Mit dem Motorrad über den nahen Osten in den hohen Norden

Reisezeit: Juni / Juli 2012  |  von Dirk Wöhrmann

Unterwegs auf der Traumroute N17- Teil 2

Als ich morgens aus dem Fenster schaue, traue ich meinen Augen nicht:
Pärchenweise pro Art ziehen die Tiere an meiner Hütte vorbei in Richtung eines Schiffes.
Es hat in der Nacht angefangen, sintflutartig zu regnen.
In der Bibel hat es 40 Tage und 40 Nächte geregnet...und sie nannten es eine Katastrophe.
In Norwegen nennen sie es Sommer .
Hilft nix, ich esse die Reste meines Abendessens, welche sich auch noch gut als Frühstück verwerten lassen, ziehe meine Regenklamotten an und weiter geht es auf der landschaftlich schönen N17, diesmal leider mit viel weniger Aussicht.
Bevor es jedoch richtig losgeht, schaue ich mir die Saltstraumen natürlich noch einmal von der Brücke aus an.
Na ja, so richtig spektakulär sieht das ja immer noch nicht aus ...

Kurz noch Tanken und weiter geht es zur nächsten Attraktion, dem Gletscher Svatisen.
Auf einer der Fähren, die ich auf meinem Weg nehmen muss, überquere ich wieder den Polarkreis. Von nun an werden die Tage wieder kürzer und es wird wohl auch wieder zunehmend dunkler in der Nacht.
Svartisen ist der zweitgrößte norwegische Gletscher mit einer Fläche von 370km². Er ist auch der am tiefsten liegende Gletscher auf dem europäischen Festland, denn er reicht bis etwa 20m über Meeresniveau. Dadurch ist er gut erreichbar für z.B. Gletschertouren. Der höchste Punkt liegt bei 1594m und die Gletscherzunge Engenbreen hat eine Eisdecke von 450m.
Durch diese Zugänglichkeit ist die Gletscherzunge, die in den Holandsfjord mündet, schon sehr lange eines DER Touristenziel in Nordnorwegen.
Der Name "Svartisen" kommt übrigens von dem alten norwegischen Wort "svartis" (Schwarzeis), das die tiefblaue Farbe des Eises bezeichnet im Verhältnis zu dem weißen Schnee und neuerem Eis.
Die Wolken hängen bei meiner Ankunft jedoch recht tief und somit ist von der Gletscherzunge Engenbreen leider nicht viel zu sehen.

..das Helle im Grauen in der Mitte ist die Gletscherzunge ..

..das Helle im Grauen in der Mitte ist die Gletscherzunge ..

Eine Bootsfahrt zur Gletscherzunge lohnt nicht wirklich bei dem Wetter, also gebe ich Gas und weiter gehts...

...vor mir ein Harleyfahrer, der wird noch eine kleine Nebenrolle spielen ...

...vor mir ein Harleyfahrer, der wird noch eine kleine Nebenrolle spielen ...

Das Grauen kriecht über den Berg...

Das Grauen kriecht über den Berg...

Auch die nächste Attraktion, die Berggruppe "Sieben Schwestern" ist leider hinter dichten Wolken verborgen.
Jedoch scheint diese Berggruppe eine Art Wetterscheide zu sein, den auf der anderen Seite der Berggruppe scheint endlich wieder die Sonne ...

...und so hätten die "Sieben Schwestern" bei gutem Wetter ausgesehen ...

Plötzlich sehe ich aus den Augenwinkeln heraus am Strassenrand eine Gruppe Elche grasen...es gibt Norwegenbesucher, die schon mehrmals in Norwegen waren und noch niemals Elche gesehen haben und dort steht gleich eine ganze Gruppe...was für ein Glück !
Elche sind so groß wie Pferde und ehrlich gesagt, habe ich keine Ahnung, ob sie eher scheu oder angriffslustig sind.
Aber das werden wir ja gleich sehen....
Ich stoppe mein Möppi ab, drehe es auf der Landstrasse, mache in sicherer Entfernung schon einmal meine Kamera startklar, lasse den Tankrucksack, in dem die Kamera liegt, offen und ziehe auch die Handschuhe nicht mehr an.
Dann fahre ich langsam und leise zurück und in entsprechender Entfernung mache ich den Motor aus und lasse mich die letzten Meter rollen. Direkt gegenüber den Tieren komme ich zum Stehen.
Ich steige von der Maschine ab, nehme meinen Fotoapparat und gehe vorsichtig in Richtung der Elche...

