Kamerun - ein Land mit deutschem Einfluss

Reisezeit: Juli / August 2006  |  von Manfred Werdermann

Kamerun war von 1884 bis 1916 deutsche Kolonie. Einige Relikte aus dieser Zeit sind bis heute erhalten geblieben, die im Folgenden Erwähnung finden.

Im Kolonialwaren-Laden

Die junge Frau des Plantagenarbeiters geht auf einer Matte auf dem Boden sitzend ihrer Tätigkeit nach. Vor ihr türmt sich ein kleiner Haufen getrockneter Kaffeebohnen. Mit geschickten Fingern, tausende Male geübt, fischt sie die unreifen und schlechten Bohnen heraus und wirft sie in einen Korb. Auf ihrem Rücken, mit einem Tuch festgehalten, schläft das Baby. Das kleine Töchterchen krabbelt zwischen ihr und den anderen Frauen auf dem Boden herum.

Mit unterschiedlich engmaschigen Schüttelsieben werden nebenan die für gut befundenen Kaffeebohnen nach Größe und somit nach Qualität sortiert. In einer speziellen Mühle, die einem Fleischwolf ähnelt, erfolgt der letzte Arbeitsschritt, das Glätten und Polieren der Kaffeebohnen. Für den Weitertransport werden sie in Säcke abgewogen. Zwei junge Männer, einer ziehend, der andere schiebend, bringen diese mit einem Handkarren zum Bahnhof von Nkongsamba, wo sie in bereitstehende Eisenbahnwagen verladen werden.

Mit nicht allzu großer Geschwindigkeit legt der Zug die Strecke nach Douala zurück, denn die heftigen Gewitterschauer der Regenzeit haben den Gleisanlagen zugesetzt. Auf dem Kopf tragen die Hafenarbeiter die dreiundsechzig Kilogramm schweren Säcke in die Frachträume. Zusammen mit weiteren Waren, wie Kakao, Bananen und Kautschuk, erreichen die Kaffeebohnen mit dem Schiff den europäischen Hafen. Nach einer Eingangskontrolle im Hamburger Kaffeekontor werden sie gemischt, geröstet, in kleine Packungen abgefüllt und an die Kolonialwarenhändler verkauft.

Ich sehe die auf dem Boden sitzenden Frauen, wie sie mit ihren Händen die Kaffeebohnen sortieren, dazwischen die Kinder. Ich sehe die Arbeiter, wie sie die Säcke auf dem Kopf vom Lager zum LKW tragen. Viel geändert hat sich im Laufe der Jahrzehnte in Kamerun nicht. Die Eisenbahnlinie aus deutscher Kolonialzeit fährt nicht mehr bis Nkongsamba, es werden nun LKWs genutzt. Die Kolonialwarenläden von heute heißen Tchibo, Eduscho, Aldi und Co. Vielleicht werden inzwischen die Kaffeesäcke im Hafen von Douala zunächst auf Paletten gestapelt, um mit dem Kran ins Schiff gehoben zu werden. Dies würde in gleicher Weise das Ausladen in Europa erheblich vereinfachen, wo die Arbeitskräfte teuer sind.

Kamerun war von 1884 bis 1916 deutsche Kolonie. Einige Relikte aus dieser Zeit sind bis heute erhalten geblieben. Der Bahnhof von Nkongsamba steht wahrscheinlich noch aus dieser Zeit, die Bahnhofsuhr steht mit Sicherheit, seit etwa zehn Jahren auf zwölf Uhr dreißig, falls sie nicht vorher schon zu laufen aufgehört hat. Ein kleines, städtisches Verwaltungsgebäude sieht sehr danach aus, als ob es ebenfalls aus deutscher Kolonialzeit stammt. Andere Gebäude aus dieser Epoche fallen in Nkongsamba nicht auf, vielleicht wurden sie im Laufe der Jahrzehnte umgebaut.

In Buea ist das anders. Da den Deutschen das schwül¬warme Klima Doualas nicht bekam, erklärten sie den am Kamerunberg auf etwa eintausend Meter Höhe gelegenen Ort im Jahre 1901 zur Hauptstadt. Dort gibt es bis heute eine Reihe von Bauten im wilhelminischen Stil, so zum Beispiel den weißen, über der Stadt thronenden Gouverneurspalast, der nun eine der Residenzen des Staatspräsidenten ist.

In einer Reihe von Gesprächen mit kamerunischen Freunden spürte ich die Anerkennung für die in der Kolonialzeit realisierten Projekte der Deutschen: den Gebäuden, Brücken, Straßen und der Eisenbahnlinie. Zwar haben die Pioniere dieser Zeit all das lediglich im Eigeninteresse gebaut, um die begehrten Produkte des Landes, wie Elfenbein, Kautschuk, Kakao, Kaffee oder Palmöl möglichst schnell zu den Häfen und damit nach Deutschland zu bringen, doch das interessiert sie nicht. Allein die Tatsache, dass ein Teil der Monumente die vielen Jahrzehnte überdauert haben, macht sie bewundernswert.

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Die Reise
 
Details:
Aufbruch: Juli 2006
Dauer: circa 5 Wochen
Heimkehr: August 2006
Reiseziele: Kamerun
Der Autor
 
Manfred Werdermann berichtet seit 18 Jahren auf umdiewelt.
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