Rekordversuch

Reisezeit: April 2015  |  von Sabine H.

Milano - geführte Tour mit Cenacolo

Ausgeschlafen, gut gefrühstückt und pronto ! Eines wollte ich für Mailand ja unbedingt: Das Gemälde von Leonardo da Vinci "das letzte Abendmahl" sehen in der kleinen Kirche Santa Maria delle Grazie. Hierfür hatte ich mich sehr rechtzeitig um ein e-ticket bemüht, aber selbst das war gar nicht so einfach. Ich konnte es nur im Zusammenhang mit einer geführten 4-stündigen Tour durch Mailand erwerben, musste dafür 2 Anläufe starten und selbst, als ich endlich die Bestätigung hatte, gab es kurz vor Abreise noch eine E-Mail, mit der man mich informierte, mein gebuchtes Zeitfenster sei überbucht, ich könne jedoch am gleichen Tag auf einen späteren Termin, 14.00 Uhr ausweichen. Was blieb mir anderes übrig ? Ich hoffte nur, dass der ganze Aufstand es wert ist.

Den Vormittag verbrachte ich bummelnderweise in Mailands Zentrum, nicht der Rede wert. Überpünktlich stand ich dann vor der unscheinbaren Kirche und wartete auf die/den Tourguide. In Form einer sehr eloquenten Dame namens Valeria tauchte die Person dann auch auf, es wurden Kopfhörer und die zugehörigen Audio-Geräte verteilt und hinein ging es in die heiligen Hallen, um eines der absoluten Meisterwerke Leonardo´s für 15 Minuten zu betrachten (länger ist pro Gruppe nicht erlaubt).

Santa Maria delle Grazie - eine Dominikanerkirche

Santa Maria delle Grazie - eine Dominikanerkirche

by the way: Mailänder lieben ihre etwas antiquierte Straßenbahn...

by the way: Mailänder lieben ihre etwas antiquierte Straßenbahn...

und hier befindet sich ein UNESCO Weltkulturerbe von derartiger Bedeutung ? Fast unglaublich angesichts der so schlichten Fassade.

und hier befindet sich ein UNESCO Weltkulturerbe von derartiger Bedeutung ? Fast unglaublich angesichts der so schlichten Fassade.

Es wird spannend, unsere mittlerweile 12-köpfige, internationale Gruppe tritt ein. Drinnen müssen wir noch etwas warten, bis die vorherige Truppe durch ist. Valeria erzählt spannendes aus dem Leben von Leonardo da Vinci und zum Gemälde, während wir auf einer ausrangierten Kirchenbank hocken und ihrem Vortrag lauschen. Es geht weiter: Durch die Sicherheits- und Staubschleuse. Dort müssen wir wieder 1-2 Minuten warten, bis sich die Schleuse öffnet und wir endlich in das ehemalige Refektorium des Klosters eintreten und dann direkt auf das Cenacolo oder eben letzte Abendmahl schauen können. Das Gemälde, das direkt auf die Kalkwand des Speisesaales aufgetragen ist, ist akut gefährdet. Staub, Temperaturschwankungen, Luftfeuchtigkeit, Licht - alles setzt diesem Bild sehr zu. Deswegen werden auch nur max. 100 Personen/Stunde hineingelassen und deswegen gibt es die Schleuse. Fotografieren ist selbstverständlich streng verboten und darüber wacht ein italienischer Gorilla auch sehr streng. Ich bekomme mit, wie er eine Person, die den Fotoapparat aus der Tasche holt sehr harsch anblafft. Aber das ist ja gut so, denn das Gemälde ist schon reichlich blass.

