Burgund - Kernland des europäischen Mittelalters

Reisezeit: September 2018  |  von Angelika Gutsche

Mittelalterliche Ordensgründungen

Die Abtei von Cluny und der Cluniazenser-Orden

Da sich die Abtei von Cluny 200 Kilometer nördlich von hier befindet und trotz Renovierung nur Spuren des ehemaligen klösterlichen Lebens auffindbar sein sollen, verzichten wir auf ihren Besuch. Da die Abtei von Cluny der Abtei von Fontenay zeitlich vorangeht und von großer Bedeutung war, sei hier auf ihre Geschichte kurz eingegangen.

Der Orden, der im Mittelalter noch vor den Zisterziensern große Bedeutung erlangt hatte, war der Cluniazenser-Orden. Allerdings pflegte dieser einen pracht- und prunkvollen Baustil. Die Cluniazenser waren ein benediktinischer Reformorden, benannt nach der 910 gegründeten Abtei Cluny, dem Ursprung und Zentrum des Ordens. Cluny war eines der einflussreichsten religiösen Zentren des Mittelalters.

Die Reformen wurden durch das Absinken der kirchlichen Moral auf einen absoluten Tiefpunkt ausgelöst. Nun sollte eine Rückbesinnung auf die Benediktinerregeln erfolgen und die Frömmigkeit vertieft werden. Im Mittelpunkt stand die Bewusstheit der eigenen Vergänglichkeit: „Bedenke, dass du sterblich bist“ (memento mori) in Vorbereitung auf den Weltenuntergang und das Jüngste Gericht. Allerdings stand Cluny auch im Ruf eines militanten Katholizismus, der zu den Kreuzzügen ins heilige Land aufrief. Drei Jahrhunderte lang war die Kathedrale von Cluny das größte Gotteshaus der Christenheit. Der Cluniazenser-Orden umfasste zu seiner besten Zeit etwa 1200 Klöster mit mehr als 20.000 Mönchen.

Während der Französischen Revolution wurde die Abtei zerstört und diente als Steinbruch. Der Hass auf den Klerus war groß. 2006 wurde die Ruine für 17 Millionen Euro renoviert und 2010 feierte Cluny sein 1100. Gründungsjubiläum.

Museum der Schönen Künste - Der Tod

Museum der Schönen Künste - Der Tod

Abbaye de Fontenay

Doch wir besuchen das ehemaligen Zisterzienserkloster Abbaye de Fontenay. Geht man vom Umfang der Parkplätze aus, muss es hier im Sommer nur so von Besuchern wimmeln. Doch jetzt ist es ruhig, nur wenige Autos haben den Weg hierher in die Einsamkeit des inmitten von Wäldern angelegten Klosters gefunden.

Nachdem wir das Eingangstor durchschritten haben, sind wir von der im Sonnenschein erstrahlenden Schönheit der Anlage überwältigt. Verständlich, dass die Abtei mit ihren Bächen, Quellen und Brunnen zum UNESCO-Weltkulturerbe zählt.

Abbaye de Fontenay

Abbaye de Fontenay

Die Klosteranlage, die vielen nachfolgend erbauten Klöstern als Vorbild diente, wurde schnörkellos und ohne schmückendes Beiwerk erbaut. Schlichtheit war das oberste Zisterziensergebot. Nichts sollte von der Versenkung ins Gebet ablenken.

Während sich der Adel der Prunksucht und Völlerei hingab, sich schamlos kleidete und territoriale Kriege führte und dieses sittenlose Treiben bald alle Stände erfasste, predigten die Zisterzienser die Abkehr von der Welt. Sie setzten hohe moralische Ansprüche, traten für ein Leben in Armut und Einsamkeit unter strenger Anwendung der Regeln des Heiligen Benedikt von Nursia ein. Das tugendhafte Leben sollte sich an der christlichen Morallehre orientieren.

Abbaye de Fontenay - Kreuzgang

Abbaye de Fontenay - Kreuzgang

Im Jahre 1112 trat der berühmte Bernhard von Clairvaux (gest. 1153) dem Zisterzienserorden bei. Er war nicht nur Mönch und Mystiker, sondern auch ein einflussreicher Kirchenpolitiker, ausgestattet mit einem überwältigenden Charisma.

