Westafrika: 17 Tage in Ghana / Togo / Benin
Accra
Sonntag, 09.03.2003:
Accra ist ein wunderbarer Ort, um einen Westafrika-Urlaub zu beginnen. Es ist eine afrikanische Stadt, wenig Hochhäuser, mit den typischen Märkten, chaotisch und laut, aber mit zahlreichen Refugien wie Luxus-Hotels, guten Restaurants, Fast Food Ketten oder supermodernen Internet-Cafes, in die sich der weiße Tourist aus Europa retten kann, wenn er zeitweise genug von Afrika haben sollte.
Ich beginne meinen Tag mit etwas Luxus, ein gutes Frühstück draußen im Hof vorm Hotel. Es sollte mein einziges Frühstück während des gesamten Urlaubs bleiben. Als sich die Hitze des Tages langsam ausbreitet, flüchte ich mich erst einmal in ein Internet-Cafe und berichte den Daheimgebliebenen über meine erfolgreiche Ankunft. Die Negativ-Erfahrungen des ersten Abends lasse ich allerdings weg.
Den Sonntag Nachmittag verbringt man in Accra am Labadi Beach, dem Stadtstrand von Accra. Taxis zu bekommen ist nie ein Problem, als Tourist einen angemessenen Preis zu bezahlen schon eher, wenn man das Preisgefüge noch nicht kennt.
Mein Taxifahrer gibt sich auf der Fahrt zum Strand als verwandtschaftsliebender Mensch zu erkennen und fragt, ob wir nicht auch seine Zwillingsschwester mitnehmen könnten. Die will da heute Nachmittag auch hin und ihre Wohnung liegt auf dem Weg. Becky, der Schwester, ist der überraschende Besuch zwar willkommen, sie ist aber noch längst nicht fertig für den Strand. Um die Wartezeit zu verkürzen versorgt sie mich mit einigen Fotoalben. Zu meiner großen Überraschung posiert sie auf einem Foto auch vor der Bank, in der ich arbeite. Sie hat einen Freund in Deutschland und war Weihnachten in Frankfurt und Mainz.
Mein Besuch spricht sich herum in der Gegend. Julie, die Nachbarin und beste Freundin, kommt vorbei und zeigt mir auch ihre Wohnung, fast identisch mit der von Becky. Gleich neben dem Eingang ein kleiner Raum mit Dusche, eine blitzsaubere Küchenzeile mit Herd und Kühlschrank, dann das Wohnzimmer. Die Geschmacklosigkeit der Einrichtung verschlägt mir fast die Sprache. An der Wand gleich neben der kaputten Kuckucksuhr ein Poster mit religiösen Parolen. Ein hässliches Sofa mit Häkeldecken wie aus Großmutters Zeiten, daneben zwei weiße Plastikstühle und eine Art Campingtisch. Aber auch Fernseher und Videorecorder sowie eine kleine Stereoanlage. Auf welche Art sie diesen bescheidenen Reichtum finanziert haben, frage ich lieber nicht. Im Schlafzimmer findet sich u.a. ein wildes Durcheinander von allen möglichen Kosmetikartikeln sowie ein Regal mit etwas 20 Paar Schuhen. Beide klagen über die hohen Mieten, ca. 50 Euro müssen sie pro Monat bezahlen.
Auch Julie möchte mit zum Strand, auch Julie ist aber noch nicht fertig, sie muss sogar erst noch duschen. Dieses Mal gibt's zur Verkürzung der Wartezeit neben dem obligatorischen Fotoalbum auch noch eine Fanta, dazu die Bekanntschaft von Cindy, einer weiteren Bekannten, die zu Besuch vorbeischaut und natürlich auch nichts dagegen hat, mit zum Labadi Beach zu kommen. Damit wäre das Taxi dann aber voll.
