Armenien 2007

Reisezeit: Juli / August 2007  |  von Michael Kasper

Für unvergessliche drei Wochen besuchten wir Armenien, das kleine, aber dafür außergewöhnliche Land im südlichen Kaukasus. Neben der interessanten Mischung aus Orient und Okzident an der Schnittstelle zwischen Europa und Asien, Russland, Persien und der Türkei stellt diese christliche Enklave inmitten muslimischer Länder besonders aufgrund seiner eigenen Kultur ein faszinierendes Reiseziel dar.

Jerevan und der Norden

Wochdschujn in Jerevan

Sind nach einem sehr anstrengenden, weil schlaflosen Flug heut um 5 Uhr morgens in Jerevan am topmodernen blitzblanken Flughafen angekommen - Visa, Einreise, Gepaeck natuerlich problemlos abgelaufen.

Nach einer kurzen Pause und Regenerationsphase sind wir - an "Taxi-Sharks" vorbei - via Marschrutka 108 (privater Minibus) direkt ins Zentrum gefahren und konnten so gleich einen Eindruck von dieser Stadt gewinnen: Jerevan ist eine Stadt mit Flair, wunderschoene alte Hauser reihen sich an heruntergekommene Plattenbauten aus der Sovietzeit, die weiten Strassen sind mit Alleen eingefasst - und ueber allem thronen der kleine und grosse Ararat mit Gletscherkappe.

Gewoehnungsbeduerftig ist die Schreibweise hier: Die armenischen Beschriftungen sind ja immerhin manchmal durch kyrillische Untertitel ergaenzt, allermeistens ist das aber nicht der Fall. Da bleibt nur eines - das armenische Alphabet lernen.

Besonders lobenswert ist die oertliche Touristen-Information. Binnen weniger Minuten bekamen wir einen "Homestay" bei einem Pensionistenpaar in einem der heruntergekommenen Plattenbauten, aber immerhin mitten im Zentrum, vermittelt. Das ist Jerevan live! Die Konversation erfolgt (nicht) ueber die russische Sprache, doch die Gestik der Gastfreundlichkeit bedarf keiner zusaetzlichen Worte. Und zur Not ist da ja noch die 13jaehrige Enkelin, die perfekt Englisch spricht und AEUSSERST kommunikativ ist...

Zur armenischen Kueche koennen wir bis dato nichts sagen, das holen wir aber jetzt sofort nach ... Das Ueberangebot an reifem, saftigem Obst hier (Marillen, Kirschen, Melonen, alle moeglichen Beeren, etc.) koennen wir aber schon jetzt lobend erwaehnen! Na dann: Bari achorschak' (Guten Appetit)!

Hitze und Abkuehlung

Mittlerweile haben wir uns in Jerevan recht gut eingelebt. An unserem zweiten Tag in der armenischen Hauptstadt besichtigten wir die klassischen Sehenswuerdigkeiten wie die "Cascade" - eine riesige Treppe auf einen der Huegel oder die Kathedrale. Eine besonders aufregende Aussicht genossen wir vom rostigen Riesenrad auf dem Huegel auf dem das ehemalige Stalin-Denkmal durch die "Mutter Armenien" ersetzt wurde.

Nach diesem anstrengenden Tag genossen wir im heissen Abendlueftchen unser erstes armenisches Bier und waren froh ueber die touristenfreundliche mehrsprachige Karte.

Bei unserem gestrigen Tagesausflug nach |Echmiadzin - dem Vatikan Armeniens - sprach uns ein einheimischer "Kultur-Student" an, der uns sogleich darlegte, dass er aufgrund einer goettlichen Erleuchtung Englisch gelernt hatte. Er erzaehlte ausser von seinen mystischen Erfahrungen auch ueber seine Sicht der Situation Armeniens und seine persoenlichen Perspektiven (die sehr schlecht aussehen). Beim Abschied gab er uns natuerlich auch einen langen Segen mit und den Hinweis, dass er mittels Telepathie heilen koenne - wenn also jemand Probleme hat, bitte melden - wir leiten das dann weiter.