Man muss es sich vorstellen: Leonardo da Vinci hat dieses Gemälde über 4 Jahre von 1494 bis 1498 geschaffen und dabei hinsichtlich Technik und Farbe viele Fehler gemacht. Er sollte ja nun auf Kalkputz malen und hätte die damals schon bekannte Freskotechnik anwenden sollen, hat er aber nicht. Dafür hätte er ein schneller Maler sein müssen, weil er auf dem noch feuchten Putz relativ schnell hätte pinseln müssen. Konnte und wollte er nicht. Er hat das Abendmahl wie ein Ölgemälde gemalt, langsam und mit organischen Ölfarben. Das ging schon zu seinen Lebzeiten schnell kaputt. Im Laufe der Zeit wurde das Bild x-mal "restauriert", was nichts anderes bedeutet, als dass andere Maler immer wieder drüber und drüber gepinselt haben. Noch schlimmer kam es im 2. Weltkrieg, zwar haben die Mönche das Gemälde mit Sandsäcken gegen Bombenangriffe geschützt, aber die Kirche drumherum brach fast vollständig zusammen, was auch nicht gerade gut getan haben dürfte. Von 1978 bis 1999, also 21 lange Jahre, war das Gemälde unter Verschluss, es wurde wieder mal restauriert, diesmal mit den modernsten Methoden von einer Dame namens Pinin Brambilla Barciloni. Sie hat von Grund auf aufgeräumt, deswegen dauerte es auch so lange und sie hat es - fast - allein gemacht, darüber auch ein Buch geschrieben und die alte Dame lebt noch heute !

Jetzt wollen wir das Meisterwerk aber auch endlich sehen !

Dies ist nur ein Foto vom Foto - wie gesagt: Fotografieren strengstens verboten. Und die wichtigste Frage ist nur: WER ist Judas ???

Dies ist nur ein Foto vom Foto - wie gesagt: Fotografieren strengstens verboten. Und die wichtigste Frage ist nur: WER ist Judas ???

So, jetzt von links nach rechts, interessanterweise immer in 3-er-Gruppen, bis auf Jesus in der Mitte.

So, jetzt von links nach rechts, interessanterweise immer in 3-er-Gruppen, bis auf Jesus in der Mitte.

Bartholomäus, Jakobus und Andreas, dann Judas, Petrus und Johannes. Jesus in der Mitte, der gerade zuvor geoutet hat "einer von euch hat mich verraten", er selber ganz cool, seine Jünger in Aufruhr. Rechts neben Jesus Thomas, Jakobus und Philippus, rechts außen dann Matthäus, Thaddäus und Simon. Man muss das Gemälde auf sich wirken lassen, lange hinschauen und wer jetzt kein Interesse an Kunst usw. hat, muss sich diesen Programmpunkt für Mailand auch nicht antun, ohne Kulturbanause zu sein, wohlgemerkt. Ich jedoch bin ehrlich entzückt, mir persönlich gefällt so etwas.

Übrigens gibt es auf der direkt gegenüberliegenden Wand auch noch ein Gemälde, allerdings nicht von Leonardo und es zeigt die Kreuzigung. Kann man auch noch mal einen langen Blick hinwerfen...

Die 4-stündige Führung durch Mailand hatte ich ja nur mit-gebucht, um an ein "Abendmahl-Ticket" zu kommen, insofern hätte ich jetzt abbrechen können, aber da Valeria ihren Job echt gut machte, Humor hatte, die Truppe nett war und alles, was ich eh noch sehen wollte von der Tour ge-covered war, bin ich bei der Stange geblieben und weiter mitgelaufen.

Nähnadel mit Faden vorm Bahnhof Cadorna

Nähnadel mit Faden vorm Bahnhof Cadorna

Nähmaschine

Nähmaschine

Die Nähnadel von Claes Oldenburg

Die Nähnadel von Claes Oldenburg

Mailand ist nach Paris d i e Modestadt Europas. Fashion weeks gibt es ja mittlerweile wie Sand am Meer in allen möglichen Städten, aber die bedeutendsten sind wohl immer noch die von Paris und eben Mailand. Und das zeigt sich allerorten in Milano. Es gibt unzählige sündhaft teure Designer-Boutiquen in Mailand - alles nicht meine Preisklasse und Shopping steht auch überhaupt nicht auf meiner to-do-list.

Valeria schwadroniert unterdessen noch immer über Leonardo da Vinci, ich wusste z.B. gar nicht, dass er schwul war...

