Westafrika: 17 Tage in Ghana / Togo / Benin
Pendjari-Nationalpark - Natitingou
Montag, 17.03.2003:
Ohne Frühstück, wie immer, geht es um 6.30 Uhr weiter. Mein Appetit ist gleich Null, mein Durst dafür umso größer. Außer dem Wasser, das mittlerweile lauwarm ist und schon etwas faulig schmeckt, haben wir aber nichts mehr dabei. Bald entdecken wir ganz dicht einen Elefanten, der am Waldrand seine Mahlzeit in Form von Blättern einnimmt.

Ein Löwe im Pendjari-Nationalpark.
Beim Mare Bali machen wir noch einmal einen Stop, die Löwen haben über Nacht noch einen zweiten Büffel erlegt und liegen gerade mitten auf der Straße. Wir klettern lieber vom Dach wieder ins Auto und warten, bis sie sich von alleine verziehen. Dann geht es wieder Richtung Parkausgang und weiter nach Tanguieta. Die Dörfer, durch die wir fahren, machen zwar schon allein dadurch, dass die Dächer nicht aus Wellblech, sondern aus Stroh bestehen, einen besseren Eindruck, aber die Massen von Kindern, die überall auf uns zu stürmen, bieten einen verwahrlosten und oft erbärmlichen Anblick. Manchmal fühle ich mich an Bilder von Hungersnöten im Fernsehen erinnert. Überraschend ist für mich auch, dass man, eigentlich in ganz Benin, aber ganz besonders hier im Norden, viele Frauen noch barbusig sieht. Ich frage mich beim Anblick gerade der älteren Leute in den Dörfern manchmal, was diese denn eigentlich denken müssen, wenn sie vor ihren Hütten sitzen und die Autos und Laster an ihren Dörfern vorbeibrausen sehen. Was die Ankunft der modernen Welt den Menschen hier auf jeden Fall gebracht hat, ist eine Menge Müll, Plastikberge, die nicht verrotten. Die große weite Welt ist hier jedenfalls ganz weit weg, das Gerede von der Globalisierung wird beim Anblick diesen Teils der Welt ad absurdum geführt.
Ganz anderes bietet sich uns an einem Platz, auf dem Nomaden ihre Zelte aufgeschlagen haben, sie sind vom Stamme der Peulh. Zwei ältere Mädchen kommen, sie sind hübsch angezogen mit bunten Tüchern und haben Stammesnarben im Gesicht. Sie lachen und bitten uns, sie ein Stück mitzunehmen zum nächsten Brunnen, um Wasser zu holen (s. Bilder).


Peulh-Mädchen.
In der Nähe ist auch ein wunderschöner Wasserfall. Im See kann man baden, wir sind aber nicht alleine, eine internationale Jugendgruppe einer kirchlichen Organisation verbringt hier einen freien Vormittag.
Auf der Rückfahrt nach Natitingou machen wir noch an einer Tata Somba halt, einer Wohnburg der Sombas aus Lehm. Für ein paar Münzen dürfen wir eintreten, der Hausherr liegt mit zwei barbusigen Frauen träge im Innenhof und jede Menge Kinder tauchen aus allen Ecken und Winkeln auf. Das Erdgeschoss ist hier für das Vieh reserviert, auf einem schmalen, wackeligen Baumstamm mit Kerben gelangt man in den ersten Stock. Hier befindet sich das Getreide und die Küche, in der obersten Etage dann die Wohn- und Schlafräume, getrennt nach Männern und Frauen.


Tata Somba: eine Wohnburg der Sombas.
Als wir zurück kommen nach Natitingou frage ich Marcel, ob es hier auch Voodoo gibt. Ja, sagt er, aber nicht so verbreitet wie im Süden. Wir fahren daraufhin an den Ortsrand, steigen aus und laufen an verschiedenen Hütten und Feldern vorbei bis wir zu einem Baum kommen, in dessen Schatten zwei alte Frauen auf einer Strohmatte hocken. Ein alter Mann mit weißen Haaren und mit einer blauen Turnhose bekleidet liegt daneben. Marcel grüßt ihn, spricht mit ihm, dann werde ich vorgestellt. Wir gehen in ein nahes Gehöft. Im Innenhof sind kleine Getreidespeicher, eine Kochstelle, links ein Raum, in den uns der alte Mann bittet (s. Bild). Er ist klein, duster und verraucht. Auf einer Matte liegen allerlei Dinge, Pulver, Schalen und Gegenstände, die ich zunächst eigentlich nicht mit Voodoo in Verbindung bringen würde, eine alte Aktentasche, ein Kugelschreiber.

