Italien im Sommer

Reisezeit: Juli 2010  |  von Beatrice Feldbauer

rote Autos

Beim Frühstück studiere ich eingehend den Stadtplan und ziehe dann doch ohne bestimmtes Ziel los. Schlendere durch die Fussgängerzone. Ich habe genügend Zeit. Mein Ziel ist nur noch 250 km entfernt, das schaffe ich am Nachmittag spielend.

Ich entdecke eine unaufgeregte, typisch italienische Stadt mit noch mehr Kirchen, grossen Plätzen und ein paar Bancomaten. Das ist auch gut so, denn am Morgen im Hotel haben meine beiden Kreditkarten schon wieder den Dienst versagt. Beim Automaten aber spucken sie problemlos Euros aus. Zum Glück, sonst wäre mein italienisches Abenteuer zu Ende, bevor es angefangen hat.

eine sehr ineressante Sonnenuhr... die scheint nicht nur die Stunde anzuzeigen

eine sehr ineressante Sonnenuhr... die scheint nicht nur die Stunde anzuzeigen

Irgendwann stehe ich wieder vor dem achteckigen Battistero. Es ist offen und jetzt weiss ich auch, was es ist. Die Taufkirche. Das ganze Gebäude wurde zu dem einzigen Zweck gebaut, Taufen vorzunehmen. Das muss früher eine imposante Zeremonie gewesen sein. Davon zeugt schon das achteckige grosse Bassin in der Mitte des turmartigen Gebäudes. In der Mitte des Beckens gibt es ein kleineres rosettenförmiges Bassin. Das war dem Priester vorbehalten, der die Taufe durchführte. Das weiss ich von der Stimme im Hörer, die mir für einen Euro die Geschichte des Battisteros erzählt. Erbaut im Mittelalter um 1200 ist es ein imposantes Zeugnis aus jener fernen Zeit. Weil der rosa Marmor, mit dem die Aussenwände verkleidet sind, eine Zeit lang nicht mehr aufzutreiben war, musste der Bau viele Jahre unterbrochen werden.

Die ganzen Innenwände und die Kuppel sind mit Fresken bemalt, die Szenen aus dem Leben von Jesus und Maria erzählen. Dazu gibt es Abbildungen der Sternkreiszeichen und Sinnbilder für die Jahreszeiten. Die Statuen darüber zeigen verschiedene Handwerker. So war das Ganze zu einer Zeit, als es weder Zeitungen noch Fotos gab, etwas wie ein Weiterbildungszentrum.

Durch die offenen Fenster im oberen Teil dringt viel Licht hinein und so scheint der ganze Raum trotz den vielen Gemälden licht und hell.

Die Kuppel, das ganze Gebäude ist eigentlich ein leerer Turm. Die Wände und die Decke sind Kino von früher

Die Kuppel, das ganze Gebäude ist eigentlich ein leerer Turm. Die Wände und die Decke sind Kino von früher

Das Battistero von innen

Das Battistero von innen

Ganz anders der Dom gleich daneben. Meine Augen müssen sich erst an die Dunkelheit gewöhnen. Es ist ruhig und kühl im Inneren des hohen Kirchenschiffs. Gewaltige Säulen tragen die Bogen die zu den Seitenaltaren führen. Darüber gibt es Gemälde und an der riesigen goldenen Orgel spielt jemand eine leise Melodie. Sie ist so unauffällig, dass ich sie schon bald nicht mehr höre, und doch ist sie da und gibt dem ganzen Raum eine feierliche Stimmung. Mit der Zeit nehme ich immer mehr Details wahr. So entdecke ich auch die imposante Kanzel, die ganz in schwarzem Marmor mit goldenen Verzierungen gehalten ist. Unter der Kirche gibt es eine Halle mit unzähligen diskret beleuchteten Säulen, die ein niedriges Gewölbe tragen.

Blick vom Battistero zum Dom

Blick vom Battistero zum Dom

der reich geschmückte Dom

der reich geschmückte Dom

Für mich ist es jetzt aber Zeit, an die Sonne zurück zu kehren. Der Cellospieler ist auch wieder da. Er ist ein paar Meter vorgerückt und es scheint, dass er über Nacht geübt hat, jedenfalls finde ich seine Musik heute viel besser. Nachdem ich ihm eine Münze in seinen Koffer gelegt habe, schenkt er mir für die Foto sogar ein Lächeln.

Ich bummle über das Kopfsteinpflaster, gucke in Modeboutiquen, Trödlerläden, Schmuck- und Schuhgeschäfte. Fast lasse ich mich von einem der lauschigen Bistros verlocken, aber es ist noch zu früh für den Apéro und den Kaffee hatte ich im Hotel. Ganz ohne Stadtplan komme ich irgendwann zum grossen Parco Ducale, den ich mir schon am Morgen auf meine imaginäre Liste der zu besuchenden Orte gesetzt habe. Und hier, unter den Bäumen nippe ich an einem frischen Grapefruitsaft und mache mir ein paar Notizen.

