Westafrika: 17 Tage in Ghana / Togo / Benin

Reisezeit: März 2003  |  von Uwe Decker

Lomé - Cotonou


Mittwoch, 12.03.2003:

Man braucht in Afrika nicht groß zu planen, es kommt sowieso anders als man denkt.
Wir wollen eigentlich mit dem Bus weiter nach Cotonou, unser Fahrer vom Hotel bringt uns zum Busbahnhof am Grand Marche, aber noch bevor er hält springen ein paar Männer auf den Wagen zu, schreien ihm kurz etwas zu, einer setzt sich auf den Beifahrersitz und der Wagen prescht davon. Nateki hat sofort erkannt, was los ist, erzählt dauernd "we dont want any problems" und beginnt dann schon mit den Preisverhandlungen. Mir dämmert auch langsam, dass man uns von den staatlichen Bussen fern halten wollte und uns lieber in ein Privat-Taxi verfrachten wollte. Das geht manchmal nicht ohne nachgeschobene Preisforderungen der Fahrer ab, wie Nateki später erzählt. Aber man überzeugt uns, dass wir einfach nur sechs Plätze in einem Auto kaufen bräuchten, und könnten im D-Zug Tempo nach Benin brausen. Wir handeln auf fünf Plätze herunter plus Ablieferung vor einem Hotel unserer Wahl und bekommen einen BMW älteren Baujahrs, aber noch gut in Schuss. Normal sind hier Peugeots 504 mit 6 oder 7 Plätzen plus Fahrer. Wir zahlen, besser ich zahle also 5 mal 3000 CFA, das sind etwa 23 Euro und schon rasen wir mit teilweise 150 Sachen über eine gerade mit frischem Bitumen versehenen Straße Richtung Benin. Der Fahrer schafft die Togo-Durchquerung auf diese Weise in sage und schreibe 45 Minuten. Eigentlich ein bisschen schade, dieses Tempo, denn die Strecke führt durch eine landschaftlich schöne Umgebung, teilweise direkt an der Küste entlang. Und Nateki ist immer noch dabei, hat gestern abend gebettelt, doch bitte zumindest bis nach Cotonou mitkommen zu dürfen.

In Grenzübertritten bin ich nun schon fast ein alter Hase, die Grenze bei Aneho in Togo und Hilla-Condji auf Benin-Seite bereitet keinerlei Probleme, die Prozedur ist fast dieselbe wie vor zwei Tagen, die Schwarzen zahlen und gehen, die Weißen sitzen vor den Beamten und beantworten geduldig die immer wiederkehrenden Fragen nach allem, was nicht aus dem Pass abgeschrieben werden kann, woher, wohin, Beruf, Heimatadresse, Fahrzeug usw.

Das Gepäck wird derweil ohne Anwesenheit des Besitzers im Fahrzeug gefilzt. Meine Reisetasche darf daher nicht verschlossen sein und die Fahrer warten auf der anderen Seite hinter der Grenze bis die Passagiere ihre Kontrollen hinter sich haben.

Von Benin wusste ich bisher nicht viel, hieß früher Dahomey, Wiege des Voodoo, Kindersklaven, zugegeben, ein recht diffuses Bild. Benin ist aber auch das erste (und einzige?) Land in Afrika, das eine Militärdiktatur demokratisch abgewählt hat. Seitdem erlebt es einen gewissen Aufschwung. Es soll dort noch ein Stück ursprüngliches Afrika zu finden sein, fernab der Touristenströme. Wer war denn schon einmal in Benin ? Selbst in den Diskussionsforen vom LonelyPlanet findet man wenig Stimmen dazu.

Es geht mit unvermindertem Tempo Richtung Cotonou. Die Straße ist weiterhin ausgezeichnet, die Dörfer noch ein bisschen schöner und bunter als in Togo. Das erste aber, was auffällt, wenn man in Benin einreist, sind die vielen Stände am Straßenrand, an denen Benzin verkauft wird. Flaschen jeder Größe und Form sind dort aufgebaut, von großen, bauchigen 20, 30 Liter-Gefäßen bis zu kleinen Colaflaschen. Es gibt bisher kaum Tankstellen im Land, die Preise liegen bei ca. 50 Cent pro Liter.

