Radreise in Zeiten von Corona

Reisezeit: August 2020  |  von Klaus Lüttgen

12.Tag Glowe (Baldereck) - Küste, 62 km

Cap Arcona/Rügen

Cap Arcona/Rügen

Leuchtturm am Cap Arcona/Rügen

Leuchtturm am Cap Arcona/Rügen

Cap Arcona/Rügen

Cap Arcona/Rügen

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Dranske/Rügen

Dranske/Rügen

Bei diesem Ausblick zwischen Kap Arcona und Nonnewitz, lies es sich ausgezeichnet schlafen.

Bei diesem Ausblick zwischen Kap Arcona und Nonnewitz, lies es sich ausgezeichnet schlafen.

Bei diesem Ausblick zwischen Kap Arcona und Nonnewitz, lies es sich ausgezeichnet schlafen.

Bei diesem Ausblick zwischen Kap Arcona und Nonnewitz, lies es sich ausgezeichnet schlafen.

Bei diesem Ausblick zwischen Kap Arcona und Nonnewitz, lies es sich ausgezeichnet schlafen.

Bei diesem Ausblick zwischen Kap Arcona und Nonnewitz, lies es sich ausgezeichnet schlafen.

12.Tag Glowe (Baldereck) - Küste, 62 km

Überraschender weise habe ich die Nacht auf der Matratze mit Brett unten drunter ganz gut verbracht. Lag wohl auch daran, dass mein verwöhnter Body, sich mit den Bedingungen der Tour mittlerweile arrangieren konnte. Ich lasse mir heute Zeit mit den Dingen und dusche auch nochmal - wer weiß schon, wann ich dies das nächste Mal machen kann. Um 10:15 verabschiede ich mich von der Wirtin, die gerade im Garten steht und mit der Harke über das staubige Beet ackert, so als suche sie nach dem Quell der Erleuchtung. Ja, sage ich kühn; wir könnten mal eine gute Schippe Regen vertragen, nicht wahr!? Dann steige ich in den Sattel und galoppiere zur Wegbiegung. Hier halte ich rechts runter und bin umgehend von Autos umzingelt. Einer hupt direkt mal. OK - zugegeben. Ich habe mich schon etwas frech in die Abbiegespur gezwungen. Doch von alleine kommt keiner der viel zu schnellen Blechdosen darauf, dass ein Radfahrer hier ebenfalls abbiegen darf. Anhalten, war früher mal. Heute geht es nur noch um den Zweikampf und die eigenen Ellenbogen! Na überhaupt hat mir, die idyllisch ruhige Gegend zu Anfang meiner Liaison auf Rügen, um Seedorf herum, erheblich besser gefallen. Doch sprach die Wirtin eben nicht noch davon, dass es hinter Glowe bis Juliusruh - wie passend das klingt, dann wieder ruhiger würde und die Strecke vor allem wieder über den Radweg zu befahren sei.? Mal schauen, doch zunächst muss ich in den Supermarkt und Essen nachladen. Was ist denn heute bloß los - scheint nicht nur mir, die Hitze der letzten Tage im Kopf zu stecken. Im Netto von Glowe stehe ich ganz locker an der Kasse, als ein Mann mit seiner Holden Gattin ums Eck fegt und sich vor mich drängt. Dem nicht genug, dreht er sich zu mir herum und deutelt mir mit schwenkenden Fingerchen, ich solle gefälligst Abstand halten. Als ich ihm antworte, dass er vorne genügend Platz für sich fände, wenn er endlich einen Schritt in Richtung der wartenden Kassiererin täte, guckte er Zorro gemäß in meine liebevollen Äuglein - in der Hoffnung wahrscheinlich, dass ich gleich an zu weinen beginne. Als ich dem nicht folgte sondern meine Äuglein in den seinen noch liebevoll verharrten, holte den Witzbold der Aufruf der Kassiererin, aus dem Wachkoma und flugs packte Zorro seine Sachen aufs Tablett, bezahlte und war weg.