Die Elche schauen mich neugierig an, ohne jedoch besonders von mir beeindruckt zu sein.
Da bin ich schon aufgrund der Größe der Tiere mehr beeindruckt und schiesse das erste Foto...

Im Hintergrund höre ich ein Geräusch immer lauter werden.
Scheisse, da rauscht ein Wohnmobil heran...
Die Tiere erschrecken und flüchten ins Unterholz...das darf doch jetzt wohl nicht wahr sein...
Auch warten nutzt nichts mehr, die Elche lassen sich nicht mehr blicken .
Hmm, vielleicht habe ich auf meiner Reise ja noch einmal solches Glück.
Etwas enttäuscht fahre ich weiter und suche mir nun einen Campingplatz.
Ich vertraue auf den Wetterschutz der "Sieben Schwestern" und baue mein Zelt auf.
Der Standplatz ist mal wieder perfekt ...

Neben meinem Zelt baut noch ein etwas älterer schwedischer Hardcore- Harleyfahrer sein Zelt auf, den ich schon unterwegs einmal gesehen hatte.
Kopftuch, schwarze, enganliegende Sonnenbrile, weisser, langer Bart, ziemlich cooler Typ. Er ist auf dem Weg zu seinem Sohn, der in Oslo arbeitet.
Sein Zelt scheint noch aus schwedischen Wehrmachtsbeständen zu sein, so etwas habe ich vor 30 Jahren das letzte Mal gesehen . Es war noch total nass von der letzten Nacht, aber das hat den Schweden nicht wirklich interessiert. Irgendwie kam ich mir mit meiner trockenen Hightech- Campingausrüstung ziemlich uncool vor .
Da wir Beide morgen mindestens bis nach Trondheim wollen, was ca. 500 km entfernt liegt, überlegen wir uns, welche Fähre wir von der Uhrzeit her am Besten nehmen.
Die nächste Fähre, die wir nehmen müssen, liegt ca. 10 km von uns entfernt und die Erste legt um 08.15 Uhr ab, die Nächste dann um 10.45.
Er entscheidet sich für die Fähre um 08.15, ich bin noch unschlüssig.
Da ich mittlerweile gelernt habe, dass die meisten norwegischen Campingplätze eine Selbstversorgerküche haben, gibt es heute als Abendessen Chickencurry mit Reis aus der Tiefkühltruhe, welches ich mir vorher in einem Supermarkt besorgt hatte.
Der Schwede verschwindet ohne Essen ziemlich schnell in seinem nassen Zelt.

Ich bin zwar um 07.30 schon wach, aber irgendwie habe ich noch nicht die richtige Motivation, aus dem warmen Schlafsack zu krabbeln.
Der Schwede neben mir scheint auch erst gerade aufgestanden zu sein und baut sein Zelt ab.
Spätestens um 08.00 Uhr ist dann der ganze Campingplatz wach, als er seine Harley anschmeisst und losfährt.
Unbegreiflich für mich, wie man den ganzen Tag in so einer Lärmkulisse unterwegs sein kann...
Das wird aber knapp für den Schweden, wahrscheinlich sehen wir uns gleich eh am Fährhafen wieder, weil er die Fähre im letzten Moment verpasst hat.
Ich stehe jetzt auch auf, packe langsam meine sieben Sachen zusammen und rolle langsam zum Fährhafen, habe ja noch genug Zeit.
Als ich ankomme, ist kein Schwede zu sehen...hat er die Fähre doch erwischt...Mist, wäre ich auch mal ne halbe Stunde vorher aufgestanden, müsste ich jetzt nicht bis 10.45 warten.
Aber bekanntlich haben die Medaillen ja immer zwei Seiten und da am Fährhafen ein Supermarkt ist, bleibt nun genug Zeit für ein Frühstück...

