Mit Kids durch Marahashtra, Karnataka und Goa, Indien

Reisezeit: Dezember 2010 - Januar 2011  |  von Stephan Prechtl

Wir sind seit zwei Stunden in Mumbai, dem ehemaligen Bombay, einem indischen 17-Millionen-Mega-Moloch. Wir sind um 5 Uhr früh auf dem Mumbai-Airport gelandet. Mit der Turkish Airlines. Von Nürnberg über Istanbul nach Mumbai. Wir sind eine Familie aus Oberfranken mit zwei pubertierenden Kids. Unser Sohn Levin ist 14 und unsere Tochter 13 Jahre jung.

Indien

Mit Kids durch Marahashtra, Karnataka und Goa, Indien

Mit Kids durch Marahashtra, Karnataka und Goa, Indien

Dezember/Januar 2010/2011

Reisebericht
von
Stephan Prechtl

Wir sind seit zwei Stunden in Mumbai, dem ehemaligen Bombay, einem indischen 17-Millionen-Mega-Moloch. Wir sind um 5 Uhr früh auf dem Mumbai-Airport gelandet. Mit der Turkish Airlines. Von Nürnberg über Istanbul nach Mumbai. Wir sind eine Familie aus Oberfranken mit zwei pubertierenden Kids. Unser Sohn Levin ist 14 und unsere Tochter 13 Jahre jung.

Mit Kindern nach Indien? Ist dies nicht verantwortungslos von den Eltern? In ein so armes Land? Wo es noch Lepra und Tollwut gibt und sogar noch ab und zu die Pest ausbricht?
Levin und Mona sind das zweite Mal in Indien, das letzte Mal waren sie viel kleiner, 5 und 6 Jahre alt. Die Eltern sind das vierte Mal auf dem Subkontinent. Wir wissen, das man Trinkwasser nur in verschließbaren Flaschen kaufen soll, sich regelmäßig die Hände mit Seife waschen muss. Affen und Hunde aus dem Wege gehen sollte. Doch diese Gedanken sind weit weg.

Nach einer Stunde Zollformalitäten sind wir endlich draussen vor dem Flughafen bei gefühlten 25° Celsius, um 7 Uhr morgens. Hunderte Taxis stehen bereit, um erschöpfte Reisende in die indische Metropole oder sonst wohin zu bringen. Wir lassen uns zum Bahnhof fahren und die Kinder bekommen den ersten Eindruck von Elend und Armut mit: Schlafende Menschen liegen inmitten von Kreisverkehren, unter Brücken, auf dem Gehsteig, teilweise nur in Decken gehüllt auf dem nackten Boden. Rauchende Feuerstellen werden passiert, wo der erste Tee des Tages gekocht wird. Die Häfte der Einwohner leben auf 6% der Stadtfläche in Slums ohne oder kaum vorhandenen Sanitäreinrichtungen. Am Bahnhof eine erste Enttäuschung: Unser Zug ins nordöstliche Aurangabad ist schon weg, der nächste fährt erst nachts wieder. Nun stehen wir mit vier Rucksäcken im Bahnhof und wissen nicht recht, was wir machen sollen. Es gibt nur eine Möglichkeit: Irgendwie eine Fahrmöglichkeit nach Aurangabad zu bekommen. Wir bekommen diese eine Stunde später in Form eines Nachtbustickekts mit Liegesitzen und Air-Condition um 21 Uhr. Ein Taxifahrer hat uns dies ermöglicht und uns zu einem Reisebüro gefahren, das auch Bustickets verkauft. Der Nachtzug sei nämlich ausverkauft, wird uns mitgeteilt. Wir wissen nicht wieviel Provision der Taxifahrer bekommt, aber umsonst macht in Mumbai keiner was. Er bringt uns noch in ein Hotel, wo wir auf einem 1,60m Bett uns erst mal ausruhen. Drei Stunden später besichtigen wir das Wahrzeichen von Mumbai: Das Gateway Of India, ein Triumphbogen, direkt am Meer, dahinter das Taj Mahal Hotel Palace & Tower mit einem Shoppingcenter. Nach mehreren Bombenanschlägen sind die Sicherheitsvorkehrungen enorm.

