Ruhrgebiet - unterschätztes Reisegebiet

Reisezeit: September / Oktober 2014  |  von Herbert S.

Hagen: Hohenhof als Keimzelle in Hagen-Emst

Uns Jugendstil-Fans reizte schon lange ein Besuch des Hohenhofs in Hagen. Aber da die Villa nur sonntags geöffnet ist, mußten wir uns ein passendes Wochenende aussuchen, um mit der Villa auch die anderen Exempel des Hagener Impulses ansehen zu können.

DER HOHENHOF IN HAGEN
Der Hohenhof war schon von Karl Ernst Osthaus nicht nur als privates Wohnhaus konzipiert worden. Vielmehr sollte er als Modell für ein neues Wohnen dienen. Heute gilt er daher zu Recht als ein weit über Hagen hinausreichendes Modell der Moderne. Da Osthaus keine Einrichtungsstücke aus seinem alten Domizil mitnehmen wollte, konnte bis zum letzten Möbelstück alles einheitlich angefertigt werden.

Plakat der Route der Industriekultur - Hohenhof gehört zur Themenroute 'Unternehmervillen'

Plakat der Route der Industriekultur - Hohenhof gehört zur Themenroute 'Unternehmervillen'

Das Landhaus wurde von dem belgischen Künstler-Architekten Henry van de Velde zwischen 1906 und 1908 für den Hagener Kunstsammler und Kulturreformer Karl Ernst Osthaus gebaut.

Das Gesamtkunstwerk Hohenhof wurde "aus einem Guß" erschaffen. Von der Architektur bis hin zu den Möbeln, Wanddekorationen und Bodenbelägen, Lampen, Stoffen und Geschirr: jedes Element wurde für den betreffenden Raum individuell entwickelt. Wie bei der Komposition eines Gemäldes wurden alle Details aufeinander abgestimmt und klingen zusammen in einem "Konzert der Künste", in den jeweiligen Raum eingebunden oder, wie beispielsweise das Fliesen-Triptychon von Henri Matisse, sogar eigens angefertigt.
Das Landhaus wurde von dem belgischen Künstler-Architekten Henry van de Velde zwischen 1906 und 1908 für den Hagener Kunstsammler und Kulturreformer Karl Ernst Osthaus gebaut.
Hier taucht der Besucher in eine faszinierende Welt ein: der Hohenhof ist eines der wenigen erhaltenen Beispiele für ein Jugendstil-Gesamtkunstwerk.

Das Herz des Hohenhofes bildet die festlich-elegante Empfangshalle: hier kreuzen sich alle Verkehrswege des Hauses. Entsprechend der Zahl ihrer Zugänge erhielt die Halle einen sechseckigen Grundriss.

Das Herz des Hohenhofes bildet die festlich-elegante Empfangshalle: hier kreuzen sich alle Verkehrswege des Hauses. Entsprechend der Zahl ihrer Zugänge erhielt die Halle einen sechseckigen Grundriss.

Die Einrichtung des Verweilraumes zur Linken nimmt Bezug auf das Gemälde "Der Auserwählte" (1890) von Ferdinand Hodler, einem der bekanntesten Schweizer Maler des 19. Jahrhunderts.

Die Einrichtung des Verweilraumes zur Linken nimmt Bezug auf das Gemälde "Der Auserwählte" (1890) von Ferdinand Hodler, einem der bekanntesten Schweizer Maler des 19. Jahrhunderts.

Das Arbeitszimmer von Karl Ernst Osthaus, Höhepunkt der Raumabfolge im Erdgeschoss, wird durch einen achsensymmetrischen Grundriss geprägt. Die Breite der Schreibtischnische definiert die Raumachse, betont durch vier auf Holzpostamenten aufliegende, üppige Ziervoluten. Die eingebauten Möbel aus grau polierter Esche hatten einen grünlichen Grundton.

Gegen den Protest des Architekten van de Velde, der für die Raumdecke ein gebrochenes Weiß vorsah, ließ Osthaus 1911 eine in orange, graugrün und blau gehaltene Schablonenmalerei von Johan Thorn Prikker auftragen.

Gegen den Protest des Architekten van de Velde, der für die Raumdecke ein gebrochenes Weiß vorsah, ließ Osthaus 1911 eine in orange, graugrün und blau gehaltene Schablonenmalerei von Johan Thorn Prikker auftragen.

Musikzimmer

Musikzimmer

Speisezimmer

Speisezimmer

In elegantem Schwung führt die Treppe zu den Privaträumen in der oberen Etage. Eine bleiverglaste, fünfteilige Glasmalerei von Johan Thorn Prikker (um 1911), die das symbolische Motiv der Verdrängung der Finsternis durch Licht und Farbe zeigt, schmückt das Treppenhaus.

Treppenhaus

Treppenhaus

Der private Rückzugsraum der Familie im Obergeschoss, das Kaminzimmer, ist vom Flur durch eine Fensterwand abgetrennt. Die rötlichbraun gemusterte Wandbespannung aus bedrucktem Baumwollstoff mit traditionellen javanischen Batikmotiven verleiht dem Zimmer eine behagliche Atmosphäre.

Der gekachelte Kamin mit aufgesetztem holzumrahmtem Spiegel und kupfernem Einsatz stammt aus der ersten Wohnung der Familie im Museum Folkwang.

Der gekachelte Kamin mit aufgesetztem holzumrahmtem Spiegel und kupfernem Einsatz stammt aus der ersten Wohnung der Familie im Museum Folkwang.