...und ausserdem stehe ich aufgrund meiner frühen Ankunft in der Pole Position für die Auffahrt zur Fähre ...

Die Fährüberfahrt dauert diesmal ca. 2 Stunden und auf dem Schiff komme ich mit einem Einheimischen ins Gespräch, der alte Autos und Ersatzteile aus den USA nach Norwegen importiert.
Zudem hat er sich darauf spezialisiert, amerikanische Klamotten auf Festivals zu vekaufen.

Von ihm bekomme ich den Tipp, mir bei Ankunft der Fähre etwas ausserhalb der Stadt auf jeden Fall den Berg Torghatten mit dem Loch im Berg anzuschauen, ganz große Attraktion in der Gegend.

Na dann schauen wir uns den Berg mal an.

Als ich von der Fähre runter bin und sehe, dass der Berg 19 km entfernt liegt, fange ich ein wenig an zu zweifeln, ob so ein Berg mit einem Loch wirklich den Umweg von 40 km lohnt, zumal wir jetzt 13 Uhr haben und immer noch knapp 500 km vor mir liegen.
Mit gemischten Gefühlen fahre ich dann doch zu dem Berg.
Als ich dort angekommen bin, sehe ich von dem Loch......nix.
30 Minuten Fussweg liegen noch vor einem, bevor das Loch zu sehen ist.
Nicht jetzt und schon gar nicht in Motorradklamotten, man sollte echt mehr auf sein Bauchgefühl hören.
Ohne abzusteigen wende ich und rase die 19 Kilometer wieder zurück, zumindest weiss ich ja jetzt, dass es auf der Strecke keine Radarkontrollen gibt.
Trotzdem kostet mich dieser kleine Ausflug 50 Minuten meiner Reisezeit vom heutigen Tag.
Jetzt aber mit "Vollgas" Richtung Trondheim...

Wenn man auf dem Möppi unterwegs ist, hat man ja sehr viel Zeit, über so Einiges nachzudenken.
Da meine Regenklamotten, insb. meine Regenschuhe, wegen der Dauerbenutzung mittlerweile arg in Mitleidenschaft gezogen wurden, überlege ich mir also, wie ich diese "reparieren" könnte.
Über die Motorradstiefel zuerst eine Plastiktüte zu ziehen, hatte ich ja bereits versucht, aber der Erfolg war nur von kurzer Dauer und dann war die Plastiktüte auch kaputt.
Der Regenschuh ist ja aus so einer Art Gummi, wenn man also so eine Art Gummi hätte und einen Kleber, mit dem man z.B. Fahrradschläuche flickt, könnte ich die kaputten Stellen damit vielleicht abdichten.
Aber Fahrradflicken sind viel zu klein, was könnte man also nehmen, was größer und auch aus Gummi ist?
Ich habs....Gummihandschuhe, die man im Haushalt trägt, dazu Sekundenkleber...das könnte funktionieren .
Ich steuer also den nächsten Supermarkt an und kaufe Gummihandschuhe und Sekundenkleber...

Ich schaffe tatsächlich an diesem Tag die 500 km bis nach Trondheim, wo ich spät Abends ankomme.
Der erste Campingplatz vor der Stadt wird angesteuert und der geschäftstüchtige Campingplatzbesitzer will mir eine Hütte für 70 € vermieten.
Bis jetzt hat das Wetter ja an diesem Tag gehalten, aber wie sehen die Wetteraussichten für die Nacht und den nächsten Tag aus?
Ich frage den Campingplatzbesitzer und der meint, das Wetter wird so wie heute...kein Regen, ein paar Wolken, alles prima.
Na dann brauche ich auch keine Hütte.
Doch auch der Preis für ein Zelt beträgt noch 30 €...ja spinnen die denn, wo bin ich denn hier gelandet???
Ich sitze schon wieder auf meinem Möppi und will zum nächsten Platz, da geht der kleine Lump auf 20 € runter...
OK, hört sich schon besser an...ich bleibe und baue meine Zelt auf...natürlich wieder an einem sehr schönen Platz ...