Zwanzig Meter neben dem Fünf-Sterne-Luxus-Hotel nackte schmutzige bettelnde Kinder. Der Kontrast verstört.. Wir lassen uns in das Hard Rock Cafe Mumbai fahren, wieder eine 45 Minuten Taxifahrt durch den ewigen Rush-Hour. In einem schmutzigen Hinterhof ein viereckiges Gebäude. Dort wird in gekühlten Räumen eine Cola getrunken sowie ein T-Shirt für Levin gekauft. Wer hat schon ein Hard Rock Cafe Mumbai T-Shirt? Die Zeit bis zur Abfahrt des Busses kriegen wir noch in diversen Straßenküchen rum und lassen uns von der wirklich einmaligen indischen Küche verwöhnen. Die Mumbai-Küche ist hervorragend und es schmeckt uns allen. Auch an die Schärfe kann man sich gewöhnen.
Wir holen die Bustickets und müssen von dem Reisebüro ein ganzes Stück durch einen Slum und einen Markt durch die Nacht zu einer Bushaltestelle laufen und um 22 Uhr geht es los, unserer erste indische Busfahrt. Es wird versucht zu schlafen, doch ein Bollywood-Film, der in einer unterträglichen Lautstärke über einen riesigen Fernseher im Fahrgastraum läuft, macht dies zunichte.
Der zweite Film wird noch lauter aufgedreht und nun beschwert sich sogar ein indischer Fahrgast über den Angriff auf die Ohren und Bild und Ton bleiben aus. Es wird erneut versucht, etwas zu schlafen. Es funktioniert kaum, denn der Bus quält sich über das Gebirge der West-Ghats mit unzähligen Kurven.
Wir erreichen gerädert gegen 6 Uhr früh Aurangabad und beziehen 30 Minuten später ein Hotel inmitten der knapp 1-Million-Stadt. Wir lassen uns durch die interessante moslemische Stadt treiben mit einem Basar mit vielen bunten Läden, einem Mini-Taj Mahal, dem "Bibi-ka-Maqbara" sowie einiger Moscheen, wie der "Jama Masjid".

Abends gehen wir Essen im Thaliwala´s Bhoj, einem Thali-Restaurant. Wir werden bedient wie die Moghuln, jeder bekommt viele Schälchen mit verschiedensten Curryspeisen auf seinen Teller gestellt. Reis, das indische Brot Chapati und köstliche Nachspeisen. Wir trinken sehr viel Wasser dazu, die Speisen sind scharf, "spicy". Wir bezahlen umgerechnet 12 € und sind richtig satt. Eine Rikshaw, das sind diese indien-typischen Fahrzeuge, vorne ein Motorroller und hinten überdachte Sitze auf einer Doppelachse, fährt uns durch den abenteuerlichen Verkehr zu unserem Hotel.
Heute ist Heiliger Abend und es wird sich unterwegs noch eine Flasche Bier in den extra dafür vorgesehenen Alkohol-Shops, den Wine Stores besorgt. Für die Kinder gibt es Limca, die indische Version von Sprite. In Aurangabad weist absolut nichts auf Weihnachten hin. Und bei über 30° tagsüber sind wir auch nicht in der gewohnten Weihnachtsstimmung. Das hellhörige Hotel mit einem äußerst unfreundlichen Besitzer beschert uns eine weniger angenehme Nacht.

Heute geht es nach Ellora zu den weltberühmten Höhlentempeln. Das Taxi steht, wie vereinbart, um 9 Uhr bereit, wir leisten eine Anzahlung und nun geht es erst einmal zur Tankstelle. 80 Cent kostet der Liter Benzin, ganz schön viel, wenn man bedenkt, dass eine indische Durchschnittsfamilie mit 100-200 € maximal im Monat auskommen muss. Wir fahren an Ziegeleien mit schuftenden Kindern vorbei, sehen dünne Frauen in bunten Saris die mit großen Hämmern Steine für den Straßenbau zertrümmern. Wir durchqueren die Festung "Khuldabad", eine ehemalige Moghul-Stadt aus dem 18. Jh., umgeben von riesigen Festungsmauern aus Granit und erreichen nach 20 km "Ellora". Unser Fahrer Osman wartet und wir besichtigen die riesige Anlage. 34 Buddhistische und hinduistische Höhlentempel aus der Zeit von 1.-7. Jh. n. Chr., von Hand in den Stein geschlagen beeindrucken. Der gigantischste Tempel, der Kailash-Tempel ist das Meisterwerk von Ellora. Seine Größe ist atemberaubend. Hunderte Arbeiter brauchten 100 Jahre für die Nachbildung des pyramidenförmigen Berges Kailash im Himalaya.

