Suedspanien einmal anders - 10 Tage Trekken in der Sierra Nevada

Reisezeit: März 2007  |  von Morris B.

Track II - 3 Tage Offtrack am Suedrand

Während Nils und Johannes bereits im Bus nach Málaga sitzen, genießen Jonas und ich den atemberaubenden Blick auf die Alhambra. Trotzdem wollen wir weiter nach Trevèlez, dem kleinen Ort am Südrand des Gebirgszuges, den wir schon einmal aus Ausgangsort eines Mehrtagestracks im Auge hatten.

Nette Altsadt in Granada

Nette Altsadt in Granada

Die Alhambra

Die Alhambra

Was wir nicht auf der Rechnung haben ist, dass die spanische Gemütlichkeit mitunter soweit geht, dass eine Kassiererin für einen Kunden mehr als 20min brauchen kann. Wir verpassen unseren Bus. Es war der letzte Bus an diesem Tag. Unsere Tickets sind verfallen. Dass in ganz Granada nicht einmal mehr eine Schlafcouch aufzutreiben ist macht unsere Laune nicht besser. Die ganze Situation ist so "beschissen", dass wir nur noch lachen können, als Jonas mit seinen Kopf gegen einen Metallrahmen rennt und seine Brille verbiegt.
Wir finden noch einen Bus nach Orgiva - das ist wenigstens die Richtige Richtung und laut Reiseführer gibt es dort drei Hotels. Diese drei Hotels existieren auch wirklich. Nur leider findet ausgerechnet an diesem verdammten Tag in Orgiva ein großes, jährliches Fest statt. Folgerichtig sind auch hier alle Betten ausgebucht, als wir bereits im Dunkeln unsere Rucksäcke von Tür zu Tür schleppen.
Mental bereite ich mich bereits auf einen Nacht am Straßenrand vor, während wir mit wenig Hoffnung "Trevèlez" auf ein Stück Papier kritzeln. Zum ersten Mal an diesem Tag haben wir Glück: Gleich das dritte Auto hält und bietet uns eine Mitfahrgelegenheit bis 4km vor unserm gewünschten Ort an.
Pablo hat lange Haare und trägt Bart. Seine Kleidung ist schmutzig. Der Mitte 50jähringe spricht gebrochen Englisch. Er sei selber viel gereist und lebe nun in einer eigenhändig errichteten Hütte auf dem Land. Ein wenig Strom bekomme er durch eine Solarzelle auf dem Dach und manchmal habe er sogar warmes Wasser. Wir mögen den sympathischen Andalusen sofort - erst recht als er uns anbietet, wir könnten ja bei ihm übernachten!

Rechts neben der dunklen Landstraße versteckt Pablo sein Auto in einem Busch. Bevor wir zu seinem Haus gelangen müssen wir allerdings noch 20min durch die sternenklare Nacht stiefeln. Unser Gastgeber, der mit einem Quodbike vorgefahren ist, hat bereits ein Feuer im Kamin entzündet. Das Haus besteht aus Holz und Stein. Jedes noch so kleine Detail ist selbstgemacht. Gemeinsam kochen wir Nudeln und machen es uns am Feuer gemütlich. Gespannt hören wir ihm zu. Er erzählt in einer Mischung aus Englisch und Spanisch aus seinem Leben in Andalusien und von langen Reisen. Glücklich sei er nur hier auf dem Land meint er und lässt vielsagend seine Blicke über die unbekleideten Steinwände schweifen. Jeden Stein habe er selbst aus dem Fluss hieraufgetragen, sagt er nicht ohne Stolz. Er lebe hier als Selbstversorger mit ca. 700 Euro im Monat, die er durch 30 Tage im Jahr auf dem Bau und zwei kleine Häuser in der Stadt verdiene. Früher, meint der Mann mit dem grau durchsetzten Bart, da habe er viel verdient, aber schon mit seinen 700Euro wüsste er nicht wohin mit dem Geld."Wozu brauche ich mehr Geld? Ich habe doch alles, was ich will.", fragt er uns achselzuckend.
Bevor wir ins Bett dürfen, besteht Pablo noch auf eine Kostprobe seines selbstgemachten Weines und Schnaps("aus den Kräutern des Gartens").
Um 7:00Uhr reißt uns der freundliche Andaluse aus dem Schlaf. Seine Mutter sei gestorben und er müsse sofort nach Sevilla, bietet uns aber an, solange wir wollen zu bleiben. Schlaftrunkend nehmen wir sein vertrauensseliges Angebot an. "Ihr wisst ja wo alles ist und denkt daran, die Tür richtig zu zumachen, wenn ihr geht!", ermahnt er uns zum Abschied.
Fünf Stunden später sitzen wir auf der Terrasse vor dem Haus und genießen Frühstück und Ausblick. Zum Dank waschen wir das sich seit Wochen in der Spüle stapelnde Geschirr ab und hinterlassen eine Dankeschönnote.