Unterwegs zur Dusche werde ich von einem Pärchen angesprochen:
"Na, auch hier angekommen?"
"Ja, bin ich, aber kennen wir uns?"
Mittlerweile habe ich echt Schwierigkeiten, mich an die ganzen Smalltalks unterwegs zu erinnern...
"Ah ja, wir kennen uns von der Fähre xy, da hattest Du aber schwarze Klamotten an."
Na also, die Grauen Zellen funktionieren doch noch...
"Wolltet ihr nicht nach Schiess-mich-tot fahren?"
"Ja, aber meine Frau wollte gerne nach Trondheim, die kümmert sich um die Route hier durch Norwegen..."
"Ah ja, und Du hast da kein Wörtchen mitzureden?"
"Ach weiss, Du, ich bin der Präsident, meine Frau legt die Vorschläge vor und ich zeichne sie dann ab."
"Ach so, na in Deutschland hat der Präsident ja eigentlich nix zu sagen und ist nur für repräsentative Zwecke da und schwingt große Reden, die keinen wirklich interessieren."
Seine Frau: "Kommt mir irgendwie bekannt vor..."
Er, etwas missmutig in die Gegend schauend: " Na super, so etwas wollte ich jetzt mal gerade nicht hören..."
Bevor ich noch mehr Unfrieden stifte, verabschiede ich mich und gehe weiter zur Dusche...
Im Duschraum begegnet mir plötzlich Mirko, den ich zusammen mit seiner Freundin Astrid auf dem Campingplatz in Tromso kennen gelernt hatte.
Beide kommen aus Freiburg und sind mit Auto unterwegs durch Norwegen. Mirko ist für Atomic Ski für den Bereich Baden Württemberg zuständig und Astrid ist so gut wie fertig mit ihrem Medizinstudium.
Großes Hallo und Einladung morgen früh zum Kaffee bei deren Zelt, welche ich doch gerne annehme.

Nach dem Duschen steht nun die große Operation an meinen Regenschuhen an.

Leider habe ich keine Schere, um die Flicken sauber aus dem Handschuh herauszuschneiden, also nehme ich mein Messer...die Resultate sehen dementsprechend aus, aber einen Schönheitswettbewerb will und werde ich eh nicht damit gewinnen.
Ich trage den Sekundenkleber auf, drücke Gummi auf Gummi...aber da klebt nix...das ganze war wohl doch irgendwie eine Sch...idee.
Na ja, auch die großen Erfinder hatten nicht gleich mit ihrer ersten Idee den durchschlagenden Erfolg.
Meine zweite Idee lässt nach dem Misserfolg auch nicht lange auf sich warten...

Garantiert trockene Füße ...

Garantiert trockene Füße ...

Der Sonnenuntergang an dem Abend könnte nicht schöner sein...

Und sagt nicht schon eine alte Wetterregel:

"Abendrot - Schönwetterbot"?

Na da kann ja dann Morgen nichts mehr schiefgehen, wenn es weiter zur Atlantic Road (Atlantikstraße) geht, eine der spektakulärsten Straßen Norwegens...

© Dirk Wöhrmann, 2012
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Mit dem Motorrad ans Nordkap über Tschechien, Polen, Russland, Litauen, Lettland, Estland, Russland, Finnland, Norwegen, Lofoten, Schweden, Dänemark
Details:
Aufbruch: 12.06.2012
Dauer: 7 Wochen
Heimkehr: 28.07.2012
Reiseziele: Deutschland
Tschechische Republik
Polen
Litauen
Lettland
Estland
Finnland
Norwegen
Der Autor
 
Dirk Wöhrmann berichtet seit 12 Jahren auf umdiewelt.
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