Fast vier Stunden schlendern wir durch das Weltkulturerbe. Viele indische Touristen oder ganze Schulklassen wollen mit uns fotografiert werden und es entstehen interessante Gespräche und Fotos. Zurück wieder in Aurangabad geht es zum Busbahnhof, um die Weiterfahrt nach Bijapur zu organisieren.
Der Tag beginnt wieder warm und sonnig und der Bus nach Bijapur fährt pünktlich weg. Nach 10 Stunden wird die uralte Stadt, auch "Agra des Südens" genannt, auch UNESCO-Welterbe, mit hochinteressanten islamischen Baudenkmälern. Bijapur liegt bereits im Bundesstaat Karnataka. Doch wir können noch nicht glauben, dass die Besichtigung der Stadt ins Wasser fällt, nach dem wir eine verzweifelte Hotelsuche überstanden haben. Keiner der in den Hotels und Gästehäusern angeboten Zimmern ist mehr frei. Warum, wissen wir nicht in dem moslemisch geprägten Ort am 1. Weihnachtsfeiertag 2010. Ein Hotelbesitzer meint, es würde Weihnachten gefeiert. Aber auch dieser will uns kein Zimmer geben, ein kleines wäre noch frei. Wir besichtigen den fensterlosen muffigen Raum mit einem Doppelbett und einer durchgelegenen Matratze. Hier zu viert nächtigen? Nein. Wir bezahlen den sehr hilfsbereiten Rikshawfahrer, der mit uns die Hotelodysse in Bijapur durchlebte. Wir laufen mit unseren Rucksäcken zum nahegelegenen, wenig einladenden Busbahnhof: Betrunkene liegen am Straßenrand, unzählige Bettler, halbtote Hunde und ein fürchterlicher Dreck.
Die Busfahrt ist "horrible", würden die Amerikaner sagen: In dem staatlichen Bus befinden sich ausschließlich durchgessesene knallharte Sitze, die Fenster lassen sich nicht alle schließen, der Busfahrer fährt wie halb wahnsinnig über die durchlöcherten, viel zu engen Straßen. Er überholt in Kurven, fährt ständig geradewegs auf teilweise unbeleuchtete LKWs mit Fernlicht zu und weicht im letzten Augenblick aus. Dabei entsteht natürlich Staub und einige Minuten ist auf der Straße nichts mehr sichtbar. Ein Alptraum. Vor fast jeder Ortschaft sind Teerhügel, sogenannte "Speed Breaker" aufgeteert. Der Bus knallt ungebremst darüber und die Fahrgäste im hinteren Bereich werden zeitweise bis zur Decke hochgeschleudert. Die auf den Straßen befindlichen Fußgänger, Radfahrer mit unbeleuchteten Rädern, Rollerfahrer, Kühe und Hunde werden teilweise komplett ignoriert. Der Busschaffner ist angetrunken oder steht unter Drogen. Ständig spuckt er aus der offenen Tür rotes Zeug. Der Schleim kommt vom Betelnuss-Kauen, einer weichen Droge, die etwas aufputscht, um solche Nächte überhaupt psychisch und physisch zu überstehen. Fast jeder männliche Inder ab 16 kaut dieses überall erhältliche Rauschmittel. Die indischen Passagiere, auf Grund der plötzlich eintretenden Nachtkühle, sind eingehüllt in Decken, Mützen und Ohrenschützer. Sie stieren vor sich apathisch hin oder versuchen zu schlafen. Das versuchen wir auf der hintersten Bank auch. Aber die Schläge, die der Bus abkriegt, lassen an Schlaf nicht zu denken. Wir ziehen uns sämtliche Klamotten an, die wir mit haben, über.