Dies war nicht das erste Mal auf der Tour, das mir sowas widerfahren ist. Auch bin ich mir sicher, dass dem einen oder anderen Leser, solche Begegnungen in Zeiten von Corona, auch nicht mehr fremd sind. Habe ich doch überhaupt keinen Bock auf Stress und bin froh, dass sich meine Supermarkt Besuche auf höchstens jeden zweiten oder dritten Tag beschränken und das Repertoire meines Einkauf mit dem besorgen von Nuss Mischung, Brot, Margarine und Tomaten, sowie gelegentlich einer Salami, sehr schnell erledigen lässt. So, jetzt aber raus aus Zorro City und rein ins Gewimmel der Blechbüchsen Armee... tatsächlich, bald beginnt der Radweg und führt durch einen duftenden Pinienwald parallel neben der Autostrada. Hier lässt es sich sehr gut rollen und wieder runterkommen...
Ich stoppe meinen Zug an einer günstigen Stelle und schiebe den Zug weiter in den Waldweg hinein. Nun, da ich weit genug von der vielbefahrenen Straße entfernt bin, stelle ich mein Gefährt zur Seite und zücke seltener weise Mal mein phone. Mir brennt da seit geraumer Zeit was auf der Leber, dass möchte ich nun möglichst abklären. Hier nur ganz kurz. Es handelt sich um eine Anfrage bei der Rentenversicherung. Ich hatte einen Antrag auf berufliche Reha gestellt und warte seit Wochen auf eine positive Nachricht. Nun möchte ich mich um den Stand der Dinge erkundigen. Leider verlief das Telefonat soeben niederschmetternd negativ - zu meinem Leidwesen bin ich abgelehnt worden! Allerdings wollte die Mitarbeiterin der Rentenversicherung nicht sagen, warum ich abgelehnt worden bin. Aus für mich unerklärbarem Grunde, hatte die gleiche Mitarbeiterin, mir Wochen zuvor, auf den AB gesprochen und den von mir gestellten Antrag per Telefonat abgelehnt, obwohl ihr noch kein Befund meiner vorangegangenen Reha vorgelegen hatte. Für mein Rechts Verständnis ist solch eine Handhabe unzulässig. Nun sehe ich mich gezwungen, mich gegen dieses Verhalten mit den zur Verfügung stehenden Rechtsmitteln, zu wehren.

Radreisen zu Zeiten von Corona. Auch wenn die geschilderte Problematik auf den ersten Blick so gar nichts mit meiner Radreise zu tun hat, so ist die Realisierung der von mir erstrebten BRT Maßnahme, durch das Corona Virus zusätzlich ins Wanken geraten. Mit anderen Worten: Wäre das Virus nicht, dann würde es aller Wahrscheinlichkeit auch deutlich weniger Insolvenzen und Firmen Schließungen geben. Eindeutig steigt auch die Zahl der Arbeitslosen wieder an - was beispielsweise der Bewilligung einer BRT Maßnahme, im schlimmsten Fall entgegenstünde. Ich hoffe natürlich, dass dies bei mir nicht der Fall ist - doch das hoffen wir alle...

Na jeden falls, musste "der Junge mal wieder an die frische Luft" Das hatte ich nach sechs Monaten Reha auch bitternötig - deshalb bin ich losgezogen.

