Indien von Süd nach Nord, 1993/4

Reisezeit: November 1993 - Februar 1994  |  von Adi Meyerhofer

Indien (3. Jan. bis 4. Feb. 1994): Amritsar und nach Pakistan

Das "schiefe Haus von Amritsar"

Das "schiefe Haus von Amritsar"

Amritsar

Zwichenbemerkung zur politischen Situation: Als während der von Indira Gandhi erklärten "emergency" (Notstand. vgl.: Bulletin of Concerned Aisan Scholars, Vol 7, Nr. 4,) auch die Sikhs des Punjab um einen separaten Bundesstaat kämpften, wurde der Tempel, in dem sich Freiheitskämpfer verschanzt hatten, von der Armee gestürmt und beschädigt -- für die Sikhs schlichtweg geschändet. Indira Gandhi, die während des Notstandes auch durchaus sinnvolle Maßnahmen wie Geburtenkontrolle durchsetzen wolllte, wurde dann erstmal abgewählt und von einer Koalition unter einem Herrn Morarji Desai abgelöst. Der war aber noch korrupter als indische Politiker gemeinhin sind -- in Erinnerung geblieben ist er vor allem für seine Vorliebe für ein Gläschen Kuhurin zum Frühstück. Indira und die Congress-Partei wurden nach drei Jahren wieder gewählt. Die Premierministerin erschossen 1984 im Garten ihrer Residenz zwei ihrer Sikh-Leibwächter aus Rache für den gestürmten Tempel.

Goldener Tempel, Amritsar.

Goldener Tempel, Amritsar.

Betreten darf man das Innere des Harmandir Sahib nur mit Kopfbedeckung, Tücher werden gegen Spende vermietet. Im goldenen Tempel erhält am Ausgang jeder Gehende eine Süßigkeit Innerhalb des Komplexes gibt es eine von Freiwilligen betriebene Großküche, die ganztägig kostenlose Essen ausgibt. Weiterhin gibt es ein Pilger-Hostel, was ich beides nicht benutzt habe. Aus dem heiligen Buch der Sikh wird ganztägig vorgelesen, was Lautsprecher übertragen. Nächtlich wird das heilige Buch in einer speziellen Zeremonie "zu Bett gebracht."

Um den Tempel zahlreiche Buchhändler mit Interessantem. Auffallend war auch, daß es richtige Rennräder mit guter Schaltung zu kaufen gab. Sonst gibt es nur schwere Volleisen-Hollandräder.

Grenzübertritt nach Pakistan (4. Feb. 1994)

Der Landübergang bei Amritsar war der einzige mögliche Weg nach Pakistan zu gelangen. Zu dieser Zeit durfte er von Indern nur mit ministerieller Genehmigung benutzt werden. (Die zwischenzeitlich immer mal wieder eingerichteten und unterbrochenen direkten Zug- bzw. Busverbindungen waren damals noch nicht einmal angedacht.) Der Konflikt um Kashmir hatte wieder einmal einen Höhepunkt erreicht.

In Pakistan gibt zu Frühlingsanfang einen Feiertag am 5. Februar (1990 offiziell unbenannt: Kashmir Solidarity Day). Die Premierministerin Benazir Bhutto erklärte den Vortag zum zusätzlichen Feiertag mit dem griffigen Titel "let's hate India Day." Die Politiker der Gegenseite riefen daraufhin zur "let's hate, 'let's hate India day'"-Gegendemo auf.

Indische Gegendemonstranten. Im Grenzbereich habe ich nicht photographiert. Es wurden mehrere Benazir Bhutto-Strohpuppen unter viel Geschrei verbrannt.

Indische Gegendemonstranten. Im Grenzbereich habe ich nicht photographiert. Es wurden mehrere Benazir Bhutto-Strohpuppen unter viel Geschrei verbrannt.

Der normale Ablauf beim Grenzübertritt bei Wagah wäre folgender gewesen: Etwa 200 m vor der Grenze am Eingang zum "compound" beim Wachhäuschen einen Laufzettel holen. Auschecken -- jedesmal unter Eintrag ins dicke Buch -- bei den verschiedenen Stellen: Sicherheitskontrolle (generelle Vorprüfung), Zoll, Devisenkontrolle (nach dem nominell noch nötigen Formular hatte schon niemand mehr gefragt), Paßkontrolle, Marsch zum eigentlichen Tor.

Wie verfeindet man war, zeigten die Öffnungszeiten: auf beiden Seiten offiziell 9-16 Uhr, da jedoch beide Länder in unterschiedlichen Zeitzonen liegen, verringert sich die tatsächliche Öffnungszeit. Die heute täglich mit viel Pomp zelebrierte "grimmige" Grenzschließungszeremonie ist in Wirklichkeit ein Zeichen der Entspannung und wird gemeinschaftlich geübt! [Video: [verweis=https://www.youtube.com/watch?v=HPpiQTAC] Touristisch, 10 min[/verweis]. Schön beschrieben auch im [verweis=https://www.umdiewelt.de/Asien/Indischer-Subkontinent/Pakistan/Reisebericht-5203/Kapitel-3.html]Reisebericht von Anette[/verweis] 2009]
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Mit mir warteten diesen Tag -- es war nicht klar ob die Grenze geöffnet würde -- noch ein indisches Diplomatenehepaar, neun Tansanier und ein deutscher "Missionar," der angeblich iim Himalaya tätig war. Im Nachhinein ist mir der Herr etwas suspekt. Angeblich hatte er seine drei Kinder per Flugzeug von Delhi aus heimgeschickt, die waren aber nicht aus dem Paß ausgestemopelt, was dem Grenzer-Unteroffizier auffiel. Seine Frau war angeblich noch in der Mission in den Bergen. Daß er gerade an diesem Tag an diesem Ort war, deutet für mich eher darauf hin, daß er mehr als einem HErrn diente ... Wirklich großes Theater veranstaltete der Sergeant mit den Negern. Er erklärte lautstark deren Visa wären sämtlich gefälscht er könne sie nicht ausreisen lassen. (Ich traf einen der 9 in Lahore zwei Tage später. Für je 150 Rs wurden die Visa sehr schnell "echt.")

Wir saßen nun den ganzen Tag auf der Verandah der Wachstube, während Busladungen von Demonstranten hin- und hergekarrt wurden (lt. Zeitungsberichten rund 20000). Es gab nicht einmal die sonst überall herumwuselnden Chai-Wallahs den Tag. Plötzlich, etwa ½ Stunde vor offizieller Schließzeit, wurden wir Weißen im Gänsemarsch -- vorne und hinten ein Soldat mit Gewehr -- durch die Menschenmenge zur Grenze marschiert. Die Stacheldrahtrollen auf beiden Seiten 1 Meter weit aufgemacht -- man grüßte sich nicht und wir waren in Pakistan (Etwas Nebel auf einer Brücke und es wäre wie in einem Agentenfilm von John le Carré gewesen). Es folgte der übliche Eintrag aller Daten in ein dickes Buch, dann 20 Minuten locker-freundliche Befragung bei Tee im OvD-Zimmer zu dem was wir auf der anderen Seite gesehen hätten.

© Adi Meyerhofer, 2013
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Lang, lang ist's her.
Details:
Aufbruch: November 1993
Dauer: 3 Monate
Heimkehr: 24.02.1994
Reiseziele: Thailand
Sri Lanka
Malediven
Indien
Pakistan
Türkei
Der Autor
 
Adi Meyerhofer berichtet seit 11 Jahren auf umdiewelt.