Gelegentlich hält der Bus für eine kurze Pause an zusammengeflickten Buden, die als Raststätte dienen. Toiletten sind hier unauffindbar. Zwischen schlafenden Ziegen und Hunden inmitten eines Müllberges hinter den Buden ist es möglich unbemerkt auszutreten.
Mir kommen wieder diese Gedanken. War es es richtig unsere Kinder mit auf diese Reise zu nehmen? Diese für uns so fremdartige Kultur? Dieser Hinduismus, diese ganz andere Religion wie unser Christentum? Oder gibt es doch Parallellen? Kommt uns auch in Indien nicht manches bekannt vor? Habe ich die Wunde von Levin gestern nachmittag gründlich desinfiziert? Habe ich mich vor dem Zu-Bett-Gehen mit Mückenspray eingerieben? Die kaum zu beschreibende Armut: Familien leben in den Städten auf Gehsteigen oder auf dem Lande direkt an der lärmenden Straße unter löchrigen Zeltplanen. Bettler, Krüppel und schmutzige, oft nackte und kranke Kinder bevölkern die überfüllten Straßen der Städte. Kann man solche täglichen ganz normalen indischen Szenen seinen Kindern eigentlich zumuten? Wir wissen es nicht. Unsere heranwachsende Kids werden sich auf jeden Fall ihre Gedanken machen wie es ist bei Krankheit, im Alter und ohne Arbeit ohne jegliche soziale Absicherung zu überleben. Ohne Rente, ohne Hartz IV, kein Bafög oder ähnliche Selbstverständlichkeiten, die in einer sozialen Marktwirtschaft, wie der unseren, natürlich gegeben sind.

Auch diese Busfahrt endet, nach 5 ½ Stunden ist Hospet erreicht, es ist halb 5 Uhr früh und es ist ganz schön kühl. Kaum aus dem Bus entstiegen, werden wir von einem Rikshawfahrer in das eine halbe Stunde entfernte Hampi gebracht, unserem nächsten Reiseziel in drei Wochen Indien. Die Strapazen haben sich gelohnt, der Fahrer weckt die Besitzerin eines Gästehauses und wir beziehen sofort das Zimmer. Ein zweites Zimmer für die Kids wird erst abends von abreisenden Touristen geräumt. Wir sind alle ziemlich fertig von der nächtlichen Busfahrt und schmeissen uns erst mal aufs Bett, um bis Mittag zu schlafen. Danach geht es auf Erkundung in dem wirklich bizarr-fantastischen Hampi: Eine 22 qkm grosse "Der-Herr-der-Ringe"-Fluß-Landschaft mit verlassenen Tempeln, Palästen, Pavillions, Elefantenställen und Wächterhäusern aus dem 16. Jahrhundert. Das ehemalige Hindu-Königreich wurde damals nach einer 6-monatigen Belagerung moslemischer Truppen teilweise zerstört.

Es wird endlich richtig relaxt. Unseren Kids macht es nun auch sichtlich Spaß. Wir sind in Indien angekommen. Es ist heiß, die Restaurants sind vom Feinsten und sehr günstig. Viele Reisende, vor allem von einem Ausflug aus Goa kommend sind in der Stadt anzutreffen. Auch hinduistische Pilger besuchen den 2000-Einwohner-Ort. Der Virupaksa-Tempel inmitten von Hampi mit dem markanten Gopura, dem hohen Tempelturmist das Ziel der gläubigen Hindus. In der Anlage wird Laksmi, ein junger Elefant gehalten, der einem nach Abgabe einer Rupie-Münzen in seinen Rüssel mit diesem den Kopf berührt und segnet. Ein lustiges Spektakel. Der Pilgerort gilt als heilig und es herrscht absolutes Alkohol- und Fleischverbot. Anders am anderen Ufer des Flusses Tungabhadra. Dort liegt Virupapuragadda, das Dorf ist nur mit einem Boot zu erreichen. Hier gibt es für die Reisenden noch billigere Unterkünfte sowie Fleisch und Bier. Und überall hängen Schilder, no Drugs! Das Drogenproblem unter Touristen scheint der indische Staat in den Griff bekommen zu wollen. Noch vor Jahren haben sich in Hampi Touristen gegenseitig beklaut um sich Haschisch zu beschaffen. Deshalb ist es Vorschrift sich nach der Ankunft in Hampi umgehend bei der Polizei sich mit seinem Reisepaß zu melden.

