Badeinsel ohne Baden – oder die letzte Kanareninsel

Reisezeit: März 2017  |  von Herbert S.

der Käse Fuertes und sein Museum im Zentrum

Antiguas Hauptanziehungspunkt liegt ein Stück außerhalb am nördlichen Ortseingang. Die fachgerecht restaurierte Windmühle ist nicht nur das pittoreske Wahrzeichen von Antigua, sondern der ganzen Insel. Dank der großzügigen Unterstützung durch die EU ist sie Teil eines mittlerweile größeren Museumskomplexes, der 1998 von der Inselregierung als eines der ersten touristischen Vorhaben im Landesinneren eröffnet werden konnte.

Das Käse-Museum in Antigua liegt nur wenige Kilometer von unserem Haus entfernt - das ist wahrscheinlich der Grund, dass es so schwierig für uns war es zu besuchen: entweder waren wir morgens zu früh vor Ort oder am Ende unserer Tagestour war es schon geschlossen. Aber schließlich schaffen wir es doch noch zum Ende eines Tages.

Der Museumsneubau liegt unmittelbar neben der restaurierten Mühle von Antigua in einem prächtigen kleinen Garten.

Kalanchoe Dinklagei - überall auf der Insel vertreten

Kalanchoe Dinklagei - überall auf der Insel vertreten

Dem Handel kommt in der Geschichte und Entwicklung der Menschheit grundlegende Bedeutung zu. Auf Grund seiner strategisch günstigen geographischen Lage begann der Handel auf dem kanarischen Archipel Anfang des 15. Jahrhunderts, als die Europäer einen neuen Handelsweg über den Atlantik suchten.
Händler verschiedenster Herkunft kamen auf den Kanaren zusammen: Kastilier, Katalanen, Genueser, Portugiesen, Franzosen, Engländer, Hamburger, Flamen ... Der Handel auf den Inseln fand auf drei Ebenen statt: Außenhandel, regionaler Handel und lokaler Handel.
Fuerteventura verfügte im Gegensatz zu den anderen Kanareninseln als „Isla de Señorío" über das Recht, eine Reihe von Abgaben zu erheben (ein Fünftel) und Beschränkungen aufzuerlegen. Fuerteventura beteiligte sich vor allem am regionalen oder interinsularen Handel, der ein Seehandel war, sowie am lokalen Handel. Der lokale Handel war häufiger und wurde über verschiedene Vertriebswege abgewickelt: Händler mit Läden, Händler,
die über die Insel reisten, und Käseverkäuferinnen. Die umfassendste Geschichtsforschung über Fuerteventura stammt von Dr. Rene Vernau. In naturalistischer Tradition beschrieb er ausführlich das Vieh, die Weidearten, die Schäfer und sogar die traditionelle Käseherstellung (1884-1888):
„(...)
Die Herstellung ist sehr einfach. Nach dem Melken wird der Milch sofort Lab beigesetzt, damit diese gerinnt, und sie wird in einfache runde Formen aus Holzspänen (Palmholz) gefüllt, die auf ein Brett gestellt werden. Mit den Händen wird Druck auf die geronnene Milch ausgeübt, bis die Molke entwichen ist und der Käse eine festere Konsistenz hat. Jetzt muss der Käse lediglich noch mit Salz abgerieben werden und trocknen. Wenn er getrocknet ist, ist er so hart, dass dass man ihn nur mit einem Stein oder einem Hammer teilen kann. Häufig wird auf Fuerteventura der Käse noch zusätzlich außen mit Lehm abgerieben, was ihm ein wenig appetitliches Aussehen verleiht. Ohne Zweifel dient diese Prozedur dazu, zu verhindern, dass der Käse zu hart wird."

Die Kontrollbehörde für die geschützte Ursprungsbezeichnung „Queso Majorero" wacht über die Einhaltung aller in der entsprechenden Verordnung enthaltenen Vorschriften bezüglich der Herkunft und Qualität der Rohstoffe, sowie der Herstellungs- und Reifungsverfahren. Das Kontrolletikett dieser Behörde ist für den Verbraucher eine Produktgarantie.
Die Ursprungsbezeichnung beruht auf einer speziellen Verordnung, die alle Käse, die eine soiche Bezeichnung tragen, erfüllen müssen. Die Verordnung enthält Regelungen bezüglich der Milchproduktion, der Herstellung und Reifung, der Eigenschaften der Käse, der Register, etc.. Darunter werden einige so wichtige Aspekte geregelt wie: von kanarischen Schafen erlaubt sind. Die Kontrollbehörde überwacht die Anlagen für das Vieh, dessen Ernährung auf traditionelle Weise unter Nutzung der Weideflächen des Herstellungsgeblets erfolgt (Kap. II, Art. 5.1 -4).
■ Belm Melken der Ziegen ist auf größte Sorgfalt und Hygiene zu achten, um saubere Milch zu erhalten (Kap. II, Art. 6).
■ Es wird festgelegt, wie viele Tage ein Käse reifen muss, damit er als Weichkäse (queso tierno), halbgerelfter Käse (queso semicurado) oder gereifter Käse (queso curado) gilt und es werden seine physikalischen und chemischen Eigenschaften beschneben. (Kap. IV, Art. 12,1-3).
■ Das Gebiet der Milchproduktion, das folgende Gemeinden umfasst: Antigua, Betaneuria, La Oliva, Päjara, Puerto del Rosario und Tuineje. (Kap. II, Art. 4).
• Die Herkunft der zur Käseherstellung verwendeten Milch: ausschließlich von der kanarischen Ziegenrasse „Majorera", wobei bei reifen Käsen maximal 15% Milch
• Die Käse mit Ursprungsbezeichnung sind mit einem nummerierten Etiket oder Kontrolletikett versehen, das von der Kontrollbehörde überprüft, bereitgestellt und ausgestellt wird (Kap. VI, Art. 23). Daneben werden auch die gegenüber der Kontrollbehörde bestehenden Rechte und Pflichten sowie eventuelle Verfahren und Strafen im Falle von Verstößen festgesetzt.