Die Mönche kamen 1118 in die Wälder und Sümpfe von Montbard und errichteten dieses große Klostergut, das sie wirtschaftlich unabhängig machte. Die Blütezeit erlebte die Abtei bis zum 15. Jahrhundert, im 16. Jahrhundert begann ihr Niedergang. 1790, zu Zeiten der französischen Revolution, wurde das Kloster, das nur mehr ein Dutzend Mönche umfasste, aufgelöst. Die Klosteranlage wurde verkauft und von einem Fabrikanten in eine Papierfabrik umgewandelt. 1906 kam sie in die Hände des reichen Bankiers Edouard Aynard, der die Klosteranlage wiederherstellen ließ. Sie ist noch heute in Familienbesitz.

Abbaye de Fontenay - Brunnen

Abbaye de Fontenay - Brunnen

Doch nun befinden wir uns ganz allein in der alten Abteikirche von Fontenay, deren Bau im Jahre 1139 begann, und lassen die strenge Mystik auf uns wirken. Beeindruckend sind die Grabplatten der Ritter und die Marienstatue aus dem 13. Jahrhundert, hinter ihr die „Totenpforte“, die zum Friedhof führte. In dieser Kirche trafen sich die Mönche achtmal am Tag für eine Stunde zum Gebet. Über der Kirche liegt der ehemalige Schlafsaal, der über eine Treppe zu erreichen ist, und in dem alle Mönche, der Regel des heiligen Benedikt folgend, in einem Raum schliefen.

Abbaye de Fontenay - Abteikirche

Abbaye de Fontenay - Abteikirche

Erstaunlich, wie gerade das Schlichte wie der Kreuzgang der Klosteranlage von so unglaublicher Schönheit sein kann. Hier hatten nur die Klosterbrüder Zutritt und wandelten betend oder lesend. War die Kapuze über den Kopf gezogen, bedeutete dies, dass der Mönch nicht angesprochen werden wollte.

Abbaye de Fontenay - Kreuzgang

Abbaye de Fontenay - Kreuzgang

Nun besichtigen wir noch den Kapitalsaal und den Mönchssaal, in dem Manuskripte vervielfältigt und illustriert wurden. Neben Krankensaal und Küche durfte nur in der Wärmehalle geheizt werden.

Am Tag musste neben acht Stunden beten auch acht Stunden gearbeitet werden. Die Klosterwirtschaft betrieb Ackerbau und Viehzucht, es gab Mühlen und Kupferverhüttung, außerdem wurde Glas hergestellt. Eine Schmiede aus dem 12. Jahrhundert ist noch im Original inklusive Mühlrad zu besichtigen.

Abbaye de Fontenay - Schmiede

Abbaye de Fontenay - Schmiede

Zum Abschluss der Besichtigung besuchen wir beim Verlassen der Klosteranlage noch das kleine Museum.

Als wir die öffentliche Toilette der Abtei Fontenay aufsuchen, staunen wir nicht schlecht. Männlein und Weiblein stehen in einem gemeinsamen Vorraum vor drei Klotüren an. Wo frei wird, geht der Nächste/die Nächste in die Kabine. Unter solchen Umständen kommt einem die verklemmte deutsche Diskussion um eine dritte Toilette für weitere Geschlechtlichkeiten völlig irreal vor. Solche Probleme kennt man in Frankreich offensichtlich nicht. Heureuse France!

Nachdem die Hunde so brav im Camper gewartet haben, werden sie mit einem ausgedehnten Spaziergang auf den Wanderwegen der umliegenden Laubwälder belohnt. Zurück im Dorf Le Marmagne finden wir das Restaurant geöffnet. Endlich bœuf bourguignon zum déjeuner! Dazu Bohnen, Salzkartoffeln und geröstetes Weißbrot. Nicht schlecht. Als Dessert eine köstliche crème brûlée. Mit Wein und Wasser zahlen wir 46,00 €.

© Angelika Gutsche, 2019
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Wir haben viel gelernt über das dunkle Mittelalter mit der maßgeblichen Rolle, die burgundische Herzöge darin spielten, über Religionsgeschichte und die Bedeutung neugegründeter Orden und deren Klöster, über Baugeschichte und Kultur mit dem Hauptaugenmerk auf romanischer und gotischer Architektur und Kunst, aber auch über Käseherstellung und Weinerzeugung
Details:
Aufbruch: 18.09.2018
Dauer: 13 Tage
Heimkehr: 30.09.2018
Reiseziele: Frankreich
Der Autor
 
Angelika Gutsche berichtet seit 20 Jahren auf umdiewelt.
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