Japan und Südkorea 2013

Reisezeit: Juli / August 2013  |  von Sabine H.

Hiroshima

In der Fußgängerunterquerung, wo mir so nett und ungefragt geholfen wird

In der Fußgängerunterquerung, wo mir so nett und ungefragt geholfen wird

06.08.2013: Im Kurashiki Station Hotel wache ich auf, nachdem ich gut und schmerzfrei geschlafen habe. Ich will aufstehen, hm. Das ist nicht so einfach, wenn die Hexe gerade am Vortag geschossen hat. Man könnte sich jetzt wie ein Wal herumwälzen und die beste Aufsteh-Position suchen, um irgendwie schmerzfrei zum Stehen zu kommen. Aber darf ich ja nicht: Immer schön in Schmerzrichtung bewegen ! Und das klappt echt gut, normal aufstehen, Schnappatmung aktivieren, weil der Rückenschmerz wie ein Blitz durchzuckt und Zähne zusammenbeißen. Tasche packen, auschecken, 150 m zum Bahnhof laufen und tun, was Japaner an Bahnhöfen auch so tun, bevor sie für ein paar Stunden in einen Shinkansen steigen: Gefrühstückt habe ich nämlich nicht, gestern Abend auch das Abendessen ausgelassen und nun habe ich doch etwas Kohldampf. Also kaufe ich in einem Bahnhofs-Kiosk eine sogenannte Bento-Box. Japaner kaufen sich solche lunch-Boxen immer, bevor sie in einen Zug steigen, aber die können ja auch lesen, was drin ist ! Ich kann es nicht, habe Hunger, kaufe irgendeine Bento-Box und lasse mich überraschen im Shinkansen via Osaka nach Hiroshima.

Joaa, es gibt Sushi, komische sonstige Häppchen und kalte Nudeln. Geht so, ne ?

In Osaka muss ich wieder umsteigen, wozu ich nur 7 Minuten Zeit habe, aber das reicht dicke. Gegen frühen Nachmittag erreiche ich Hiroshima. Wo mein Hotel liegt, weiß ich, man kann es vom Bahnhof aus schon fast sehen. Um allerdings dorthin zu kommen, muss ich eine große Fußgängerunterquerung durchqueren. Ich stehe nur einen Moment lang herum, um mich zu orientieren und den richtigen Ausgang zu finden und schon stürzt sich eine junge Japanerin auf mich, fragt, ob sie mir helfen könne und wo ich hin möchte. Zum Grand Intelligent Hotel, lautet meine Antwort. Bevor sie das große Erklären anfängt, wobei es dann sehr schnell mit ihrem englisch doch etwas hakt, rettet sie sich, indem sie mich einfach gleich zum Hotel hinbegleitet ! Supernett !!! Leider ist die check-in-Zeit in diesem Hotel erst ab 15.00 Uhr. Reichlich spät, wie ich finde. Aber ich deponiere mein Gepäck und mache mich schonmal auf Erledigungstour: Zurück zum Bahnhof, Zugreservierung für übermorgen machen und eine Tageskarte für die Straßenbahn in Hiroshima besorgen. In Hiroshima ist nämlich die Straßenbahn das Verkehrsmittel 1. Wahl. Natürlich auch wieder touri-freundlich. Um 14.45 Uhr lässt man mich dann endlich einchecken, ich werfe meinen Kram ins Zimmer und bin ruckzuck schon wieder unterwegs. Denn ich habe nur diesen einen Nachmittag in Hiroshima, etwas knapp. An der Station A-bomb-dome verlasse ich die Straßenbahn und befinde mich sofort mitten im Geschehen: Heute ist nämlich ein besonderer Tag - der 68. Jahrestag des Abwurfes der Atombombe auf Hiroshima am 06. August 1945 um 08.15 Uhr morgens.