Die kanarischen Käse sind Teil des kulturellen Erbes der autonomen Gemeinschaft der Kanarischen Inseln. Die meisten werden hauptsächlich aus - vorzugsweise roher Ziegenmilch hergestellt, die sich durch ihre hohe Qualität auszeichnet. Diese verleiht dem Käse einen ganz besonderen und einzigartigen Geschmack, Geruch und Aussehen.
Jede Insel der Kanaren hat ihre eigenen Käsesorten: Queso Majorero auf Fuerteventura, Queso Palmero auf La Palma und Queso de flor de guia auf Gran Canaria
Der Majorero-Käse ist auf den ersten Blick an den Abdrücken zu erkennen, die die Formen oder Palmblätter an den Seiten und die spezielle Markierung auf der Unter- und Oberseite hinterlassen. Die Rinde ist beim jungen Käse rein weiß und nimmt im Zuge der Reifung eine elfenbeinene Färbung an. Der Käse kann mit Paprikapulver, Olivenöl oder Gofio (Mehl aus gerösteten Gerstenkörnern) bestrichen werden, wodurch er ein besonders charakteristisches Ausehen erhält. Diese Käse haben normalerweise keine Löcher, außer eventuell ein paar sehr kleine.
Geruch, Geschmack und Aussehen des Majorero-Käse:
Form: Die Käse sind zylinderförmig und 6-9 cm hoch, haben einen Durchmesser von 15-35 cm und wiegen zwischen 1 -6 kg.
Farbe: Die Käse haben eine gleichmäßige Färbung, die jungen, weichen Käse sind weiß und die reiferen Käse sind leicht elfenbeinfarben. An der Schnittstelle kann ein dunkler Rand von etwa 1 cm entstehen.
Geruch: Die Rohmilchkäse zeichnen sich durch ihren charaktervollen Geruch nach Ziegenmilch aus, ein intensiver und sauberer, schärflicher und ganz leicht säuerlicher Geruch. Bei den aus pasteurisierter Milch hergestellten Käsen ist dieser Geruch etwas überdeckt.
Geschmack: Die Käse haben einen ausgewogenen und intensiven Geschmack nach Ziegenmilch, Einige Käse schmecken leicht säuerlich nach natürlichem Lab. Der intensive Geschmack verbleibt lange im Mund.

unvorstellbar wieviele unterschiedliche Ziegenrassen es gibt

unvorstellbar wieviele unterschiedliche Ziegenrassen es gibt

Der Majorero-Käse (queso majorera) Ist von der Geschichte der Insel und Ihrer Bewohner nicht zu trennen, auch wenn es für die Zeit vor der Eroberung durch die Bretonnen und Normannen keine schriftlichen Zeugnisse über Fuerteventura gibt.
Die Ursprünge der Käsetradition auf Fuerteventura sind bei den ersten Siedlern zu finden, den „Majos", Erben des Wissens und der Tradition der nordafrikanischen Berber, die die Insel etwa tausend Jahre lang besetzt hattten. Im Laufe der Geschichte wurde Käse zu einem Grundnahrungsmittel der „Majoreros", der Einwohner von Fuerteventura, deren wirtschaftliche Hauptaktivität die Viehzucht war. Durch die Herstellung von Käse wurde es möglich, überschüssige Milch aufzubewahren und zu lagern. Der Verzehr von Käse ermöglichte außerdem das Überleben in Zeiten von Hungersnot.

Zum Sonnenuntergang gibt es dann boquerones, tortilla espanol, ensalada rusa, jamon Serrano, Oliven und eben solchen Käse.

© Herbert S., 2017
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Alle Freunde und Bekannten haben uns gefragt, ‚was macht Ihr denn auf Fuerteventura?’. Zunächst wollten wir nur dem deprimierenden Wetter aus Deutschland entfliehen. Dann lieben wir Vulkanlandschaft und Wüste. Und beides hoffen wir eine Woche lang genießen zu können.
Details:
Aufbruch: 09.03.2017
Dauer: 8 Tage
Heimkehr: 16.03.2017
Reiseziele: Spanien
Der Autor
 
Herbert S. berichtet seit 18 Jahren auf umdiewelt.
Reiseberichte von Herbert sind von der umdiewelt-Redaktion als besonders lesenswert ausgezeichnet worden!
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