Canal du Midi westwärts bis zum Scheitel

Reisezeit: Mai / Juni 2002  |  von Manfred Sürig

Auf der Passhöhe ist historischer Boden

Freitag, 31.Mai 2002

Heide, Horsts Lebensgefährtin, soll hier in Carcassonne demnächst zusteigen, damit KNURRHAHN anschließend den Canal du Midi wieder abwärts nach Narbonne fahren kann und Heide der Stress des Bergschleusens erspart bleibt. Es wird daher Zeit, die letzten 7 Tage, die ich noch an Bord sein werde, sinnvoll einzuteilen. Was der Kanalführer über die Historie der Wasserbeschaffung für die Scheitelhaltung des Canal du Midi beschreibt, macht uns schon neugierig genug. Wir wollen uns also die höchste Partie des Kanals ansehen, natürlich vom Boot aus. Bis dahin sind es fast zwei Tagesreisen. Beim Studium der Landkarte stelle ich fest, dass es von hier auch nach Andorra näher wäre als von Barcelona aus. Da müßte man doch eigentlich..... Wir telefonieren auch bei jeder Gelegenheit mit Jörn Pfeifer, der jetzt hinter Auch im Departement Gers in seiner Ferienhütte sitzt und uns eingeladen hat.
Starten wir also noch heute durch Richtung Kanalscheitel. Zunächst gibt es sogar ein paar längere Kanalstücke ohne Schleuse, dafür ab und zu Doppel- oder Dreifachschleusen.Der heutige Tag endet mitten in der Gegend, fernab jeder Zivilisation, weil die Schleuse Feierabend hat. Vorteil: Nun kann auch kein Schiff mehr im Vorbeifahren Sog und Wellen machen, wir machen uns an der Böschung fest, und KNURRHAHNs Kiel hat höchstens noch einen Millimeter Wasser unterm Kiel. Beim Baden habe ich überall im Kanal Grund, die Sohle des Kanals scheint voller Laub der Platanen zu liegen, wieviele Jahrgänge mögen das wohl sein ? 33 Grad im Schatten, im Boot scheinbar noch mehr, aber Gott sei dank, noch Reste des Mistral. Da ist das Abendessen mit Rotwein jeden Abend doch ein Genuß. Leben wie Gott in Frankreich !

Sonnabend, 1.Juni 2002

Heute kommt der Endspurt ! Wir erreichen die Scheitelhaltung, zugleich eine der längsten Kanalstrecken ohne Schleuse. Das muß bei jedem Kanal so sein, weil der höchste Kanalteil ja sein Wasser an die Schleusen in beiden Richtungen abgeben muß. Da muß der Kanal zugleich ein großes Wasserreservoir sein. Doch damit kann es schon jetzt nicht weit her sein, die Böschung ist ziemlich hoch und man sieht, dass dem Kanal Wasser fehlt, und das, wo wir schon vor dem Einlaufen in die vorletzte Schleuse mitten in der Zufahrt aufgebrummt sind. Wir tuckern bis zur ersten Talschleuse des Kanals Richtung Toulouse und kommen zu der Stelle, an der dem Kanal das dringend nötige Wasser zugeführt wird. Eine schöne, parkähnliche Anlage mit Gedenktafeln für den Erbauer, aber kein geeigneter Liegeplatz. Nun haben wir Probleme, einen Liegeplatz zu finden, auf dem wir nicht auf unserem Kiel auf Grund liegen. Es bleibt nichts anderes übrig, als wieder 3 km zurückzufahren und bei einem Aussteiger längsseit zu gehen und KNURRHAHN dabei ziemlich weit in den Kanal ragen zu lassen. Doch das scheint man hier zu kennen, die Schifffahrt nimmt Rücksicht, im übrigen ist es jetzt ja ein Freizeitkanal zum Genießen.

Sonntag, 2.Juni 2002

Heute fahren wir noch einmal, und zwar mit den Bordfahrrädern zur höchsten Stelle des Kanals, um uns das Denkmal anzusehen und um nachzusehen, ob es tatsächlich von dort aus nach allen Seiten bergab geht. Ein Umweg von 8 Kilometern zur Beschaffung frischer Baguettes gehört auch dazu. Es gehörte vor 300 Jahren, als der Kanal entworfen wurde, sicher eine Menge Tüftelei dazu, ausgerechnet auf die "Paßhöhe" des Landes, also der Wasserscheide zwischen Mittelmeer und Atlantik, so viel Wasser aus umliegenden, höher gelegenen Gebieten für den Kanal zu sammeln. Das hat man seltsamerweise nur von Norden aus gemacht, nicht von Süden aus den Pyrenäen. 40 km und mehr weit mußten dazu Wassergräben, Stauwerke und Umleitungen gebaut werden, die bis heute erhalten sind und nicht nur die Schiffbarkeit des Kanals sicherstellen, sondern auch für die Landwirtschaft rechts und links das Rückgrat der Wasserversorgung bilden. Leider ist das Wassereinzugsgebiet des Kanals durch Abholzung in trockenen Sommern nicht mehr ergiebig genug. Das hat des öfteren schon dazu geführt, dass der Kanal im Hochsommer gesperrt werden mußte, bis wieder mehr Regen einsetzte. Wir meinen deshalb auch, Besorgnis in den Mienen der Wasserbauingenieure zu sehen, die uns am Ringgraben begegnen und auf das kleine Rinnsal hinweisen, das sich noch in den Kanal ergießt. Damit KNURRHAHN nicht etwa in den nächsten Tagen hier trockenfällt, beschließen wir, noch heute wieder Richtung Carcassonne zurückzufahren.

Wir erreichen problemlos Castelnaudary, einen Ort, der seine Bedeutung wohl erst durch den Kanal erlangt hat. Vor der Dreifachschleuse bildet der Kanal einen Stausee mit malerischen Liegeplätzen und einem schönen Blick auf den Ort. Hier haben sich auch Aussteiger mit ihren Booten angesiedelt, so u.a. ein Holländer, der Katzen auf seinem Schiff züchtet und verkauft. Er gibt uns ein paar gute Tips und frisches Trinkwasser und weiß, das es hier noch kein Liegegeld kostet. Daraus ergibt sich für uns, das wir diesen Ort als Ausgangspunkt für eine Bahnreise nach Andorra auswählen. Den Besuch bei Jörn müßten wir absagen, aber Jörn muß es auch, weil sein Auto streikt, das erspart uns faule Ausreden.

© Manfred Sürig, 2006
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Zwei frisch gebackene Pensionäre wollen den Ruhestand testen. Auf eigenem Kiel vom Rhonedelta aus nach Westen. Obwohl Segelboot, bleibt der Mast gelegt und man benutzt die Kanäle; bei dem immer wieder auftretenden Mistral eine gute Vorsichtsmaßnahme.
Details:
Aufbruch: 10.05.2002
Dauer: 4 Wochen
Heimkehr: 07.06.2002
Reiseziele: Frankreich
Andorra
Der Autor
 
Manfred Sürig berichtet seit 18 Jahren auf umdiewelt.