Atombombendom - einst die Ausstellungshalle der Präfektur, 1915 erbaut

Atombombendom - einst die Ausstellungshalle der Präfektur, 1915 erbaut

heute weltweites Mahnmal gegen atomare Zerstörung

heute weltweites Mahnmal gegen atomare Zerstörung

heute ist natürlich viel los - überall wird dem Grauen vor 68 Jahren gedacht

heute ist natürlich viel los - überall wird dem Grauen vor 68 Jahren gedacht

mit Musik, Tanz, Ausstellungen, Blumen und diversen Aktionen

mit Musik, Tanz, Ausstellungen, Blumen und diversen Aktionen

mit Fotos wird der Opfer gedacht

mit Fotos wird der Opfer gedacht

im Friedenspark gibt es viele Mahn- und Denkmäler

im Friedenspark gibt es viele Mahn- und Denkmäler

unter diesem Cenotaph liegt die Truhe der Namen, man hat zumindest versucht, die Namen aller Opfer hier zusammenzutragen. Und auch heute werden noch die Namen derjenigen hinzugefügt, die an den Spätfolgen des Atombombenabwurfes gestorben sind.

unter diesem Cenotaph liegt die Truhe der Namen, man hat zumindest versucht, die Namen aller Opfer hier zusammenzutragen. Und auch heute werden noch die Namen derjenigen hinzugefügt, die an den Spätfolgen des Atombombenabwurfes gestorben sind.

heute morgen haben schon der japanische Ministerpräsident und der Bürgermeister von Hiroshima hier Reden gehalten anlässlich des Gedenktages

heute morgen haben schon der japanische Ministerpräsident und der Bürgermeister von Hiroshima hier Reden gehalten anlässlich des Gedenktages

Viele Menschen legen Blumen nieder an dieser Stelle und stehen dafür in der brütenden Hitze Schlange

Viele Menschen legen Blumen nieder an dieser Stelle und stehen dafür in der brütenden Hitze Schlange

Bereits im Museum

Bereits im Museum

Um 08.15 Uhr blieben die meisten Uhren in Hiroshima stehen am 06.08.1945

Um 08.15 Uhr blieben die meisten Uhren in Hiroshima stehen am 06.08.1945

Der Friedenspark und das Museum erinnern mich stark an Yad Vashem in Jerusalem/Israel, das ich gerade im Februar diesen Jahres besucht habe. Eine Gedenkstätte, die genauso erschütternd ist, wie der Friedenspark und das Museum in Hiroshima. Auch in Yad Vashem versucht man, an alle Namen der Opfer zu erinnern, was angesichts der millionenfachen Opferzahlen des Holocausts in Europa allerdings kaum zu bewerkstelligen ist. Man schätzt, dass dem Atombombenabwurf in Hiroshima und Nagasaki sofort ca. 92.000 Menschen zum Opfer gefallen sind und weitere 130.000 bis Ende 1945. Wieviele es seitdem waren, die an den Folgen der nuklearen Verstrahlung noch bis heute gestorben sind, weiß man nicht genau. Es dürften weitere zig-tausende gewesen sein.

Das Stadtzentrum Hiroshimas vor dem Abwurf....

Das Stadtzentrum Hiroshimas vor dem Abwurf....

...und danach.

...und danach.

Verwüstung

Verwüstung

Modell des A-bomb-domes im Museum

Modell des A-bomb-domes im Museum

Atompilz nach dem Abwurf von "Little Boy" aus der "Enola Gay". Was für eine Ironie: Little Boy hieß die 4 Tonnen schwere Uranbombe mit der Sprengkraft von 12.500 Tonnen TNT, die aus dem B 29-Bomber abgeworfen wurde, die der Pilot nach seiner Mutter Enola Gay benannt hatte

Atompilz nach dem Abwurf von "Little Boy" aus der "Enola Gay". Was für eine Ironie: Little Boy hieß die 4 Tonnen schwere Uranbombe mit der Sprengkraft von 12.500 Tonnen TNT, die aus dem B 29-Bomber abgeworfen wurde, die der Pilot nach seiner Mutter Enola Gay benannt hatte

Die Bombe traf nicht ganz genau ihr Ziel, aber sie traf schrecklich genau genug

Die Bombe traf nicht ganz genau ihr Ziel, aber sie traf schrecklich genau genug

Das Zentrum Hiroshimas und damit auch ein Krankenhaus lagen direkt unter dem Einschlagspunkt

Das Zentrum Hiroshimas und damit auch ein Krankenhaus lagen direkt unter dem Einschlagspunkt

Stahlhelm und Dreirad

Stahlhelm und Dreirad

Die enorme Hitze von ca. 6000 Grad C verbrannte die Menschen einfach. Einige hinterließen einen Schatten an Mauern und Wänden, bevor sie quasi zu Asche pulverisiert wurden

Die enorme Hitze von ca. 6000 Grad C verbrannte die Menschen einfach. Einige hinterließen einen Schatten an Mauern und Wänden, bevor sie quasi zu Asche pulverisiert wurden