Frühstück vor Pablos Haus

Frühstück vor Pablos Haus

Schweren Herzens nehmen wir Abschied von Pablos kleinem Paradies. Wir wollen es auf unserem zweiten Track noch einmal wissen uns planen daher aus dem 1000m hohen Tal querfeldein auf einen nahe liegenden 2536m hohen Berg zu steigen, einen zwischen 2400m und 2600m hoch liegende Kamm entlang zu klettern, bevor wir schließlich 15km weiter nördlich in das selbe Tal abzusteigen versuchen. Was uns erwartet, wissen wir nicht - genauso wenig wie etwas über Wettervorhersagen oder Schneegrenzen in Erfahrung bringen konnten. Die Höhenlinien auf der topographischen Karte und ein Blick in den strahlend blauen Himmel machen aber Mut.
Wir kommen nur langsam voran. Meterhohe Dornenbüsche sowie Stacheldrahtzäune machen uns zu schaffen.

Dornenbüsche machen uns schaffen...

Dornenbüsche machen uns schaffen...

...und sind hin und wieder auch mit schmerzhaft

...und sind hin und wieder auch mit schmerzhaft

Ein Bauer, der gerade dabei ist sein Feld mit einem altertümlichen Pferdepflug zu bestellen, grüßt uns freundlich und geleitet uns mit dem Hinweis auf frei herumlaufende Stiere aus seinem Land heraus. Stunde um Stunde quälen wir uns den Berg herauf.

bergauf...

bergauf...

Wassernot macht uns bereits seit längerem Sorgen, als wir die Wasserstelle einer Rinderfarm entdecken. Wir füllen unsere Flaschen auf und lagern 100m höher im Wald. Schon bald sitzen wir am flackernden Feuer unter funkeldem Sternenhimmel und halten "Stockbrot" über die Flammen.

Mit Stockbrot am Feuer

Mit Stockbrot am Feuer

Der Wald hat eine isolierende Wirkung und beschert uns eine mit -2Grad sehr milde Nacht. Wir steigen aus dem Wald über die Baumgrenze. Natürlich existiert kein Weg und die Höhenlinien sind schmerzhaft dicht beieinander.
Wir liegen deutlich hinter unserem Zeitplan zurück und gestehen uns deshalb nur wenige Pausen auf dem 600 Höhenmeter langen Anstieg zu. Da bietet eine nur wenig Respekt vor uns zeigende Gemsenherde einen willkommenden Grund für eine Fotopause.

Eine wenig scheue Gemsenherde kreuzt unseren Weg

Eine wenig scheue Gemsenherde kreuzt unseren Weg

Erschöpft werfe ich am Gipfel angekommen meinen Rucksack zu Boden. Die Aussicht ist gigantisch. Auch der Weg über den Kamm scheint machbar zu sein.

Oben!

Oben!

Drei Müsliriegel und 200g Schokolade später raffen wir uns auf und laufen den Kamm bis zu dem zuvor auf der Karte zum Auffüllen unserer Wasservorräte ausgemachten Fluss entlang.

Den Kamm entlang

Den Kamm entlang

Auf einem der zahlreichen Gipfel, die wir an diesem Tag besteigen

Auf einem der zahlreichen Gipfel, die wir an diesem Tag besteigen

Der Fluss ist ausgetrocknet. Wir nehmen es mit Humor. Wenigstens eignet sich das Flussbett ideal zum Laufen. Mit noch je 500ml in unseren Flaschen geht es weiter auf Wassersuche. Nun kommen wir schnell voran und schon eine Stunde später erspäht Jonas ein kleines Rinnsal. Wir rasten.