Im Voodoo-Haus.
Marcel spricht wieder mit dem Alten, erklärt ihm wohl, dass ich etwas über Voodoo erfahren möchte. Ich soll drei Münzen auf die Erde werfen, die bedeckt der Alte dann mit einem Pulver und legt sie anschließend in eine mit einer Flüssigkeit gefüllte Kallebasse. Er fragt nach meinem Namen und wo ich herkomme. Dann murmelt er allerlei Unverständliches und als die Münzen auf den Boden des Gefäßes gesunken sind, wirft er eine Kaurimuschel hinein. Die holt er kurze Zeit später wieder heraus, pustet einmal rein und hält sie an sein Ohr.
Nach einer Weile spricht er zu Marcel, der übersetzt mir auf Französisch: ich habe eine Frau, zwei Kinder und einen Beruf, der etwas mit Geld zu tun hat und nach meiner Rückkehr würden mich keinerlei Probleme zuhause erwarten. - Ich versichere hiermit eidesstattlich, dass ich weder Marcel noch sonst wem diese Dinge über mich erzählt habe, so dass er bei der Übersetzung vielleicht etwas manipulieren konnte. Woher weiß der Alte das ? Ach so, das ist halt Voodoo !
Zum Schluss soll ich noch 5.000 CFA da lassen, der alte Mann will dafür auf dem Markt ein paar Dinge kaufen und für mich einen Fetisch anfertigen. Den kann ich heute Abend abholen. Damit ist die Sitzung beendet. Ich gestehe, die Gedankenwelt des Voodoo ist mir ziemlich fremd, aber das Ganze hat schon etwas Feierliches, Mystisches gehabt. Ich bin froh, Marcel darum gebeten zu haben.
Den alten Mann nehmen wir im Jeep mit zum Markt. Dazu zieht er sich einen Umhang über und setzt sich eine bunte Pudelmütze auf, ein herzerfrischender Anblick.
Natitingou ist ein schöner Ort, ganz anders als Parakou. An der Hauptstraße reiht sich ein Geschäft, ein Restaurant ans andere. Abends habe ich mich mit Marcel verabredet, wir lassen uns mit Moped-Taxis, die es selbstverständlich nicht nur in Cotonou, sondern in ganz Benin, so auch hier, gibt, wieder zum Haus des Alten bringen.
Wir treten in den Innenhof. In einer Ecke hockt er, er ist noch mit meinem Fetisch beschäftigt und lässt sich von einem Mann mit einer Taschenlampe Licht machen. Ich setze mich auf einen niedrigen Hocker davor und schaue zu. Hier herrscht eine besondere Atmosphäre, es ist Vollmond, ein paar Hunde streifen umher, Frauen reden leise irgendwo im Hintergrund. Sonst Stille. Nach einer Weile ist der Fetisch fertig, der Alte bespricht ihn noch mit ein paar Worten und gibt ihn mir. Es ist eine Art Multifunktions-Fetisch, zugleich für Wünsche und Sorgen geeignet. Er ist länglich und besteht aus Schwanzhaar eines Tieres, halb Pferd, halb Esel, das ich im Nationalpark gesehen habe, dessen Namen ich aber vergessen habe, Brusthaar vom Löwen, das auf einer Baumrinde geklebt ist, einer geheimen Formel, die der Mann aufgeschrieben und als kleines Päckchen gut verschnürt hat, zu einer Zigarre geformter getrockneter Lehm sowie einem Vorhängeschloss, um die Wünsche festzuhalten bzw. freizulassen. Fetische sind Gegenstände aus heiligen und besondere Kräfte besitzenden Materialien, die die Götter anlocken und besänftigen sollen. Je mehr der Voodoo-Priester über diese magischen Kräfte weiß, umso größer fällt die Wirkung aus. Wollen wir hoffen, dass mein Alter ein Fachmann auf diesem Gebiet ist, dann kann mir ja in meinem weiteren Leben eigentlich nichts mehr passieren. Zum Schluss fordert er noch einmal etwas Geld, Marcel sagt 5.000 CFA wären angemessen. Damit beläuft sich der Preis meines Fetisches auf etwa 15 Euro. Aber solche materiellen Überlegungen sollte man im Zusammenhang mit Fetischen besser beiseite lassen.
Aufbruch: | 08.03.2003 |
Dauer: | 3 Wochen |
Heimkehr: | 25.03.2003 |
Lome
Benin