine Schwimmpoller und auf einigen Schleusen sind vorne und hinten je ein Schleusenhäuschen. Je nach Schleusung muss der Schleusenmeister zwischen diesen Häuschen hin und her laufen. Hoffentlich bekommt er auch Kilometergeld.

Der Kanal ist nunmehr sehr idyllisch mit Baumalleen, teilweise richtigen Wäldern, bewachsen. Leider verhindert der dichte Bewuchs aber einen Blick ins Hinterland und auf die wunderschönen, für Norddeutschland so typischen Backsteinhäuschen

Irritation gibt es über die Angaben in den Handbüchern über die Liegestelle Lingen.
Ein alter Holländer hält uns mitten im Kanal an um zu erfragen, wo denn der Neue Lingener Hafen sei.
Bei Kilometer 145,5 ist die Einfahrt in den Alten Hafen Lingen. Im Becken sind Spundwände. Eine Seite nimmt eine Baustofffirma ein. Möglicherweise erhält sie noch Material von der Berufsschifffahrt, aber es ist kein Kran zum Entladen zu sehen. Vermutlich hat die Berufsschifffahrt diesen Hafen aufgegeben.
Vom Hafen aus sind es nur etwa 400 m in die Stadt Lingen, einem Lidl-, Schlecker- und Kik-Markt.

Alter Hafen Lingen

Alter Hafen Lingen

Der Neue Hafen Lingen ist bei km 146,5. Es ist aber kein Hafen, sondern nur eine Einbuchtung im Kanal mit einigen Dalben. Am einzigen Steiger ist Anlegen verboten.

Noch mehr, als einige nicht mehr ganz aktuelle Angaben in den Reiseführern, irritieren uns die Schleusenmeister.
Die Freundlichkeit der Schleusenmeister. Hier gibt es keine Wartezeiten auf nachfolgende Berufsschiffe. Im Gegenteil, oftmals zeigt die Schleusenampel schon grün, bevor wir uns noch über Funk gemeldet haben.
Hier sind Sportboote gleichwertige Verkehrsteilnehmer und kein lästiges Übel wie an der Mosel.
Schon dieses Erlebnis ist eine Fahrt durch den sehr gepflegten Kanal wert.

Für besonders sportliche Radfahrer gibt es die Dortmund-Ems-Kanal-Route.
Sie führt von Dortmund nach Norddeich. Die Strecke ist fast steigungsfrei und läuft überwiegend auf den gut befahrbaren Wegen des Kanalufers und nach Verlassen des Ruhrgebietes größtenteils abseits von Städten und Dörfern. Man gelangt vom Ruhrgebiet über das Münster- und Emsland durch Ostfriesland bis zum Wattenmeer an der Nordseeküste. Was auch von vielen Radfahrern genutzt wird.

Die mittlere Ems zwischen Lingen-Hanekenfähr und Papenburg teilt sich streckenweise das Bett mit dem DEK.
Es gibt wunderschöne kleine Altarme, die zum ankern, ausruhen und baden einladen. Das Wasser ist glasklar.
Fährt man im Fluss, hat man auch etwas Strömung.

im Altarm der Ems

im Altarm der Ems

In Haren muss man sich entscheiden. Macht man eine Rast in dem neu gebauten Yachthafen oder zweigt man in den Haren-Rütenbrock-Kanal ab. Er ist die einzige Binnenwasserstrasse zwischen dem Ruhrgebiet und der Nordsee nach Holland.
Mann kann diese sehr idyllische Route über das holländische Kanalnetz nach Groningen wählen oder weiter flussabwärts schippern in das Tidengebiet der Ems Richtung Emden und Dollart um über Delfzijl nach Holland zu gelangen, die Ostfriesischen Inseln zu erkunden oder über Küstenkanal und Hunte in die Weser zu gelangen.

© Doris Sutter, 2007
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Begleitet Beluga und ihre Crew auf ihrer Bootsreise durch Deutschland, Holland, Belgien und Frankreich. Man kann 100.000 km mit einem Jet zurücklegen, ohne Mitteilungswertes zu erfahren, aber man kann in einer Stunde gemütlicher Fluss- oder Kanalfahrt auf dem altmodischsten aller Fortbewegungsmittel, dem Boot, sensationelle Erlebnisse haben.
Details:
Aufbruch: April 2007
Dauer: 6 Monate
Heimkehr: Oktober 2007
Reiseziele: Deutschland
Niederlande
Frankreich
Luxemburg
Der Autor
 
Doris Sutter berichtet seit 19 Jahren auf umdiewelt.
Reiseberichte von Doris sind von der umdiewelt-Redaktion als besonders lesenswert ausgezeichnet worden!
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