Es werden Postkarten geschrieben, in den vielen Internet-Cafes die E-Mails gecheckt.
Bunte Bekleidungs-, Schmuck- und Buchläden laden zum Bummeln ein.
Das Kinderheim "Hampi Trust" wird besucht. Der englische humanitäre Verein betreut hier Kinder
von 6-16, deren Eltern oder Alleinerziehenden nicht in der Lage sind, ihrer Kinder vernünftig zu ernähren oder zur Schule zu schicken. Zwei indische Lehrer sind fest angestellt.

Das Armenviertel Hampis wird früh um halb 6 auf dem Weg zum Matanga Hill zum Sonnenaufgang durchquert und wir machen uns selbst ein Bild von der Armut. Die ärmlichen Hütten sind teilweise in die alten Paläste integriert, Ziegen sind oft der einzige Besitz, um sich ein wenigstens ein kleines Einkommen zu sichern.
Der Aufstieg ist anstrengend, aber der Sonnenaufang über die unendlichen weiten Ebenen Karnatkas entschädigt. Wir treffen vier deutsche Mädchen der Organisation "Weltwärts". Sie haben ein paar Tage frei von ihrer einjährigen freiwilligen Tätigkeit in einer Schule in Pondicherry an der Ostküste Indiens und können nur tageweise das riesige Land bereisen. Beim Abstieg begleitet uns ein gebildeter Junge aus der Kaste der Brahmanen, der höchsten Kaste Indiens. Der 16-jährige muss Postkarten verkaufen, um seine Familie mit zu unterstützen und klettert jeden Morgen die vielen Stufen zum Matanga hoch, in der Hoffnung ein paar seiner Schriften an Touristen zu verkaufen. Er hofft, wie viele junge Inder, auf ein Studium oder einen Arbeitsplatz in Europa oder in den USA.
Wir fahren mit einem Coracle-Boot, einem runden geflochtenen Boot auf dem Fluß Tungabhadra stromabwärts. Der gut englisch sprechende Bootsführer zeigt uns mit seinem Sohn weitere Feinheiten der vergangenen Kultur entlang des Flusses. Viele kleine Tempel und bildhauerische Fähigkeiten der vergangenen Kultur werden sichtbar. Bei dem im Mai beginnenden Monsun werden die Tempel überschwemmt und die Hitze vor dem Monsun kann auf bis auf 50° ansteigen.
Dann ist das Leben für Mensch und Tier in Karnataka fast unerträglich.

Nach der beeindruckenden Bootsfahrt geht es zum Vitthala-Tempel, wieder Weltkulturerbe.
Hier steht der berühmte Tempelwagen mit dem Bildnis von Garuda, dem Reitvogel des Gottes Vishnu. Ein bekanntes Postkartenmotiv. Im Reiseführer erfahren wir, dass der Wagen nachgebaut wurde.
Die Gegend verleitet zum Wandern durch herrliche Palmenwälder und Reisfelder. Leider verlaufen wir uns auch, unsere Umgebungskarte aus dem Buchladen ist ungenau. Aber irgendwo ist immer einer, den wir fragen können und der uns wieder auf den richtigen Weg bringt und sei es ein in unserem Fall ein Rikshawfahrer.
Wir buchen bei Rocky, unserem Allrounder und Gästehauschef ein Zugticket, er verkauft so ziemlich alles, also auch Tickets und drei Stunden später halten wir die Fahrkarte von Hospet nach Margao im Bundesstaat Goa, unseren Endziel, in den Händen.

