Westafrika: 17 Tage in Ghana / Togo / Benin

Reisezeit: März 2003  |  von Uwe Decker

Accra


Montag, 24.03.2003:

Der Tag beginnt normal, mit dem alltäglichen Chaos auf den Straße Accras. Die spürt man besonders, wenn man so wie wir vom Stadtteil Kaneshie in die Innenstadt, Richtung Adabraka und Markt will. Ob es besser laufen würde wenn sich jeder an die Verkehrsregeln halten würde, weiß ich nicht, aber es würde auf jeden Fall helfen, wenn die Verkehrsmittel in besserem Zustand wären. Heute morgen brechen vor unseren Augen gleich drei Minibusse zusammen bzw. haben Platten. Die Passagiere steigen aus und suchen auf der Straße nach Alternativen. Die Busse werden an Ort und Stelle, d.h. auf der mittleren Fahrspur repariert, bzw. einfach stehen gelassen.

Irgendwann kommen wir doch am Makola-Markt an, Souvenir-Einkäufe stehen noch an, dazu Ersatz für meine kaputte Reisetasche. Nateki managt alles, ich hätte sicherlich mehr als das Doppelte für die Einkäufe bezahlt. Dann alles zurück ins Hotel, Wertsachen aus dem Safe geholt und wieder in die Stadt, die mitgebrachten Euros in bar sind wegen des niedrigen Preisniveaus erst am vorletzten Tag zur Neige gegangen, nun will ich noch ein paar Reiseschecks eintauschen.

Wir steigen vor dem Hotel in ein Taxi, ich prüfe noch einmal, ob ich alles in meiner Gürteltasche habe, was ich brauche und dann geht es los zur Bank. In der Ecobank dann will ich meine Schecks herausholen - die Gürteltasche ist nicht mehr da, ich habe sie wohl im Taxi liegen gelassen !! Das ist nun natürlich schon weg.

Auf das Gefühl, am Tag vor der Abreise in einem fernen Land wie Ghana ohne Reisepass, Flugticket und Geld dazustehen, kann ich künftig gerne verzichten. Ich versuche, einigermaßen ruhig zu bleiben, auch wegen Nateki, die völlig fassungslos ist, ich hätte doch immer so gut auf meine Sachen aufgepasst. Meinen Abflug morgen schreibe ich sofort ab, aber es stellt sich heraus, dass es trotz allem klappen könnte, es muss nur alles schnell gehen:

erst zur Botschaft, vorläufigen Pass beantragen, dafür Passbilder machen lassen, ins Hotel, Kopien des Ausweises holen, dann entfallen auch die Rückfragen in Deutschland, zum Lufthansa-Büro wegen des Flugtickets, leider wollen sie mein Gratisticket nicht umschreiben, ich müsse ein neues kaufen, also brauche ich Geld, zuhause anrufen, ich komme aber nicht durch. Das Wichtigste: Polizeiprotokoll, also zur Polizeistation. Der Beamte ist mit der Aufnahme eines Protokolls völlig überfordert, hat schon Schwierigkeiten, meine Personalien aus meiner Passkopie abzuschreiben. Aber ein Anderer in Zivil, vielleicht ein höherer Polizeioffizier, kommt zu Hilfe und übernimmt die Protokollaufnahme. Das Ganze wird von den Häftlingen, die im Gefängnis direkt hinter der Polizeistube an den Gittern kleben, aufmerksam verfolgt. Um 14.45 Uhr, 15 Minuten vor Schließung der Botschaft habe ich alles beisammen und kann morgen früh um 10 meine Papiere abholen, muss damit dann aber noch zum Immigration Office.

Während der ganzen Zeit hatte ich immer gehofft, dass der Taxifahrer ein ehrlicher Mann ist und die Wertsachen zurückbringen würde, zur Bank oder zum Hotel, wo wir eingestiegen sind. Nateki ist bei der ganzen Geschichte eine enorme Hilfe, sie wartet lange vor der Bank, versorgt dann das Wachpersonal mit meinen Personalien und Telefonnummer des Hotels, falls der Taxifahrer wieder auftaucht, ruft ständig im Hotel an und fährt zu allen Radiostationen Accras. Die dienen nämlich als eine Art Fundbüro und machen auch Durchsagen.

Geld haben wir kaum noch. Trotzdem will ich gegen Abend etwas Trinken gehen und ins Waikiki können wir auch noch wie geplant, wenn wir aufs Essen verzichten. Nateki ist wieder fassungslos, wie könne ich denn jetzt an so etwas denken.

Als wir an der Rezeption den Schlüssel abgeben, steht dort ein junger Mann - der Sohn vom Taxifahrer, in den Händen hält er - meine schwarze Gürteltasche. Sein Vater hat gerade die Tasche beim Saubermachen gefunden, sie muss wohl unter den Beifahrersitz gerutscht sein. Ich hatte mich bisher gut unter Kontrolle, nun hätte ich am liebsten losgeheult. Tue ich aber doch nicht. Ich bitte den Sohn, morgen Mittag wieder zu kommen, dann würde ich ein Geschenk für seinen Vater mitgeben, im Moment habe ich ja kein Geld mehr.

Da auch bereits das Geld aus Deutschland unterwegs ist, das ich nun doch nicht mehr brauche, können wir uns nun auch wieder Essen, Trinken und Disco leisten. Nateki ist fast noch glücklicher wie ich selber, sie will unbedingt zuhause vorbeifahren und die gute Nachricht überbringen. Man hat sich auch dort große Sorgen gemacht. Die Freude fällt tatsächlich überschwänglich aus. Alle sind erleichtert, dass die Sache so gut ausgegangen ist.

Und etwas haben auch sie dazu beigetragen: ihre Mutter ist zu einem alten Mann im Viertel, eine Mischung aus Medizinmann und Bürgermeister, gegangen und hat um spirituellen Beistand gebeten. Heute Mittag im Hotel hatte ich auch meinen Voodoo-Fetisch mal kurz mit meiner aktuellsten Sorge besprochen ...

© Uwe Decker, 2004
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Eine Reise durch Ghana, Togo und Benin im Frühjahr 2003.
Details:
Aufbruch: 08.03.2003
Dauer: 3 Wochen
Heimkehr: 25.03.2003
Reiseziele: Ghana
Lome
Benin
Der Autor
 
Uwe Decker berichtet seit 18 Jahren auf umdiewelt.
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