Nach km 17 komme ich hinter dem Campingplatz Drehwoldke wieder ganz nahe an die Küste heran. Hier und da stoppe ich meinen Zug und versuche ein paar Impressionen mit meiner Kamera festzuhalten. Nach 22 Kilometern holpere ich mit meinem Hänger durch Putgarten und nach zwei weiteren, stehe ich am Cap der Guten Arcona's. Hier ist es zwar betriebsam jedoch lässt es sich aushalten. Die Menge der Besucher hält sich in für mich durchaus erträglichen Grenzen. Trotzdem sehe ich bereits von weitem, wie sich eine kleine Menschenschlange vor dem Turm versammelt. Diesen zu besteigen, darauf wollte ich dann auch nicht warten und so setze ich mich für eine Weile in den Schatten und sehe mir das Treiben der Leute an. Die Beschaffenheit des Küstenradweg, wechselt von gut zu befahrenden Betonplatten, zu Gras und dann zu Schotter und Sand. Streckenweise verlaufen kürzere, Trail ähnliche Passagen über Stock und Stein, parallel zum Grasweg durch den schmalen Waldstreifen. Manchmal recht nah an der Steilküste entlang. Der Trail ist kaum breiter als einen Meter - das macht die Fahrt durchaus spannend. Mein Hänger holpert immer wieder über Wurzelwerk und loses Gestein. An einer ungünstigen, engen Biegung, wird das linke Rad meines Hängers von einer dicken Wurzel blockiert und der Hänger schleudert auf die Seite und kippt um. Hoppla - und dies an einer ziemlich abschüssigen Stelle, diese durch eine kleine enge Schlucht nach unten an den Strand führt. "Oh - kommen sie zurecht oder sollen wir helfen" schauen mir besorgte Blicke von einer Familie entgegen, die gerade dabei ist, den Steilhang hinunterzuklettern. Aber ich kriege das Ding alleine wieder aufgestellt - bedanke mich für das Entgegenkommen und setze meine spannende Fahrt an der schönen Ostseeküste fort. Bis ich an einem Bilderbuch Ausguck einfach anhalten muss, denn von hier hat man einen sehr schönen Blick auf die offene See. Auf dem Waldboden erkennt man untrüglich, dass hier des Öfteren schon ein Zelt, gestanden hat. Und klar überlege ich mir sofort ob ich... Jedoch liegt diese bezaubernde Stelle unmittelbar an dem schmalen Wald Trail. Sollte ich mein Zelt aufschlagen - vor allem jetzt schon am Nachmittag dann werde ich ständig mit Besuch rechnen müssen. Schade - außerdem stehen erst gut dreißig km auf dem Tacho - also fahre ich weiter.

Nach vierzig Kilometern fahre ich durch Dranske und überlege, ob es Sinn macht jetzt noch ca. 27 km weiter bis nach Schaprode zu fahren. Für eine Überfahrt nach Hiddensee wäre es dann zu spät und ich müsste dort vor oder Hinter Schaprode, die Nacht verbringen. Hm irgendwie gefällt mir das nicht. Zunächst fahre ich noch ein Stück den schmalen Küstenstreifen weiter bis ich an eine Absperrung gerate. Hier ist kein Vorankommen mehr - Game Over. Ich kehre um und umfahre den schmalen Küstenstreifen und halte in Richtung Wiek. In Gudderitz gehe ich nochmal in mich und fälle eine gute Entscheidung. Ich fahre zurück zur Bilderbuchstelle und werde dort direkt an der Küste mit Blick auf die offene See übernachten. Über einen wiesenweg finde ich eine Abkürzung, und dann über eine gut ausgebaute schmale Straße , nach Nonnewitz und dann an den Waldstreifen an die Küste. Die Sonne steht bereits weit unten, als ich an der Klippe stehe und den Moment abwarte. Ich schaue zurück auf den Trail, da kommen zwei Radfahrer aus dem halbdunkel heraus, ohne Licht, und sie grüßen freundlich, als sie über den Trail, ganz nah an mir vorbeifahren. Gut das ich mein Zelt noch nicht aufgeschlagen hatte. Keine halbe Stunde später höre ich mehr als zwanzig Meter unter mir am Strand, das Gekicher eins Pärchens, dass sich im kiesigen Sand zwischen Baumstämmen geschützt ihr Lagerfeuer angezündet hat. Wie Idyllisch. Die beiden da unten werden kaum Notiz von dem da oben nehmen - wenn sie mich überhaupt sichten können. So werden wir alle eine angenehme Nacht haben. Bei ausgezeichnet guter Sicht schaue ich ins Abendrot. Der seichte Wind hat die Mücken längst vertrieben. So, nun baue ich mir mein Bett an der Klippe - und ich bin mir ziemlich sicher, dass es eine Gute Nacht wird.

© Klaus Lüttgen, 2020
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Corona hat vieles bereits verändert - so auch das unterwegs sein. Ich habe versucht, mit möglichst wenig Berührungen, trotzdem auf Tuchfühlung mit den Menschen zu gehen und bin mit nur begrenzten finanziellen Mitteln, hauptsächlich durch die ehemaligen Ostgebiete gefahren. In Bleckede, etwa 75 Elbe-Kilometer von Hamburg entfernt, war Start und Zielpunkt meiner 1374 km langen Rad-Reise
Details:
Aufbruch: 02.08.2020
Dauer: 17 Tage
Heimkehr: 18.08.2020
Reiseziele: Deutschland
Der Autor
 
Klaus Lüttgen berichtet seit 4 Jahren auf umdiewelt.
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