Am anderen Tag wird sich herzlich von der Familie des "Rock´s Guesthouse" verabschiedet und wir fahren wieder mal Bus, aber nur eine kurze Strecke. Levin und Mona haben keinen Bock mehr auf Bus fahren und die 30 Minuten vergehen rasch. Es geht wieder nach Hospet, dem nächstgelegenen Bahnhof. Unser Zug sollte um 17 Uhr abfahren, dieser hat aber eine Verspätung von über zwei Stunden. Nun kann es sein, dass wir unseren Anschlußzug in dem 150 km entfernten Hubli um 23 Uhr nicht erreichen und beschließen die Strecke mit dem Taxi zurückzulegen. Wir vereinbaren einen Preis von 2300 Rs. und fahren los. Nach einem km haben wir bereits der erste Halt. Ein platter Reifen. Dieser wird im Rekordtempo gewechselt und wie inzwischen gewohnt wird nach weiteren 2 km mit unserer Anzahlung der halbe Tank befüllt. Nun wird das Autoradio aufgedreht und sich über die abendlichen überfüllten Straßen im Feierabendverkehr nach Hubli gequält. Unser Blutdruck und unsere Herzfrequenz ist bei dieser Fahrt etwas höher als normal, die Beinahekollissionen mit anderen Verkehrsteilnehmern steigt. Es ist immer wie ein Wunder, dass Ziele bei so einer Fahrweise erreicht werden. Wir sind in Hubli, eine große Stadt mit sehr vielen Menschen auf dem riesigen Bahnhofsgelände. Der richtige Zug wird gefunden und wir machen es uns auf den reservierten Plätzen im Sleeper bequem.

Bei der Einfahrt in den Bundesstaat Goa gegen 5 Uhr morgens wird eine Brücke direkt an den beeindruckenden Dudsaghar-Wasserfällen überquert und bietet sich eine fantastisches Panorama auf in der morgendlichen Dämmerung. Junge Inder hängen sich an die Türen und schreien mit dem regelmäßigern Tackern der Waggonräder auf der langen Stahlbrücke in die Nacht.
Wenig später ist Margao, unser Ausstiegsbahnhof erreicht. Wir lassen uns von einer Rikshaw zur Stadtmitte bringen und warten mit anderen Travellern auf den Frühbus nach Benaulim am Arabischen Meer. Dreißig Minuten später sind wir da und finden umgehend zwei Zimmer mit bei einer sehr netten Familie. Die Aussicht von unserer Terrasse auf eine Lagune mit Seerosen inmitten von Dattelpalmen ist wunderschön. Wir haben unser Ziel erreicht. Nun wird relaxt. Das setzen wir sofort um und begeben uns zum 500m entfernten Strand. Fast 10 Tage bleiben wir in Benaulim, dem wohl ursprünglichsten Ort in Goa, noch verschont vom Pauschaltourismus. Lediglich einen zweitätigen Abstecher in den Norden Goas, nach Candolim, nehmen wir uns vor. Es wird der an jeden Mittwoch stattfindende Hippie-Markt von Anjuna, besucht. Vor 20 Jahren noch ein Minimarkt mit Tauschgegenständen europäischer Aussteger hat sich der Markt zu einem der größten Indiens entwickelt. Die Atmosphäre ist einmalig bunt, die angeboten Waren gehen von Klangschalen aus Tibet über Stoffe aus Rajasthan bis Gewürze und Tee aus Kerala. Noch ein paar wenige europäische und amerikanische Hippies im reiferen Alter bieten hier meist Kunstgewerbe an oder verkaufen Backwaren und Getränke. Eine Rockband spielt in einem Zelt. In dem Badeort werden auch illegale Drogen angeboten, was natürlich auch skurille Typen anzieht.

Wir besichtigen Panjim, die Haupstadt Goas mit ihrem reichen portugiesischen Kulturerbe,
ebenso die alte Hauptstadt, Alt-Goa mit ihren zehn restaurierten Kirchen. Die Bauwerke mit den gigantischen Fassaden und vergoldeten Altäre beeindrucken sehr. Das Grab des spanischen Missionars Franz Xaver finden wir in der Basilica Bom Jesus. Die gegenüber liegende Se-Kathedrale ist größer als jede Kirche Portugals. Alt-Goa wurde im 17. Jh. auf Grund von Malaria- und Cholera-Epidemien verlassen und galt damals als die größte Stadt der Welt mit über 100.000 Einwohnern.
Das größte portugiesische Privatgebäude in Goa, die prächtige Braganza-Perreira-Villa in Chandor ist auch äußerst sehenswert. Das Haus des ehemalige Journalisten und Freiheitskämpfers quillt über von Antiquäten und es wird vorstellbar in welcher Pracht und Reichtum die Kolonialherren lebten. Eine Fahrradtour an die südlichen Strände bis Mobor am runden unsere Besichtigungstour in Goa ab. Es ist schön in Goa, die Natur ist wunderbar, die multikulturelle Bevölkerung äußerst freundlich und zuvorkommend. Die ehemalige portugiesische Kolonie ist überall spürbar, nicht nur an den Namen der Einwohner und der Sprache, eine Mischung aus Portugiesisch und Hindi. Auch die christliche Kultur mit ihren meist auf Hügeln gelegenen blendend weißen Kirchen ist sichtbar. Über Weihnachten sind an jeder Kirche und an vielen christlichen Privathäusern teilweise lebensgroße Krippen aufgebaut mit Teichen und echten Fischen. Täglich gehen wir frühstücken und Abend essen in den unzähligen Restaurants. Die Küche ist eine Mischung von nordindischen, tibetischen und goanischen Einfluß. Abends gibt es täglich ein Live-Programm mit Folklore aus Goa oder Rajasthan und natürlich House- und Technomusic. Aber um 23 Uhr werden die Verstärker ausgeschaltet. Die Ausnahme ist an Silvester. Die ganze Küste Goas ist in dieser Nacht auf Neujahr eine einzige Partymeile. Reiche Inder bis aus Mumbai kommend feiern dann an den Stränden.

