Erstes Kennenlernen der Slowakei nach der Wende

Reisezeit: August / September 2000  |  von Manfred Sürig

Erste Eindrücke in der Slowakei: Regenreiche Gegen hier.....

Montag, den 4.September 2000
Mein Regenzeug muß sich heute bewähren. Vor mir liegt das Tal der Biela Orava, das ich nur bergab rollen muß, da warte ich nicht auf besseres Wetter.
An die Temperaturen hatte ich aber wohl nicht gedacht, Fahrtwind und Nässe kühlen mich aus, und selbst in einigen Steigungsabschnitten reicht das Bergaufstrampeln nicht, um wieder warm zu werden. So habe ich nicht den vollen Genuß beim Kennenlernen der schönen Landschaft am Orava-Stausee.
Aber als kurz vor Vrdosin zu dem Regen auch noch Südwestwind einsetzt, ich also genau gegenan muß, da entsinne ich mich der Eisenbahn.
Ich löse bis Liptovski Hradok am Südwestende der Hohen Tatra und lasse mich fast 4 Stunden erst im Oravatal bergab schaukeln und dann im Vah- Tal wieder bergauf. Das sind 100 km , der direkte Weg mit dem Rad nach Pribylina am Südwesthang der Tatra wäre "nur" 62 km gewesen, aber quer durch steile Berge. Wärmer wird mir auch in der Bahn nicht, ich bin schon zu sehr durchgeweicht und habe zu wenig Bewegung. Dafür wird die Sicht aus dem Abteilfenster großartig und der Himmel wieder heller.
In Liptovski Hradok tobe ich meine Unternehmungslust zunächst mit dem Kauf von Wanderkarten der Hohen und niederen Tatra aus, dann kommt eine Imbißpause in einer Bushaltestelle (weil es schon wieder regnet) und dann gehe ich den Aufstieg zur Hohen Tatra an.

Zu sehen sind nur graue Wolken, aber die Straße steigt stetig an, so dass ich nach einer Stunde wieder richtig schwitze.
Ein Hotel Esperanto ist sogar in meiner Karte eingezeichnet und das gibt mir das Ziel des Abends vor. Ein Plattenbau, der schon bessere Tage gesehen hat, aber wenigstens im Bereich der Rezeption trocken, ich darf mein Rad im Foyer an die Grünpflanzen stellen, die von meinen abgelegten Klamotten anschließend bewässert werden.

Die Fenster im Zimmer sind nicht ganz dicht, dafür ist das erste Duschwasser brühend heiß.
Ich ziehe meine letzten trockenen Sachen an und suche das Restaurant auf. Aber dort gibt es nicht einmal eine warme Suppe. Heute sei Großreinemachen, sagt man mir, da bleibe die Küche zu.

Nur mit gutem Zureden kann ich noch ein Bier bekommen und damit lasse ich mich in einen Klubsessel sinken. Doch ich schnelle wieder hoch: der Hintern ist naß, die Ärmel, der Rücken, alles naß. Da haben die hier doch literweise Wasser über die Polstermöbel gegossen um sie anscließend abzubürsten, die "Restfeuchtigkeit" können die Gäste aufnehmen.
Ich beschwere mich in aller Deutlichkeit, aber die Reaktion ist wie in der früheren DDR: Selber schuld, wer am Ruhetag sich hierher begibt.

Jetzt bleibt mir nur noch schnell Warmduschen und ab unter die Bettdecke.
Aber mein Duschwasserbehälter ist noch nicht wieder warm, ich bekomme noch eine kalte Dusche.
Im klammen Bett versuche ich von einer Sauna zu träumen, die mir so dringend fehlt, aber irgendwann muß ich dann doch noch eingeschlafen sein.

Am nächsten Morgen, am 5. September 2000
lerne ich das Frühstücksbüffet des Hauses kennen. Man überreicht mir eine Frühstückskarte, aus der ich mir je einzeln eine Scheibe Brot unbekannter Größe, eine Portion Butter (10 g), Konfitüre und eine Scheibe Wurst bestellen kann, alles sehr billig zwar, aber nachdem ich meine Portion vor mir stehen habe, kann ich nichts mehr nachbestellen, denn ich bin schon abgefertigt.
Trotz noch immer strömenden Regens beschließe ich, diesen Ort zu verlassen. Vielleicht ist es im Liptauer Dorfmuseum gleich um die Ecke erst mal trocken.
Dieses Museum ist sehenswert. Beim Bau des Liptauer Stausees in den dreißiger Jahren hat man die besterhaltenen Holz-Bauernhäuser hierher gebracht und dreisprachig alles anschaulich dokumentiert. Man bekommt einen Eindruck von der ländlichen Lebensweise, der Armut der Bevölkerung und stellt erstaunt fest, daß die Menschen noch vor 30 Jahren hier so gelebt haben wie im Museum dargestellt.

Der letzte Liptauer Käsernachermeister ist erst 1989 gestorben. Ich mache eine Menge Aufnahmen und in der Rezeption darf ich für 2 Pfennig den Ortsprospekt von Prybilina erstehen. Darin fmde ich zahlreiche Adressen von Privatunterkünften. Nächstes Mal werde ich darauf zurückgreifen.....
Krivan (2494 m) heißt der nächste Berg der Tatra, auf den man auf der Tatra-Panoramastraße ständig blicken soll, wenn man bergauf nach Osten fährt.
Der heilige Berg der Slowaken wird er genannt und auf jeder Ansichtskarte ist er zu sehen. Ihn in natura zu erblicken, erfordert heute großes Glück, denn er hüllt sich in Wolken oder liegt hinter hohen Tannen hinter einer Straßenbiegung verborgen.

© Manfred Sürig, 2011
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Die Reise
 
Worum geht's?:
eigentlich wollte ich nur mal dorthin, wo ich als 7jähriger 1944 mit meinen Eltern in der "Sommerfrische" im Sudetenland war. Doch mit dem Rad macht man ungeahnte Entdeckungen und fährt immer weiter nach Osten...... und heute, 10 Jahre danach, kann man sich einige Abenteuer in diesem Land so gar nicht mehr vorstellen.
Details:
Aufbruch: 28.08.2000
Dauer: 4 Wochen
Heimkehr: 21.09.2000
Reiseziele: Tschechische Republik
Slowakei
Ungarn
Der Autor
 
Manfred Sürig berichtet seit 18 Jahren auf umdiewelt.