Die enorme Druckwelle zerschlug Mauern und Beton, bohrte Glasscherben zentimetertief in  Betonwände

Die enorme Druckwelle zerschlug Mauern und Beton, bohrte Glasscherben zentimetertief in Betonwände

Stahlträger und Eisenbahnschienen schmolzen

Stahlträger und Eisenbahnschienen schmolzen

Papierkraniche

Papierkraniche

Ein kleines Mädchen namens Sadako überlebte den Atombombenabwurf, erkrankte aber 1954 im Alter von 12 an Leukämie als Folge der nuklearen Verstrahlung. Sie glaubte fest daran, wieder gesund zu werden, wenn sie es nur schaffen würde, 1000 Papierkraniche zu falten. Sie schaffte 644 Papierkraniche in 9 Monaten, dann starb sie. Eine echt ergreifende Geschichte, die hier im Museum dokumentiert wird.

japanische Flagge auf Halbmast

japanische Flagge auf Halbmast

Eine Glocke, die zur Erinnerung jeder läuten lassen kann

Eine Glocke, die zur Erinnerung jeder läuten lassen kann

für heute Abend war noch ein Event geplant, zu dem ich aber nicht mehr hingegangen bin: All diese von den heutigen Besuchern gestalteten Papierlaternen sollten beleuchtet auf dem Fluss schwimmen gelassen werden

für heute Abend war noch ein Event geplant, zu dem ich aber nicht mehr hingegangen bin: All diese von den heutigen Besuchern gestalteten Papierlaternen sollten beleuchtet auf dem Fluss schwimmen gelassen werden

Die in pink gekleideten Leute sammelten Unterschriften für de Abschaffung von Atombomben. Ich habe auch unterschrieben, kein Mensch der Welt braucht Atombomben !

Die in pink gekleideten Leute sammelten Unterschriften für de Abschaffung von Atombomben. Ich habe auch unterschrieben, kein Mensch der Welt braucht Atombomben !

By the way: Ich bin oft gefragt worden (vor und nach der Reise), ob ich nicht Bedenken gehabt habe wegen der Strahlung aus Fukushima. Nein, habe ich nicht. Fukushima strahlt mit Sicherheit radioaktiv. Und wahrscheinlich wissen auch die japanischen Techniker nicht so genau, wie gefährlich Fukushima eigentlich ist. Aber ich glaube nicht, dass ein 2-wöchiger Japanaufenthalt nun einen lebensgefährlich verstrahlt. Die gemessene Strahlung in Japan ist nicht höher, als in Deutschland. Und was kaum jemand weiß: Alle japanischen Atomkraftwerke (ca. 50) sind bis auf ein einziges derzeit abgeschaltet und vom Netz ! Japan produziert momentan fast keinen Atomstrom mehr ! Sie sind umgestiegen auf Kohlekraftwerke, Erdgas und erneuerbare Energien. Selbstverständlich kann man in einem derartig energie-fressenden Land nicht ohne weiteres 49 von 50 Atomkraftwerken ohne Energieengpass abschalten. Und den Energieengpass gibt es definitiv. Klimaanlagen dürfen in öffentlichen Gebäuden die Räume nur noch bis auf max. 28 Grad C herunterkühlen, daher müssen die Angestellten auch nicht mehr dem ansonsten strengen Dress-code folgen: Sakkos und Krawatten sind bei den Herren nicht mehr erforderlich und die Damen dürfen die Seidenstrümpfe weglassen.

Eigentlich hätte die Burg von Hiroshima nun noch auf meinem Programm gestanden, diese Besichtigung fällt allerdings meinen Rückenschmerzen und der wieder extremen Hitze zu Opfer. Ich habe schlicht keinen Bock mehr auf mehr heute und will lieber Gymnastik machen, weil die echt hilft, um die Verspannung zu lösen und dann auch die Schmerzen nachlassen.

© Sabine H., 2013
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Asien für mich mal ganz neu und anders, womöglich erstmals auch kompliziert (?). Japan und ein klein wenig Südkorea.
Details:
Aufbruch: 29.07.2013
Dauer: 3 Wochen
Heimkehr: 16.08.2013
Reiseziele: Japan
Südkorea
Der Autor
 
Sabine H. berichtet seit 17 Jahren auf umdiewelt.
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