Auch ein wenig Wohlstand ist zu erkennen, neu gebaute, fast villenartige Häuser, dort, wo es etwas Fremdenverkehr und damit neue Einnahmequellen gibt, in Gran Popo, dem Ort mit dem schönsten Strand, oder bei Ouidah, dem Zentrum des Voodoo-Kults. Voodoo ist in Benin ja "erfunden" worden und noch weit verbreitet.

Um 11 Uhr Ortszeit, inkl. 1 Stunde Zeitverschiebung, erreichen wir schon Cotonou, nicht die Haupt-, aber die größte Stadt, ca. 1 Mio. Einwohner. Wir nehmen dieses Mal ein Einzelzimmer, niemand stört sich daran, dass wir zu zweit sind oder weiß und schwarz. Es soll auch nur dazu dienen, uns zu duschen, Wäsche zu waschen und unser Gepäck abzustellen. Schlafen wollen wir nicht, sondern heute nacht in der Disco durchmachen, bevor sich morgen unsere Wege trennen. Ich habe mich nämlich entschieden, gleich morgen schon mit dem Zug ins Landesinnere zu fahren und lieber auf dem Rückweg näher die Stadt anzuschauen. Grosse Städte, die bunten afrikanischen Märkte habe ich ja nun schon ein paar gesehen, das reicht fürs Erste.

Ghana, Togo, Benin, die Küste entlang. In dreieinhalb Tagen, wohl rekordverdächtig. Den Nachmittag verbringen wir wieder auf dem Markt, Grand Marche de Dantopka, einer der größten in Westafrika, er kommt mir noch etwas chaotischer vor als die anderen. Auch hier bekommt man alles, was man braucht und nicht braucht, aber das Warenangebot ist nicht so sauber getrennt wie anderswo, hier die Waren der Bäuerinnen, dort Bekleidung, dann Ersatzteile fürs Auto usw., sondern alles eher wild durcheinander.

Da heute unser, vorläufig, letzter Tag ist, gebe ich Nateki 10.000 CFA, das sind ca. 15 Euro, um sich etwas zum Anziehen zu kaufen, während ich mich ins nächste Internetcafe verziehe. Die Verbindungen sind zwar in Benin extrem langsam, ich bin froh, wenn ich in einer Stunde ein oder zwei mails herausbekomme, aber ich habe eins mit Aircondition gefunden, da kann man sich zumindest etwas erholen. Die feuchte Hitze kommt mir hier noch extremer vor wie in Ghana und Togo, sie raubt einem sämtliche Kräfte. Auch Nateki ist es hier viel zu heiß.

Als wir uns nach zwei Stunden in einem Straßencafe wiedertreffen, trägt sie einen großen Beutel in der Hand und breitet freudestrahlend den Inhalt auf dem Tisch aus. Für das Geld hat sie zwei Jeans und 7 oder 8 Oberteile erstanden. Sie hat einen Mopedtaxifahrer gefragt und der hat sie zu einem Markt gefahren, auf dem man billige Second-Hand-Ware aus Europa erstehen kann. Soviel zum Thema Altkleidersammlungen für karitative Zwecke bei uns zuhause. Die Idee mag lobenswert sein, aber zumindest ein Teil landet halt auf solchen Märkten. Damit wird dann die einheimische Bekleidungsindustrie, so es denn überhaupt eine geben sollte, auch noch kaputt gemacht.

Das Markenzeichen von Cotonou sind die sog. "zemi-jans", Moto-Taxis, deren Fahrer man an ihren knallgelben Hemden mit grünen Nummern erkennen kann. Normale Taxis gibt es nur für weitere Strecken, sie ersetzen praktisch Busse, die bisher in Benin unbekannt waren.

In Cotonou: die Fahrer der Moto-Taxis sind an ihren knallgelben Hemden zu erkennen.