Der Halt in Parma hat sich gelohnt. Ich habe in den wenigen Stunden einen guten Eindruck von der Stadt bekommen und es gäbe bestimmt noch viel mehr zu sehen. Noch mehr imposante Gebäude und schattige Säulenhallen. Sogar die Post ist hier ein Palast. Palazzo di Posto steht draussen und selbstverständlich habe ich einen Blick hineingeworfen.

Toscanini wurde in Parma geboren, das erfahre ich aus dem Stadtplan, denn da gibt es sein Geburtshaus. Im Park findet heute Abend ein Konzert statt. Auf der Bühne werden die Lautsprecher und die Technik aufgebaut. Dann werden wohl die unzähligen Zikaden verstummen, die in den Bäumen zum grossen Mittagskonzert angesetzt haben.

Ich spaziere noch zum Teich am Ende des Parks, aber da er ganz in der Sonne liegt, ist es mir zu heiss, ihn zu umrunden. Ich kehre um. Durch die Kastanienallee weht ein angenehmer Wind.

Auf der Autobahn entdecke ich schon bald im Rückspiegel ein rotes Auto. Nummer einunddreissig. Das dreissigste war mein eigenes, damit ich mir heute die Zahl besser merken konnte. Der nächste rote Wagen steht auf einem Rastplatz auf dem Podest. Es ist ein Ferrari denn ich bin in der Nähe von Modena und da kommen dieses Boliden her. Wie auf einer Perlenkette sind die klingenden Namen aufgereiht. Und mit jedem Namen entsteht ein Bild in meinem Kopf, eine Idee vielleicht. Modena mit Ferrari und den berühmten italienischen Keramik-Fabriken auch die Plättli in meinem Badezimmer kommen von hier, das Auto nicht, das kommt aus Japan. Bologna mit dem schiefen Turm* und den endlosen Laubengängen, Imola mit dem Autorennen, Forli, Rimini das Badeferienziel vieler Schweizer und Deutscher.

Die nächste Ausfahrt ist Cattolica und da muss ich die Autobahn verlassen. Rimini und Cattolica, das waren schon in meiner Kindheit die Ziele der meisten Italienreisenden. Ich bin das erste Mal in dieser Gegend, aber ich erinnere mich an Postkarten mit gut organisierten Stränden. Liegestühle, aufgestellt wie Soldaten in der Kaserne. Kollektiver Sonnenbrand.

Diesmal nehme ich von Anfang an eine bediente Zahlstelle. Will das peinliche Manöver von gestern nicht wiederholen. Meinen Kreditkarten traue ich schon gar nicht mehr. Mein Ziel heisst Saludecio. Ein kleines Dorf auf einem Hügel, mit Blick aufs Meer. So jedenfalls hat mir Mauricio ein guter Freund aus der Schweiz seine neue Investition vorgestellt. Die Strasse steigt an und plötzlich sehe ich es links von mir. Das Meer. Tief blau und riesig liegt es da und nimmt mir der Atem. Es ist jedes Mal wieder ein grandioser Anblick, diese Weite zu sehen. Saludecio liegt 350 Meter über dem Meeresspiegel, verrät mir das Schild und wie ich der Strasse bis ganz nach oben folge, stehe ich schon bald vor dem Albergo Panoramico.

Mein Zimmer im zweiten Stock mit Blick auf die Felder und weichen Hügel und das Meer ist einfach grandios. Jetzt am frühen Abend hat sich die Hitze des Tages verzogen und ich setze mich erst einmal in den Schatten auf meinen grossen Balkon und geniesse nur noch die Aussicht. Hier werde ich also eine Woche bleiben. Eine ganz neue Erfahrung, oft habe ich sowas noch nicht gemacht. Bin ja gespannt, wie ich das aushalte.

*Ich habe die Stadt nicht verwechselt. Es gibt auch in Bologna einen schiefen Turm. Ich bin sogar schon einmal hinaufgestiegen.

die Aussicht vom Hotelzimmer
350 m über Meer und lange nicht so heiss wie dort unten am Strand

die Aussicht vom Hotelzimmer
350 m über Meer und lange nicht so heiss wie dort unten am Strand

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Die Reise
 
Worum geht's?:
Eine Woche Rimini in der Hochsaison. Eigentlich gar kein typisches Ziel für mich, aber trotzdem einen Versuch wert. Ich habe ein Zimmer in einem kleinen Dörfchen im Hinterland von Rimini gebucht und werde da eine ruhige Woche verbringen. Ein wenig lesen, ausspannen, schreiben und die Gegend erkunden. Keine Abenteuer, ausser dem, dass ich kein Italienisch spreche, sondern nur meinem Spanisch einen italienischen Anstrich gebe und hoffe, dass man mich versteht.
Details:
Aufbruch: 23.07.2010
Dauer: 9 Tage
Heimkehr: 31.07.2010
Reiseziele: Italien
Der Autor
 
Beatrice Feldbauer berichtet seit 20 Jahren auf umdiewelt.
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