Das Einkaufen in den unzähligen Läden macht auch Spaß, vor allem unsere Kids verstehen sich nun auf das Handeln und können auch in den Restaurants alles selbst bestellen, es wird schließlich überall Englisch gesprochen.
Es gäbe noch viel zu entdecken in Goa, alte portugiesche Forts an der Küste, viele hindustische Tempel im Hinterland und zwei Nationalparks.
Wieder wird ein Eisenbahnticket gebucht, wir lassen unsere Reise in der auf der erst 1996 fertiggestellten Konkan-Railway ausklingen und zwar von Margao in Goa bis nach Mumbai.
Um 10 Uhr geht es in die reservierten Sleeper-Abteile und der Zug ruckelt sofort los. Zwei Stunden später reisen wir wieder in den Bundesstaat Marahashtra ein. Die Schienen gehen teilweise fast an den dörflichen Häusern vorbei und das Landleben Indiens ist gut zu beobachten. Frauen in bunten Saris dreschen Getreide, Männer ziehen Wasserbüffel hinter sich her, Kinder spielen mit Fahrradreifen oder hüten Ziegen. Teilweise lebt die Bevölkerung nur in einfachsten Lehmhütten. Nach 10 Stunden einer wirklich entspannten Zugfahrt mit Unmengen von Tee der Chai-Boys und Essen aus der "Bordküche" erreichen wir die Ausläufer von Mumbai. Wir steigen an einem in der Nordstadt gelegenen Bahnhof aus und lassen uns nach hartem Feilschen mit dem Taxi zum Flughafen fahren. Die Rucksäcke werden in einem nicht abschließbaren Kofferraum geknallt, die Fahrer wechseln nach 100m, aus welchen Gründen ist nicht erkennbar und eine rasante Fahrt beginnt. Wir kreuzen den größten asiatischen Slum mit einer Million Menschen, ein riesiges Stadion, wo die "Slumpeople" ihre Meetings abhalten (Originalworte des Taxifahrers) und der Flughafen wird erreicht. Nach strengen Sicherheitsvorkehrungen können wir einchequen und unser Flug geht pünktlich um 5.40 Uhr Orstzeit ab. Wir sehen uns die erwachende Megastadt nun von oben an und können nicht mehr ganz wahrnehmen, was wir in den letzten 20 Tagen erlebt haben: Schönheit und Elend in einem. Indien fasziniert, auf seine Art. Für die Kids waren es drei Wochen lang Abenteuer, die Reise hat ihnen Spaß gemacht, nicht alles, aber die Eindrücke werden sie vielleicht ihr Leben lang begleiten.
Ich habe mir umsonst Sorgen gemacht. Bis auf leichtes Fieber und leichten Durchfall für einen Tag waren Levin und Mona in Indien nie krank gewesen.

© Stephan Prechtl, 2011
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Die Reise
 
Details:
Aufbruch: 21.12.2010
Dauer: 3 Wochen
Heimkehr: 10.01.2011
Reiseziele: Indien
Der Autor
 
Stephan Prechtl berichtet seit 13 Jahren auf umdiewelt.
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