Das ausgetrocknete Flussbett ist teilweise von Steinschlägen verschüttet

Das ausgetrocknete Flussbett ist teilweise von Steinschlägen verschüttet

Langsam verzweifelnd scuht Jonas sogar in Höhlen nach Wasser- erfolglos!

Langsam verzweifelnd scuht Jonas sogar in Höhlen nach Wasser- erfolglos!

Einige Kilometer weiter flussabwärts stellen wir mit Hilfe von GPS und Karte fest, dass abermals ein eingezeichneter Weg in der Realität nicht existiert. Erinnerungen an den zweiten Tag unseres ersten Tracks werden Wach: Wieder müssen wir in der Dämmerung eine steilen Hang heruntersteigen.

In der Dämmerung eine steilen Hang heruntersteigen

In der Dämmerung eine steilen Hang heruntersteigen

Dieses Mal ist jedoch zu spät. Ohne eine andere Wahl schlagen wir unser Camp noch auf 2360m oberhalb der Baumgrenze auf.
Missmutig und mit ängstlicher Erwartung der nächtlichen Temperaturen bauen wir das Zelt auf einer Ebene auf, die uns keinerlei Windschutz bietet. Schneefall setzt ein. Wir finden eine Ruine in der Nähe und brechen ein paar Bretter aus der Tür- und Dachvorrichtung heraus. Das kleine Feuer wärmt zumindest kurzzeitig und hilft beim Kochen.

"Kuscheliges Lager"

"Kuscheliges Lager"

Früh legen wir uns schlafen. Ich lege all meine Kleidung über meinen Schlafsack.
Ich friere nur wenig in dieser Nacht. Die dicke Wolkenschicht hat uns vor Extremtemperaturen bewahrt, wie es scheint.
Am Morgen haben sich die Wolken verzogen und geben eine perfekten Blick auf den Mulhacen frei.

Gut gelaunt geht es auf die letzte Etappe

Gut gelaunt geht es auf die letzte Etappe

Wir laufen immer noch ohne Weg, überqueren mehrere Flüsse, steigen steil in das Tal, aus dem wir gestartet sind, ab und finden schließlich einen Track, dem wir weiter talabwärts folgen.

Teilweise ist der Weg ein Bach. An anderen Stellen ähnelt er mehr einem Sumpf. Der Himmel zieht sich zu. Hagel, Schnee und Regen wechseln sich ab, während wir uns so schnell wir können Trevèlez nähern.

Bis hierhin hatten wir Hochachtung vor den Kletterkünsten der Gemsen.

Bis hierhin hatten wir Hochachtung vor den Kletterkünsten der Gemsen.

Dort angekommen ziehen wir ein Hotel dem Campingplatz vor. Die warme Dusche, ein frisches Handtuch und ein kuscheliges Bett sind uns die 19€ an diesem Tag zu 100% wert!
Um wenigstens ein bisschen zu sparen, kochen wir mit unserem Gaskocher Fertignudeln auf dem Balkon.

Trevèlez

Trevèlez

Zwei Reisetage von Trevèlez nach Granada und weiter zum Flughafen nach Málaga schließen sich an, dann sind die genialen 10Tage in der Sierra Nevada auch schon vorbei.

© Morris B., 2007
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Die Sierra Nevada ist den meisten zum Glueck noch unbekannt. Im Internet findet man nur wenig ueber die Trekkingmoeglichkeiten in diesem Gebirge,in dem man bis zu 3400m hohe Berge findet. Wir wollen diese Gegend mit GPS und topografischer Karte erkunden und uns nicht wie die meisten anderen Suedspanienreisenden an den Strand legen.
Details:
Aufbruch: 18.03.2007
Dauer: 11 Tage
Heimkehr: 28.03.2007
Reiseziele: Spanien
Der Autor
 
Morris B. berichtet seit 18 Jahren auf umdiewelt.
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