Heute fuhren wir weiter entlang den Touristenpfaden nach Garni zu einem Tempel. Auf der Fahrt im Bus gab es einige Aufregung unter manchen weiblichen Mitreisenden, weil ein ziemlich grosser Kaefer (Muga???) umhersurrte. Da uns fuer die Weiterfahrt zum Kloster Geghard kein oeffentliches Verkehrsmittel mehr zur Verfuegung stand, organisierte Edith eine Mitfahrgelegenheit bei reichen amerikanischen Touristen, die einfach einen Minibus fuer sich gemietet hatten. Aber der Hoehepunkt kam dann auf der Rueckfahrt, als sich - mangels Alternative - der Minibus sich mit plappernden franzoesischen Touristen weiter fuellte und wir uns so mit unseresgleichen austauschen konnten. Dabei wurden zwischen den arrogant-reichen Amis und den kommunikativ-nervigen Franzosen aeusserst intellektuelle Diskussionen ueber Literatur und Philosophie (z.B. Beckett + Camus) gefuehrt.

Um uns von diesem schockierenden Erlebnis und der breuetenden Hitze zu erholen, werden wir jetzt in unserem Zimmer eine Wassermelone essen.

Morgen duerfte uns jedoch noch mehr Abkuehlung erwarten, denn dieser Sonntag ist ein hoher Feiertag an dem alle Kinder und Jugendlichen straffrei Wasser auf jede/n schuetten duerfen - in rauhen Mengen versteht sich. Auf dem Weg zum Internetcafe trafen wir dementsprechend auch schon einige Jungs mit wassergefuellten Plastiksackerln...

Mehr dazu demnaechst...

Endlich wieder Internet...

... und das ist noch mehr Zufall als Planung.
Ja, ja, der Standard hier ist in den laendlichen Gegenden noch ein wenig hinter unseren letzten Urlaubslaendern nach. Das sist natuerlich keine Beschwerde, denn wir hatten wirklich eine tolle letzte Woche ganz im Norden von Armenien, fast an der georgischen Grenze. Das Klima ist hier ein wenig kuehler, weil gebirgiger. Aber das Wetter hat insgesamt nicht viel Einfluss auf unseren Tagesablauf gehabt, denn den haben andere fuer uns organisiert.
Schon auf der Fahrt weg von Jerevan in den Norden lernten wir Mutter und Tochter Hobosyan kennen, die uns gleich zu sich nach hause einluden und uns reichlich bewirteten und uns alles abnahmen, was nur moeglich war. Dann wurden wir innerhalb der Familie gleich in das naechste Nachbardorf weitergereicht, an einen Bauernhof, an dem wir weitere zwei Tage verbrachten. Die Menschen hier haben sich derart lieb um uns gekuemmert, dass man es im Mail gar nicht beschreiben kann - da muesst ihr auf unsere Erzaehlungen warten.

Das Bild soll zumindest einmal einen Eindruck vom wunderschoenen Alaverdi und seinem imposanten Kupferindustriekomplex vermitteln. Dass dort besonders viele Leukaemie-Erkrankungen auftreten und das Atmen ziemlich schwer faellt soll hier nicht unerwaehnt bleiben.

Jetzt sind wir wieder "allein", und das ist sehr erholsam, denn Kommunikation und Action rund um die Uhr ist sehr, sehr anstrengend. Wir logieren momentan in einem alten Thermalkurort, Dilischan, der leider sehr heruntergekommen ist. Die Landschaft hier ist absolut alpin, wir fuehlen uns hier wie zuhause (auch mit dem tollen obstangebot ist es hier leider vorbei). Morgen wird es vermutlich weiter gehen nach Sueden, zum grossen Sewansee, mal sehen ob es uns dort laenger haelt, wir befuerchten intensiven Tourismus mit allen Begleiterscheinungen...
Wir melden uns wieder, sobald es die Infrastruktur erlaubt. Auf jeden Fall muss betont werden, dass es hier absolut sicher ist, jeder hilft einem und die Kriminaltitaet ist sehr gering. Gefaehrlich sind da schon eher die Minibusse...

Smoggeplagte Industriestadt Alaverdi

Smoggeplagte Industriestadt Alaverdi

Kathedrale in Jerevan

Kathedrale in Jerevan

© Michael Kasper, 2008
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Die Reise
 
Details:
Aufbruch: 10.07.2007
Dauer: 3 Wochen
Heimkehr: 01.08.2007
Reiseziele: Armenien
Der Autor
 
Michael Kasper berichtet seit 19 Jahren auf umdiewelt.
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