Wir erreichen das Castello Sforzesco, das Stadtschloss von Mailand, gebaut im 15. Jahrhundert vom damaligen Dogen der Stadt aus der Sforza-Familie. Das sind jetzt echt viele Gebäude und Türme, einiges noch original, vieles aber nicht mehr, weil entweder im 2. Weltkrieg zerstört oder schon früher irgendwann. Das Castello hat jedenfalls eine sehr wechselvolle Geschichte hinter sich und ist nun auch nicht der absolute Brüller. Daher höre ich an dieser Stelle auch nicht mehr so richtig zu, sondern fotografiere einfach, wie eine Bekloppte.

nicht alles ist mehr original

nicht alles ist mehr original

Es gibt auch verschiedene Ausstellungen im Castello

Es gibt auch verschiedene Ausstellungen im Castello

Burggraben

Burggraben

Weiter geht´s. Angesichts des EXPO Gates erklärt Valeria, dass die Eröffnung der EXPO ja kurz bevorstehe und sie keine Ahnung habe, wie Mailand der erwarteten Menschenmengen Herr werden solle. Jetzt ist die EXPO mittlerweile eröffnet und die Proteste in Mailand zeigen, dass auch viele andere Mailänder nicht gerade hocherfreut sind, was dieses Ereignis angeht...

Hier geht´s schon los: Man sieht es schlecht, aber was die beiden Straßenverkäufer im Vordergrund zu verkaufen haben, sind Teleskop-Arme für Handy´s zum bequemeren Selfie-machen. Ab morgen werden diese Teleskop-Stöcker für mich zum Hass-Gegenstand...

Hier geht´s schon los: Man sieht es schlecht, aber was die beiden Straßenverkäufer im Vordergrund zu verkaufen haben, sind Teleskop-Arme für Handy´s zum bequemeren Selfie-machen. Ab morgen werden diese Teleskop-Stöcker für mich zum Hass-Gegenstand...

Das eigentliche EXPO-Gelände liegt natürlich außerhalb der Innenstadt

Das eigentliche EXPO-Gelände liegt natürlich außerhalb der Innenstadt

Fußgängerzone in Mailand...Shopping...Gelato und weiter

Fußgängerzone in Mailand...Shopping...Gelato und weiter

Banca d´Italia - Mailand ist ja nicht nur Mode- sondern auch Finanzmetropole Italiens. Was die Finanzen angeht, schwächelt hier einiges..

Banca d´Italia - Mailand ist ja nicht nur Mode- sondern auch Finanzmetropole Italiens. Was die Finanzen angeht, schwächelt hier einiges..

Und Mailand hat Humor...

Und Mailand hat Humor...

11 Meter hoch ist der Stinkefinger aus Marmor, der seit 2011 direkt vor der Mailänder Börse steht. Geschaffen vom Künstler Maurizio Cattelan, der die Skulptur der Stadt Mailand schenkte - allerdings nur unter der Voraussetzung, dass sie vor der Börse aufgestellt würde. Erst sollte die Figur nur für 10 Tage stehen bleiben, daraus wurden 3 Monate, dann hieß es: Bis zum 30.09.2011. Ergebnis: Sie steht immer noch. Die Börsianer haben anfangs heftig protestiert, sich aber nun wohl damit abgefunden. Mittlerweile ist das Teil eine beliebte Sehenswürdigkeit von Mailand, die ziemlich viele Touristen in den sonst etwas verwaisten Finanz-Distrikt der Stadt treibt. Jeder möchte einfach ein Foto von diesem "Ding", das laut seinem Schöpfer "eine Geste der Liebe" sein sollte...

Wieder an der eigentlich recht unscheinbaren Oper La Scala, heute gibt es übrigens das Ballett "Giselle". Hinein kann man außerhalb der Aufführungen hin und wieder auch, abhängig vom Spiel- und Probenplan.

Wieder an der eigentlich recht unscheinbaren Oper La Scala, heute gibt es übrigens das Ballett "Giselle". Hinein kann man außerhalb der Aufführungen hin und wieder auch, abhängig vom Spiel- und Probenplan.

