Sardinien für Nichtschwimmer

Reisezeit: Juli / August 2006  |  von Herbert S.

28.07.2006 - ein letztes Mal Nuraghenkultur

Um 7.00 Uhr klingelt der Wecker, da wir uns entschlossen haben, in den Süden zu fahren. Wir kommen kurz nach 8.00 Uhr auf die Straße und haben sicherheitshalber Hemd, Hose und Kosmetikköfferchen gepackt, falls wir über Nacht bleiben sollten. Da wir bis weit hinter Abbasanta nichts anschauen wollen, können wir gegen 10.00 Uhr die Autobahn bei Sanluri schon verlassen und den ersten Besichtigungspunkt ansteuern.

Plan der Ausgrabung Genna Maria mit Zuordnung zu den verschiednen Epochen

Plan der Ausgrabung Genna Maria mit Zuordnung zu den verschiednen Epochen

Blick vom Ausgrabungshügel in die Landschaft der Marmilla

Blick vom Ausgrabungshügel in die Landschaft der Marmilla

Das Besondere: Innenhöfe
Das Dorf um die Nuraghe zeichnet sich dadurch aus, dass die Hütten in Wohnkomplexe mit jeweils einem Hof angeordnet sind.

Das Besondere: Innenhöfe
Das Dorf um die Nuraghe zeichnet sich dadurch aus, dass die Hütten in Wohnkomplexe mit jeweils einem Hof angeordnet sind.

Das Nuraghendorf Genna Maria (1 km westlich von Villanovaforru an der Straße nach Collinas) war bis 1969 nicht bekannt. Der Hügel war lediglich eine der vielen mit Weizen bebauten Anhöhen der Marmilla. Man geht heute davon aus, dass der hiesige archäologische Komplex gleichbedeutend mit den bekannten von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärten Ausgrabungen von Barumini ist. Der Grund liegt in den zahlreichen wertvollen Fundstücke im umliegenden Dorf.

Die Anlage thront auf der höchsten Erhebung der Region (408 m); so hat man einen schönen Rundblick über die fruchtbare Landschaft bis zum Golf von Cagliari im Süden und den Bergspitzen des Iglesiente im Westen.

Die Nuraghe besteht aus einem einfachen Mittelturm, der um die Mitte des 2. Jh.s v. Chr. erbaut wurde, und einer dreieckigen Umfassungsmauer mit drei Türmen an den Ecken, die schießschartenartige Öffnungen aufweisen. Die Anlage besaß einen Innenhof mit einem in den Fels geschlagenen und oben durch ein Gewölbe abgeschlossenen Brunnen.

Luftaufnahme aus der Ausstellung in der Universität von Sassari (abfotografiert) - gut erkennbar auch bei Google Earth

Luftaufnahme aus der Ausstellung in der Universität von Sassari (abfotografiert) - gut erkennbar auch bei Google Earth

Der nächste Anlaufpunkt ist die berühmteste aller sardischen Nuraghenkomplexe - Su Nuraxi bei Barumini; Barumini liegt am östlichen Rand der Marmilla, einer vulkanisch geprägten, hügeligen Landschaft.

Schnittzeichnung bei der Ausgrabung

Schnittzeichnung bei der Ausgrabung

Nach Besteigen der äußeren Mauern kann man in die Innenhöfe an der zentralen Nuraghe hinunterschauen (Brunnen!)

Nach Besteigen der äußeren Mauern kann man in die Innenhöfe an der zentralen Nuraghe hinunterschauen (Brunnen!)

Hier müssen wir auf eine Führung um 12. 00 Uhr warten, denn, da die Gänge im Inneren so eng sind, lässt man halbstündlich eine Gruppe hinein, so dass die Führer die Gruppen aneinander vorbei lotsen können. Unser Führer macht das sehr gut, wir verstehen sogar einen guten Teil seiner italienischen Ausführungen.

Die gesamte Anlage nimmt eine Fläche von über 1000 qm ein. Der in Barumini geborene sardische Archäologe Giovanni Lilliu entdeckte die Anlage und begann Anfang der 1950er Jahre mit den Ausgrabungen, die sich über einen Zeitraum von zehn Jahren erstreckten. Es wurde eine nuraghische Festung freigelegt, die ab 1500 v. Chr. in mehreren Bauphasen errichtet und erweitert wurde. In ihrer unmittelbaren Nähe stieß man auf die Reste eines aus annähernd 150 Hütten bestehenden nuraghischen Dorfes, das Spuren einer hoch entwickelten gesellschaftlichen Organisation aufweist.

Es ist wirklich die beeindruckendste Anlage und wohl der Höhepunkt der Nuraghen-Besichtigungen auf Sardinien.

Danach geht die Fahrt nach Isili, das wir nach einem Picnic auf einem Ameisenmäuerchen gegen 14.30 Uhr erreichen. Die Stadt bietet nichts, nur hier entscheiden wir uns für das kleine Hotel del Sol und für zwei weitere Besichtigungen am heutigen Tage.