Das Ehebett wird alkovenartig an den beiden Seiten des Kopfendes von Wandvorlagen eingefasst, die vor Zugluft schützen sollten. Sämtliche Möbel sind Originale.

Schlafzimmer

Schlafzimmer

Wie bereits beschrieben alle Einrichtungsgegenstände eigens für die Villa entworfen - dazu gehören auch die diversen Leuchter.

Leuchten

Leuchten

Einrichtungsgegenstände

Einrichtungsgegenstände

Das Gebäude selbst besteht aus dem blaugrauen Kalkstein eines benachbarten Steinbruches, gestaltet als massives Bruchsteinmauerwerk. Die harmonische Verbindung des Baumaterials mit glatter, schwarzer Niedermendiger Basaltlava und dem bläulichen Moselschiefer des Daches sowie den Farben weiß und moosgrün für Türen und Fenster steht in der bergisch-märkischen Tradition und entspricht so dem Heimatschutzgedanken der Bauzeit.

Der Hohenhof sollte nicht nur als Einzelwerk exemplarisch sein, sondern Teil einer vorbildlich gestalteten Wohnsiedlung werden - ähnlich der Mathildenhöhe in Darmstadt. So kaufte der Mäzen ein Grundstück für eine neue Kolonie, die Gartenstadt Hohenhagen.
Osthaus wollte mit der Stiftung einen Kontrapunkt zur Industrialisierung der Landschaft setzen. Geplant wurde die Gartenstadt Hohenhagen als Künstlerkolonie. Zur Realisierung seiner Idee verpflichtete Osthaus namhafte Künstler und Architekten. An den Planungen der Gartenstadt waren Peter Behrens, Henry van de Velde und der holländische Architekt Jan Ludovicus Mathieu Lauweriks maßgeblich beteiligt.
Die Planungen gingen zunächst von der Errichtung von 16 Villen aus. ;
Da Karl Ernst Osthaus bereits 1921 starb, konnte das Gesamtkunstwerk Hohenhagen nicht vollendet werden.

1909 beauftragte Osthaus den holländischen Architekten J. L. M. Lauweriks (1864-1936) mit der Planung für die Künstlerkolonie Hohenhagen. Für die Bebauung der Straße 'Am Stirnband' realisierte Lauweriks zwischen 1910 und 1914 neun Häuser, bei deren Gestaltung er eine von ihm neu entwickelte architektonische Systemlehre anwandte.

Stirnband 46 -  J.L.M. Lauwerik

Stirnband 46 - J.L.M. Lauwerik

Stirnband 48 -  J.L.M. Lauwerik

Stirnband 48 - J.L.M. Lauwerik

Peter Behrens entwarf und erbaute drei Häuser an der Haßleyer Straße, darunter die Villa Cuno, bewohnt von dem damaligen Hagener Oberbürgermeister Willy Cuno, kennzeichnet eine klassizistischstrenge
Fassadengestaltung mit einem halbkreisförmig heraustretenden Treppenhaus. In der Gartenpforte und der Balkonbrüstung verweisen Kreis-, Quadrat- und Dreieckelemente auf die generelle Geometrisierung, die sich ehemals auch in der Innenausstattung fortsetzte. Walter Gropius arbeitete als Behrens' Assistent an der Ausführung mit.

Villa Cuno - Haßleyer Str. - 1909/10

Villa Cuno - Haßleyer Str. - 1909/10

Die Gebr. Ludwigs verarbeiteten anfangs Stilelemente, die sie während
ihrer ersten praktischen Erfahrung in St. Gallen kennen gelernt hatten. Die für den Fabrikanten Vollmerhaus gebaute Villa weist das geschwungene Mansardendach und die barockisierende Fensterreihe in Anlehnung an die Appenzeller Wagenfenster auf. Das Streben nach stilistischer Vereinheitlichung zeigt sich in der schmiedeeisernen Torgestaltung

Wohnhaus Haßleyer Str. 14 - Architekten Gebr. Ludwigs, 1909/11

Wohnhaus Haßleyer Str. 14 - Architekten Gebr. Ludwigs, 1909/11

Das für den Kaufmann Mühlhof errichtete "Haus Nest" greift die
lange St. Galler Tradition der Erken auf. Eine St. Galler Besonderheit
sind die Zwillingserker. Sie befinden sich wie hier an den Ecken der
Gebäudefrontansicht, für gewöhnlich im obersten Stockwerk, wie
Mauertürmchen einer mittelalterlichen Burg. So sind auch Häusernamen
in St. Gallen im Gegensatz zu Hagen und Umgebung üblich.

Haus Nest - Haßleyer Str. 10 - Architekten Gebr. Ludwigs - 1909/11

Haus Nest - Haßleyer Str. 10 - Architekten Gebr. Ludwigs - 1909/11

© Herbert S., 2015
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Die Reise
 
Worum geht's?:
regelmäßiger Besuch bei Freunden nördlich des Ruhrgebietes machte uns einzelne Sehenswürdigkeiten schmackhaft - außerdem gibt es dort auch mehrere Sterneköche! Nicht alle Kapitel entstanden auf einer Reise! es könnte eine Fortsetzungsreihe werden!
Details:
Aufbruch: September 2014
Dauer: circa 4 Wochen
Heimkehr: Oktober 2014
Reiseziele: Deutschland
Der Autor
 
Herbert S. berichtet seit 18 Jahren auf umdiewelt.
Reiseberichte von Herbert sind von der umdiewelt-Redaktion als besonders lesenswert ausgezeichnet worden!
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