Eine der unzähligen Designer-Boutiquen in Mailand: Trussardi. Selbstverständlich findet man auch problemlos alle anderen Designer Italiens, die ebenfalls krank teuer sind und trotzdem scheint es genug Leute zu geben, die sich das Zeug leisten können - und wollen.

Eine der unzähligen Designer-Boutiquen in Mailand: Trussardi. Selbstverständlich findet man auch problemlos alle anderen Designer Italiens, die ebenfalls krank teuer sind und trotzdem scheint es genug Leute zu geben, die sich das Zeug leisten können - und wollen.

Nein, nicht Michelle Hunziker, sondern irgendein Trussardi-Model...

Nein, nicht Michelle Hunziker, sondern irgendein Trussardi-Model...

Wieder in der Einkaufspassage Vittorio Emmanuele II

Wieder in der Einkaufspassage Vittorio Emmanuele II

Direkt am Oktagon unter den riesigen Glaskuppeln der Passage befinden sich auf dem Fußboden als Mosaiken die Stadtwappen von Mailand, Turin, Rom und Florenz. Das Stadtwappen von Turin ist das ganz besondere hier: Es zeigt einen Stier. Und es soll exakt der Platz sein, auf dem der Architekt des ganzen Bauwerkes nur wenige Wochen vor Eröffnung landete, als er von einem Gerüst fiel und zu Tode kam. Aus diesem Pech ist eine Tradition entstanden. Man muss sich auf der Hacke 3-mal rückwärts auf den Mosaik-Hoden des Stieres drehen. Das soll Glück bringen ! Unglaublich viele Leute performen das hier und heute, der Platz ist umlagert und fast schon umkämpft. Natürlich ist das Mosaik an dieser Stelle auch schon heftig beschädigt, es ist ein regelrechtes Loch da, in das man den Absatz seines Schuhes allerdings umso besser hineinstecken kann, um genügend Halt für die 3 Umdrehungen zu haben... Ich bin glücklos und muss wieder gehen, ohne es ausprobiert zu haben.

Es folgt das Desaster: Valeria erklärt, dass die Besichtigung des Inneren des Duomo nicht Teil unserer Tour sei ! What ? Wie sch... ist das denn, bitte ?

Es folgt das Desaster: Valeria erklärt, dass die Besichtigung des Inneren des Duomo nicht Teil unserer Tour sei ! What ? Wie sch... ist das denn, bitte ?

Ich höre mir Valeria´s Erklärungen zum Dom und zu Mailand zuende an, bin aber tiefen-enttäuscht, nicht im Dom gewesen zu sein. Also zurück zum Domplatz, aber der Ticketschalter ist bereits geschlossen. MEGA-schade. Und dabei wollte ich so gerne die Statue von Bartholomäus sehen, der seine eigene Haut wie einen Mantel um sich trägt. OK, muss ich also nochmal wieder kommen ! Denn für heute ist Ende im Gelände. Metro nach Milano Centrale, irgendeine Trattoria in den Seitenstraßen für Spaghetti aufgesucht, Glas Rotwein und Gute Nacht im 17. Stock des Michelangelo-Hotels.

Hotelzimmer Mailand

Hotelzimmer Mailand

© Sabine H., 2015
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Die Reise
 
Worum geht's?:
7 Städte in 16 Tagen - so stressfrei, wie möglich. Quatsch, stressfrei ist völlig unmöglich. Ich habe letztes Jahr sowas schon mal gemacht, Urlaub ist das nicht, macht aber tierisch Spaß und daher setze ich dieses Jahr noch eine Stadt mehr drauf.
Details:
Aufbruch: 03.04.2015
Dauer: 17 Tage
Heimkehr: 19.04.2015
Reiseziele: Deutschland
Italien
Schweden
Frankreich
Monaco
Malta
Bulgarien
Griechenland
Der Autor
 
Sabine H. berichtet seit 17 Jahren auf umdiewelt.
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