Das kleine, fast an den Rand des Basaltplateaus gebaute Kirchlein deutet darauf hin, dass auch in späteren Zeiten die religiöse Bedeutung dieses Ortes beibehalten wurde.

Das kleine, fast an den Rand des Basaltplateaus gebaute Kirchlein deutet darauf hin, dass auch in späteren Zeiten die religiöse Bedeutung dieses Ortes beibehalten wurde.

Die erste ist das Nuraghische Heiligtum von Santa Vittoria westlich von Serri (*) und das Gräberfeld Pranu Muttedu mit Menhiren südöstlich von Senorbi. (*)

Die exponierte Lage des Brunnenheiligtum mit anliegendem nuraghischen Pilgerdorf, direkt am Steilabhang nach Süden, ist beeindruckend.

'Marktplatz des nuraguischen Dorfes'

'Marktplatz des nuraguischen Dorfes'

Die verschiedenen Gebäude sind ohne erkennbare Ordnung verteilt. Santa Vittoria wurde wahrscheinlich als Wallfahrtsort regelmäßig von den in der Umgebung lebenden Stämmen besucht.
In den Räumen rund um einen gepflasterten kleinen Platz, übernachteten vermutlich die Pilger, die das Heiligtum besuchten. Wenige Meter von der Mauer entfernt liegt das religiöse Zentrum, der Brunnentempel.

der Treppenabgang zum Brunnenheiligtum ist wieder mit bewunderswert exakt behauenen Steinblöcken gebaut

der Treppenabgang zum Brunnenheiligtum ist wieder mit bewunderswert exakt behauenen Steinblöcken gebaut

Das Brunnenheiligtum besteht aus einem gepflasterten Vorraum mit Steinbänken für die Votivgaben, aus der Treppe in die Tiefe und dem Brunnenschacht, dessen Wände in Abständen von Drainagelöchern durchbrochen sind.

60 wieder aufgestellte Menhire (Steinmale) verschiedener Größe erinnern an den mystischen Ort.

60 wieder aufgestellte Menhire (Steinmale) verschiedener Größe erinnern an den mystischen Ort.

Ein ganzes Stück weiter südlich (Senorbi) schauen wir uns dann drei Gräber und 60 Menhire der megalithische Nekropole von Pranu Mutteddu(*) an, die auf einem 20000qm großen Korkeichen-Wiesen-Plateau verstreut liegen. Die Gräber entsprechen verschiedenen Typen. So sind unterirdische Felskammergräber neben Kisten- und nur hier vorkommenden Kreisgräbern vertreten.

Das interessanteste Grab wurde aus zwei großen Findlingsblücken herausgehauen und ist von zwei Steinkreisen umgeben. Aufgrund von Grabbeigaben datiert man diese Stätte in die Ozieri-Kultur

Das interessanteste Grab wurde aus zwei großen Findlingsblücken herausgehauen und ist von zwei Steinkreisen umgeben. Aufgrund von Grabbeigaben datiert man diese Stätte in die Ozieri-Kultur

nur in Pranu muteddu vorkommendes Kreisgrab

nur in Pranu muteddu vorkommendes Kreisgrab

Die jetzt seit unserer Ankunft herrschende Hitze schlaucht auf die Dauer doch ganz schön, so dass wir froh sind
in der Bar unseres (neuen) Hotels ein Bier schlürfen zu können. Anschließend ist Duschen angesagt. Gegen 20.30 nehmen wir dann wohl als einzige Gäste des Hotels (ausser der grossen Familie) das Abendessen nein. Antipasti misti di mare e terra (10) und 2x spigole (Wolfsbarsch) je zwei kleine mit grünem Salat und pommes frites. Zum Nachtisch bekommen wir noch einen Mirto und einen Cafe. Mit einem Liter ganz leicht frizzantem Weißwein und Wasser sind wir zusammen 40 € los. Das Zimmer kostet ohne Frühstück (46,5 €). Es ist heiß und die Klimaanlage laut, daher schalten wir sie aus und wälzen uns bis 2.00 Uhr, dann mache ich die Balkontüre auf und es geht besser.
Tagesetappe 259 km

© Herbert S., 2006
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Die Reise
 
Worum geht's?:
2 Wochen Sardinien - nicht als Strandurland, sondern als Erkundungstrips in Megalithkulturen, Romanik mit toskanischen Einflüssen und Berglandschaft.
Details:
Aufbruch: 19.07.2006
Dauer: 14 Tage
Heimkehr: 01.08.2006
Reiseziele: Italien
Der Autor
 
Herbert S. berichtet seit 18 Jahren auf umdiewelt.
Reiseberichte von Herbert sind von der umdiewelt-Redaktion als besonders lesenswert ausgezeichnet worden!
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