In Cotonou: die Fahrer der Moto-Taxis sind an ihren knallgelben Hemden zu erkennen.

Es gibt unzählige von zemi-jans in Cotonou, ich schätze die Hälfte oder mehr der Fahrzeuge sind dort Moped-Taxis. Die Fahrt mit ihnen ist etwas gewöhnungsbedürftig, besonders wenn man Gepäck hat, muss man schauen, dass man nicht hinten runter kippt, wenn sie ruckartig anfahren oder in atemberaubenden Fahrmanövern anderen Fahrzeugen oder den Schlaglöchern in den Straßen ausweichen. Denn so gut auch die Küstenstraße hierher war, für die Straßen in der Stadt scheint das Geld ausgegangen zu sein, überall sind Huckel, Löcher u.a., die aber von Mopeds am besten umfahren werden können. So kommt man auch am schnellsten vorwärts und die Fahrten sind billig, je nach Entfernung 10 oder 20 Cent. Ich kenne mittlerweile die Preise, und das Handeln habe ich auch gelernt.

Auch wenn man zu zweit unterwegs ist, gibt es kein Problem, denn auch zwei zemi-jans sind immer schnell gefunden und die Fahrer achten sehr darauf, dass man auch zusammen ans Ziel kommt.

Die Wartezeit, bis in der angesagtesten Disco der Stadt, dem "New York, New York" etwas los ist, verbringen wir bei einer Cola in der Rue des Cheminots. Dort sind weitere Bars und Nightclubs zu finden und schon vor 22 Uhr findet sich hier ein etwas gemischtes Publikum ein. In und vor den Lokalen mit solch klangvollen Namen wie "Le 2001", "Pattaya Bar", "No. 1" oder "Soweto Club" warten Dutzende von schwarzen Ladies, ich frage mich nur, auf wen oder was ? Es gibt offensichtlich ein krasses Missverhältnis zwischen Angebot und Nachfrage, und ich bin heilfroh, dass ich hier in weiblicher Begleitung aufkreuze.

Gegen Mitternacht sind wir im "New York New York" fast die einzigen Gäste. Eine der Bardamen, aus Kamerun, erzählt aber, wir sollten ruhig bleiben, in einer halben Stunde wäre der Laden voll. Gegen 1 Uhr füllt er sich auch tatsächlich und um 2 Uhr ist es brechend voll, auf der Tanzfläche genauso wie an den Theken und Sitzecken. Das Publikum besteht neben einigen wenigen Expats und Entwicklungshelfern vorwiegend aus französischen Fremdenlegionären bzw. Militärs, die derzeit wegen des Bürgerkriegs in der Elfenbeinküste im Einsatz sind und zum Abfeiern wohl hierher gebracht werden sowie auf weiblicher Seite aus Frauen aus fast allen Ländern Afrikas. Hier sind alle Hautfarben vertreten, von weißen Araberinnen bis zu tiefschwarzen Schönheiten, alle Frisuren, die man sich vorstellen kann und das Sprachenwirrwarr ist enorm. Damit habe besonders ich zu kämpfen, denn während Nateki vorwiegend auf der Tanzfläche zu finden ist, reden ständig mehrere Damen auf mich ein, in Englisch und Französisch, und ich verstehe schon allein wegen der Lautstärke der Musik kaum etwas. Wenn es mir zuviel wird, hole ich Nateki zu mir, dann habe ich etwas Ruhe, geht sie wieder Tanzen, geht das Spiel von vorne los. Die Franzosen machen Richtung Stimmung, die Mädels haben auch ihren Spaß, aber das große Geschäft wird es für sie heute Nacht nicht, die meisten Militärs ziehen solo von dannen, der Sold reicht wohl nicht für mehr.

© Uwe Decker, 2004
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Eine Reise durch Ghana, Togo und Benin im Frühjahr 2003.
Details:
Aufbruch: 08.03.2003
Dauer: 3 Wochen
Heimkehr: 25.03.2003
Reiseziele: Ghana
Lome
Benin
Der Autor
 
Uwe Decker berichtet seit 18 Jahren auf umdiewelt.
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