Leider steht nach dem Duschen noch die Kleiderfrage für den Strand an und die dazu passende Kosmetik, so dass sich unsere Abfahrt weiter verzögert. Auch ich werde in die Diskussion mit eingeschaltet, habe aber leider kein Vetorecht. Becky und Julie sind schon zwei heiße Feger, es stellt sich heraus, dass sie am Strand jeden kennen und mit allen möglichen Leuten quatschen. So bin ich mit Cindy, die eher wohltuend normal aussieht und gekleidet ist, schnell allein. Wir gehen im feinen Sand spazieren und setzen uns dann auf die Dachterrasse eines Strandrestaurants. Hier kann man bei Musik und einem kalten Fruchtsaft herrlich dem bunten Treiben am Strand zuschauen.

Labadi Beach, Accra.
Dass wir erst später als geplant hier eingetroffen sind, macht mir nichts. Zum einen fand ich es sehr interessant, zu sehen, wie die Leute hier wohnen, zum anderen ist das Wetter auch eher schlecht, es hat sich ziemlich abgekühlt und regnet sogar ein bisschen. Trotzdem geht am späten Nachmittag dann noch eine wilde Tanzparty mit DJ los.

Labadi Beach: Tanzparty.
Abend gehe ich mit Cindy ins "Afrikiko", einen schön gelegenen und besonders unter Weißen beliebten Restaurant an der Liberation Road. Wir bestellen Tilapia und bekommen jeder einen Riesenfisch aufgetischt, zum Preis von ca. 3 Euro. Dazu gibt es Reis und verschieden scharfe Soßen. Es schmeckt köstlich.
Das Essen wird nie ein Problem werden für mich im Urlaub. Für Ghanesen wie Cindy schon. Die sind nie richtig glücklich, wenn sie nicht ihr Kenkey, Banku oder Foufou bekommen, ein eher geschmacksneutraler, gummiartiger Kloß aus Kochbananen und Maniok, der in scharfe Soße getunkt wird. Ich finde überall Spaghetti, manchmal Pizza, Hähnchen mit Reis usw., keine kulinarischen Kostbarkeiten, aber gut essbar.
Cindy ist ein Glücksfall, man kann sich sehr gut mit ihr unterhalten, sie spricht ein Englisch, dass ich gut verstehen kann. Die andere Aussprache hier, eine Art Pidgeon-Englisch, ist für mich ansonsten schon manchmal ein Problem.
Eigentlich heißt sie Nateki, aber die Leute geben sich hier irgendwann englische Vornamen. Da Ausweisdokumente nicht unbedingt gebräuchlich sind in Ghana, ist das kein Problem.
Cindy/Nateki ist 25 Jahre, unverheiratet, hat einen 4-jährigen Sohn, dessen Vater ist vor 2 Jahren an Krebs gestorben, und lebt mit ihrer Schwester zusammen in einem Haus. Ihren Frisiersalon hat sie, weil die Leute in ihrem Viertel nur unregelmäßig kamen, nun umgewandelt in ein Telecom-Center. Flexibel muss man halt sein. Zur Schule gegangen ist sie in Nigeria, sie spricht neben Englisch Ewe, Twi, Haussa, Yoruba usw., praktisch alle gängigen westafrikanischen Dialekte.
Den weiteren Gesprächsverlauf des Abends ahne ich bereits voraus, nach zwei Reisen nach Westafrika habe ich anscheinend hellseherische Fähigkeiten entwickelt. Als ich von meinen Reiseplänen berichte, fragt sie, ob sie nicht mitkommen kann nach Lome, dort wohnt ihr Onkel, sie war schon mehrfach da, es ist eine schöne Stadt und sie könnte mir dort alles zeigen.
Damit bin ich durchaus einverstanden, allerdings wird es nicht bei Lome bleiben, das ist mir schon klar. Afrikanerinnen sind in ihrer kurzfristigen Lebensgestaltung äußerst flexibel, ihr Geschäft schließt sie kurzerhand für ein paar Tage, das wirft anscheinend eh nicht viel ab und um ihren Sohn kann sich ihre Schwester kümmern. - Anscheinend bin ich auch ein Glücksfall für sie.
Aufbruch: | 08.03.2003 |
Dauer: | 3 Wochen |
Heimkehr: | 25.03.2003 |
Lome
Benin